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13.05.2022

15:20

NRW-Wahl

Hendrik Wüst geht ohne großen Amtsbonus ins Rennen

Von: Daniel Delhaes

Ministerpräsident Wüst will zum ersten Mal eine Landtagswahl als Spitzenkandidat seiner Partei gewinnen. Doch ihm blieb kaum Zeit, an Profil zu gewinnen.

Möchte noch länger im Amt des NRW-Ministerpräsidenten bleiben. IMAGO/Panama Pictures

Hendrik Wüst

Möchte noch länger im Amt des NRW-Ministerpräsidenten bleiben.

Berlin Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist Hendrik Wüst (CDU) erst seit weniger als 200 Tagen. Ende Oktober folgte er auf Armin Laschet. Doch fliegende Wechsel sind schon oft schiefgegangen.

Erst kürzlich verlor etwa Parteikollege Tobias Hans die Wahl an der Saar, nachdem er das Amt von Annegret Kramp-Karrenbauer übernommen hatte. David McAllister unterlag 2013 ebenfalls, nachdem er als Fraktionschef in die niedersächsische Staatskanzlei wechselte, da Christian Wulff ins Berliner Bellevue gewechselt war. Übrigens ereilte das gleiche Schicksal zuvor Sigmar Gabriel (SPD).

Und nun? Blieb kaum Zeit für Wüst, um sich dem Wahlvolk bekannt zu machen. Zwar war er viereinhalb Jahre unter Laschet Verkehrsminister. Doch verschaffte ihm die Position allenfalls ähnlich viel Bekanntheit wie seinem Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD), dem seine Zeit als Justizminister im Kabinett von Hannelore Kraft geholfen hat.

Weder Kutschaty noch Amtsinhaber Wüst kennen die Menschen von Aachen bis Minden wirklich gut, sodass von einem Amtsbonus kaum die Rede sein kann. Auch sind beide keine Menschenfänger.

Wüst, der gern mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, hat systematisch an seinem Aufstieg gearbeitet und seine münsterländische Heimat nie verlassen. Er geht zur Jagd und spielte Handball.

Im Alter von 15 Jahren trat er in die Junge Union ein und gründete einen Ortsverband. Seine Eltern stammten aus einfachen Verhältnissen und starben früh. Der junge Wüst studierte Jura in Münster. 2005 zog er in den Düsseldorfer Landtag ein.

Nur ein Jahr später wurde er Generalsekretär der NRW-CDU. Er stürzte über eine Sponsoringaffäre, stand aber bald wieder auf, da ihn die Mittelstandsunion NRW zum Chef wählte und ihn auch jetzt im Wahlkampf tatkräftig unterstützt. In der Oppositionszeit verdingte er sich als Geschäftsführer des Zeitungsverlegerverbands NRW.

2017 übernahm Wüst das Verkehrsressort. Er ging den Investitionsstau an, während der damalige Ministerpräsident Laschet den Bürokratieabbau ganz oben auf die Tagesordnung setzte. Dennoch herrscht Chaos auf den Autobahnen, sei es nun an der teilgesperrten Leverkusener Brücke auf der A1 oder der vollgesperrten Rahmede-Talbrücke auf der A45.

Der scheidende Ministerpräsident Armin Laschet beglückwünscht seinen Nachfolger. imago images/Political-Moments

Sondersitzung des NRW Landtag im Oktober 2021

Der scheidende Ministerpräsident Armin Laschet beglückwünscht seinen Nachfolger.

Überall im Land bröselt die Infrastruktur. Wüst sieht darin Versäumnisse der letzten zwei bis drei Jahrzehnte, weniger eigene. Ende Oktober 2021 übernahm er das Amt und den Parteivorsitz von Laschet.

Die Affäre um die inzwischen zurückgetretene Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, die kurz nach der Hochwasserkatastrophe im Rheinland mit Kabinettsmitgliedern nach Mallorca geflogen war, hält Wüst für abgehakt.

Auch will er nicht mehr als Mittelstandspolitiker gelten, sondern als einer, der sich um alle kümmert. Den Mindestlohn von zwölf Euro, den inzwischen auch die Bundespartei mit dem Sauerländer Friedrich Merz an der Spitze fordert, hält er inzwischen für nötig angesichts von Inflation und Energiepreisen.

Ohnehin hilft die Bundespartei nach Kräften, damit Wüst nicht dasselbe Schicksal wie Hans, McAllister oder Gabriel widerfährt. Unzählige Male traten Merz und Generalsekretär Mario Czaja im Wahlkampf auf.

Vor allem versuchen sie seit Wochen und Monaten, das Bild vom führungsstarken Kanzler zu zerstören. Mit dem Image hatte Olaf Scholz (SPD) die Bundestagswahl gewonnen und sollte entsprechend für Schwung bei der SPD in NRW sorgen.

Hardliner in der Coronapolitik

Wüst selbst reiste allenfalls als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz nach Berlin. Die große Bühne versuchte er zu nutzen, um schnell an Profil zu gewinnen. Dabei gab er sich als Hardliner in der Coronapolitik. Eine Strategie, die sich vermutlich nicht auszahlt.

Für den Wahlabend empfehlen ihm Parteifreunde, selbst bei einer noch so knappen Führung vor der SPD sofort klarzustellen: Die CDU hat von den Wählern den Auftrag erhalten, die Regierung zu bilden. Er solle „moralischen Druck“ aufbauen, wie dies am Abend der Bundestagswahl die SPD getan habe.

Das Ziel: ein schwarz-grünes Bündnis, auch wenn Wüst gern mit der FDP weiterregieren würde. Deren Bildungsministerin Yvonne Gebauer hatte indes in der Coronakrise so viele Fehler gemacht, dass die Partei nachhaltig an Zustimmung verloren hat.

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Die Grünen, so heißt es optimistisch in der CDU, dürften einer Koalition nicht abgeneigt sein. Obwohl der Landesverband deutlich linker als etwa in Baden-Württemberg ist, würden sich die Grünen doch an die Zeiten mit der SPD erinnern: Die Genossen hätten sie nicht gut behandelt.

Die Grünen geben sich so oder so zuversichtlich, bald zu regieren. Es sei „vielleicht gar nicht so spielentscheidend“, ob Wüst oder Herausforderer Kutschaty nächster Ministerpräsident werde, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur.

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