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23.03.2023

10:37

Ökonomische Bildung

Lernplattform für die Deutschen: Lindner und Stark-Watzinger wollen das Finanzwissen verbessern

Von: Barbara Gillmann

Viele Deutsche können mit Zins und Zinseszins wenig anfangen. Eine „Nationale Finanzbildungsstrategie“ der liberalen Minister soll das künftig ändern. Experten drängen auf das Schulfach Wirtschaft. 

Um das Finanzwissen der Deutschen steht es schlecht. Dabei ist das ein wichtiger Baustein für den finanziellen Aufstieg. EyeEm/Getty Images

Frau hebt in Berlin Geld ab

Um das Finanzwissen der Deutschen steht es schlecht. Dabei ist das ein wichtiger Baustein für den finanziellen Aufstieg.

Berlin Der Bundesfinanzminister und die Bundesbildungsministerin wollen das Wissen der Deutschen rund um Sparen, Anlegen, Rente, Inflation & Co. verbessern. Denn nur solides Finanzwissen ermögliche Menschen, „sinnvolle Anlage-, Kredit- und Versicherungsentscheidungen zu treffen“, sagte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei der Auftaktveranstaltung für eine „Nationale Finanzbildungsstrategie“. Nur so entstünden Chancen für individuellen Aufstieg und den Erwerb von Vermögen, ergänzte Finanzminister Christian Lindner (beide FDP). 

Aktuell sei Deutschland hier „leider nicht so gut aufgestellt“, konstatierte er. Nach einer OECD-Studie sei das Finanzwissen der Deutschen „immer noch gering“. So beantworten zum Beispiel nur rund zwei Drittel der Bürger einfache Fragen zur Zinsrechnung richtig, das Konzept des Zinseszinses verstehe nur gut die Hälfte der Erwachsenen. Nur 44 Prozent könnten beides. 

Nach einer europaweiten Studie der ING Bank sieht sich sogar die Hälfte der Bürger als finanzielle Analphabeten – damit wurde Deutschland im europäischen Vergleich Vorletzter. Defizite gab es vor allem bei Jüngeren zwischen 18 und 34 Jahren. „Das ist, wie wenn man Leute ohne Führerschein Auto fahren lassen würde“, meint Mark Branson, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin. 

Eben weil finanzielle Bildung „eine Grundvoraussetzung für kompetente ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe“ sei, wollen die beiden liberalen Minister nun eine „Nationale Finanzbildungsstrategie“ entwerfen. Helfen soll ihnen dabei die OECD, die seit der Finanzkrise 2008 darauf drängt. Dennoch sei Deutschland das einzige G20-Land, das bislang keine solche Strategie hat, räumte Lindner ein.

Konkret wollen er und Stark-Watzinger zunächst eine Finanzbildungsplattform einrichten, die vorhandene seriöse Angebote bündelt. Später sollen Kampagnen, Roadshows oder Trainings von Lehrenden dazukommen. 

Drei Viertel der jungen Menschen machen sich Sorgen um ihre finanzielle Zukunft

Weil man aber noch zu wenig wisse, wie viel die Deutschen tatsächlich von Wirtschaft und Finanzen verstehen, soll auch die Forschung dazu ausgebaut werden. Substanzielle Verbesserung könne allerdings nur breite ökonomische Bildung in der Schule bringen, mahnte Verena von Hugo, Vorsitzende des Bündnisses Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB), eines Zusammenschlusses von mehr als 100 Stiftungen, Verbänden und Initiativen. Dafür brauchten die Kultusminister aber die Hilfe des Bundes, sagte von Hugo. 

Nach der jüngsten Jugendstudie des Bankenverbandes wünschen sich nahezu drei Viertel der jungen Leute mehr Informationen in der Schule über wirtschaftliche Zusammenhänge. Viele auch deshalb, weil sie sich aktuell große Sorgen machen um ihre finanzielle Zukunft, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Inflation. 77 Prozent von ihnen fordern explizit die Einführung eines Unterrichtsfachs Wirtschaft.

Die Bundesbildungsministerin bestätigte, dass die Schule „die naheliegendste Einrichtung“ sei, um finanzielle und ökonomische Bildung zu vermitteln. Sie werde sich um eine Zusammenarbeit bemühen. Leider könne der Bund in den Schulen aber nur Pilotprojekte finanzieren.

Opposition ist skeptisch

Stark-Watzinger selbst hatte schon Ende 2022 eine „Nationale Strategie zur ökonomischen Bildung“ angekündigt und dafür zwei Millionen Euro reserviert. Auch in Expertenrunden ihres Hauses zur Vorbereitung des Startschusses war noch von „ökonomischer Bildung“ die Rede gewesen, die weit mehr umfasst als nur Finanzwissen. 

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Die Opposition ist skeptisch: Bessere finanzielle Bildung sei zwar wichtig, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek. Der Bildungsgipfel, den die meisten Landesminister boykottiert hatten, habe aber gezeigt, dass die Bundesministerin hier „ohne die zuständigen Länder nicht vorankommt“.

Selbst dort, wo Wirtschaft und Finanzen schon ein Thema in den Schulen sind, fehlt es an entsprechender Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte. Doch ausgerechnet hier „droht am Ende des Jahres das einzige Bundesprogramm, die ,Qualitätsoffensive Lehrerbildung‘, ersatzlos auszulaufen“, sagte Jarzombek. Die Ministerin müsse daher dringend für Ersatz sorgen.

Zur geplanten Plattform sagte er, es gebe schon zu viele Plattformen des Bundes, die nicht genutzt werden. Lindner und Stark-Watzinger seien daher „gut beraten, nicht zunächst teuer eine Plattform zu entwickeln und dann erst zu überlegen, wie sie die Nutzer auch erreiche. „Minister mit ausreichend finanziellem Wissen sollten sich dessen bewusst sein“, fügte Jarzombek hinzu. 

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