Auf der ganzen Welt wird künftig Impfstoff gegen das Sars-Cov-2-Virus hergestellt werden können. Die Patentinhaber müssen dazu nicht mehr gefragt werden.
Biontech-Produktion in Marburg
Die Pharma-Firmen verteidigen ihre Patente.
Bild: dpa
Brüssel Entwicklungsländer sollen Covid-19-Impfstoffe ohne Rücksicht auf den Patentschutz produzieren dürfen. Dass ist der Kern einer Verabredung zwischen der EU, den USA, Südafrika und Indien. Sie wollen sich in der Welthandelsorganisation (WTO) gemeinsam für eine Aufhebung des Schutzes einsetzen. Das geht aus einem Dokument hervor, welches das Handelsblatt einsehen konnte. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur Reuters darüber berichtet.
Demnach sollen Entwicklungsländer ohne Verhandlungen mit dem Patentinhaber den Schutz per Dekret aufheben dürfen. Das ist mit weniger Aufwand verbunden als das übliche System von Zwangslizenzen. Die dann hergestellten Impfstoffe sollen auch exportiert werden dürfen. Ohne diese Regelung würde sich der Aufbau eine Impfstoffproduktion kaum lohnen.
Außerdem sollen die neuen Impfstoffproduzenten ihre Produkte ohne weitere klinische Studien auf den Markt bringen können, weil diese von den Patentinhabern bereits durchgeführt wurden.
Die geplante Patentaufhebung gilt nicht für Staaten, die 2021 schon Covid-19-Impfstoffe im größeren Stil exportiert haben, sondern zielt darauf ab, neue Produktionsstandorte zu ermöglichen.
„Es ist eine überfällige Kehrtwende der EU“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. „Endlich können die Länder des globalen Südens damit ihre eigenen Covid-Impfstoffe produzieren. Das wird helfen, die Pandemie weltweit in den Griff zu kriegen.“
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Auch der CDU-Abgeordnete Peter Liese äußerte sich positiv: „Ich bin sehr froh über die Einigung, weil es eine ärgerliche Diskussion beendet, die am eigentlichen Problem vorbeigeht“, sagte er. „Wichtig ist, Länder mit geringen Einkommen auch bei der Infrastruktur zu unterstützen.“
Noch hat die Welthandelsorganisation WTO den Vorschlag nicht angenommen. Nicht nur die EU, auch die Schweiz und Großbritannien hatten sich für den Patentschutz starkgemacht. Sie sind an dem Kompromiss nicht beteiligt und könnten in der WTO dagegen stimmen. Nur ein einstimmiges Ergebnis würde den Patentschutz außer Kraft setzen.
Die Diskussion um den Patentschutz gibt es, seit die ersten Impfstoffe fertig entwickelt waren. Die Pharmafirmen wehrten sich dagegen, ihre Entwicklung aus der Hand zu geben. Die EU stellte in Frage, ob dieser Schritt wirklich zu einer schnelleren Produktion von Impfstoffen führen würde. Gerade am Anfang der Pandemie war es eher ein Mangel an vielen verschiedenen Rohstoffen, der zur Knappheit der Impfstoffe führte.
Stattdessen hat die deutsche Firma Biontech zuletzt mobile Produktionsmodule vorgestellt, mit denen sie in Afrika Impfstoffe herstellen will. Die Firma erwartet, dass die Produktion auf diesem Wege im zweiten Halbjahr 2023 beginnen kann. Biontech will nach einer Einführungsphase Know-how an lokale Partner weitergeben und dann einen unabhängigen Betrieb der Produktionsstätten ermöglichen. Der zweite große mRNA-Entwickler Moderna kündigte kürzlich eine Investition von 500 Millionen Euro in eine Produktionsstätte in Kenia an.
Der Kompromiss zum Patentschutz bezieht sich nur auf Impfstoffe, nicht auf Medikamente zur Behandlung der Covid-Krankheit. „Der Kompromiss bleibt halb gar“, sagte Cavazzini deshalb.
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