Die Freude über den Besuch des Ministers war bei den Raffinerie-Mitarbeitern begrenzt. Bekommt Habeck genug Rückhalt für seinen komplizierten Plan, von russischem Öl loszukommen?
Robert Habeck besucht Raffinerie in Schwedt
Der Wirtschaftsminister spricht mit der Belegschaft der PCK-Raffinerie vor dem Hintergrund des geplanten Ölembargos der EU gegen Russland.
Bild: dpa
Schwedt/Oder Ein schwungvoller Satz hinauf, und Robert Habeck steht auf dem Tisch. Es ist die vielleicht ungewöhnlichste Bühne, auf der der Wirtschaftsminister bislang gesprochen hat. Außergewöhnlich ist auch der Anlass seines Besuchs in Schwedt, inmitten der brandenburgischen Uckermark.
Dort residiert gewissermaßen die letzte Bastion des russischen Öls. Die PCK-Raffinerie, mehrheitlich im Besitz des russischen Ölkonzerns Rosneft, macht fast die gesamten zwölf Prozent der Erdöl-Importe aus, die Deutschland noch aus Russland bezieht. Die Anspannung ist groß in Schwedt. Was, wenn das Ölembargo kommt, wie sieht die Zukunft der 1200 Mitarbeiter aus? Robert Habeck wollte darüber aufklären, als er am Montag die Raffinerie besuchte.
Für die Betriebsversammlung mit dem Vizekanzler hatte PCK die Betriebskantine auserkoren. Doch schnell wurde klar, der Andrang der Belegschaft ist zu groß. Und die Versammlung wurde kurzerhand nach draußen verlegt. Der Geruch von Grillwurst breitete sich unter den schätzungsweise 500 anwesenden Personen aus. 15 Minuten lang schoben die Verantwortlichen Tische und Stühle umher, bauten eine Bühne auf, spannten Absperrseile.
Als Habeck zu Wort kommt, betritt er allerdings nicht die Bühne, sondern springt auf einen Tisch, deutlich näher an den zuhörenden Raffinerie-Mitarbeitern. Die Aktion ist offensichtlich spontan, seine Personenschützer schrecken auf und positionieren sich kurzerhand neu. So steht der Grünen-Politiker da, auf dem Tisch, mit einer Limoflasche in der Hand, die Hemdsärmel hochgekrempelt. Ein typischer Habeck eben.
Doch so dynamisch, wie er seinen Auftritt beginnt, so schnell wird er von der der Realität ausgebremst. Hier, in der strukturschwachen Uckermark, können offensichtlich viele nichts mit den weltbürgerlichen Ausführungen von Robert Habeck anfangen.
Großen Teilen der Belegschaft geht eine andere Solidarisierung voraus, eine andere Sicht auf Russland als Partner. Und es geht ihnen um die eigene Existenz. Die Raffinerie ist der mit Abstand größter Arbeitgeber in der Gegend. 3000 Personen sind direkt oder indirekt am Standort beschäftigt. Die Einwohnerzahl in Schwedt hat sich in den vergangenen Jahren nahezu halbiert.
Während Habeck auf dem Tisch steht, sind die Mitarbeiter in ihrer grün-orangen Arbeitskleidung um den Minister herum versammelt. Sie reihen sich vor den Steinen auf, die ovalförmig das Ende der Terrasse vor der Betriebskantine bilden, und blicken auf Habeck. Es wirkt etwas wie ein Amphitheater, doch treiben die Beschäftigten mit ihren Fragen den Vizekanzler eher wie bei einem Stierkampf vor sich her.
„Warum sollten wir Geschäftspartner, die immer zuverlässig und pünktlich geliefert haben, so vor den Koffer scheißen?“, fragt ein PCK-Mitarbeiter mit Blick auf das geplante Ölembargo. „Sie sind nicht mein Kanzler“, sagt er, und korrigiert dann zu „nicht mein Vizekanzler“.
Der Vizekanzler erklärt besonnen den Plan für die Raffinerie. Der ist nicht ganz simpel. Habecks offener Stil der Kommunikation ist ihm eine kleine Hilfe, mehr aber auch nicht. PCK wird seit Jahrzehnten über die Pipeline Druschba („Freundschaft“) mit sibirischem Öl beliefert.
Verbindungen bestehen zwar zu den Hafenstädten Rostock und Danzig in Polen. In Rostock könnten auch Lieferungen aus der nationalen Rohölreserve angelandet werden. Die findet sich in Wilhelmshaven und würde für drei Monate reichen. Doch die Transportkapazitäten reichen aktuell nicht aus, um die Druschba einfach so zu ersetzen. Habeck arbeitet daran, das kurzfristig zu ändern.
„Man kann das ehrlicherweise nicht versprechen, das alles wie geschnitten Brot gut klappt“, sagt er und versprach im nächsten Atemzug Finanzhilfen des Bundes für den Standort, um langfristig die Umstellung von Öl auf Wasserstoff zu unterstützen.
Und dann ist da noch das Problem mit dem Eigentümer. Solange Rosneft die Mehrheit an PCK hält, wird der russische Konzern wohl kaum helfen, auf russisches Gas zu verzichten. Das weiß auch die Bundesregierung. Sie spielt deshalb eine Insolvenz, die treuhändische Verwaltung durch den Staat oder als ultima ratio eine Enteignung durch – „Christian Lindner bezahlt sozusagen“, wie Habeck dazu erklärte.
PCK-Raffinerie
Trotz des geplanten EU-Ölembargos gegen Russland soll die Anlage mit rund 1200 Beschäftigten eine Zukunft haben.
Bild: Reuters
Habeck war sichtlich bemüht, die PCK-Belegschaft von seinem Plan zu überzeugen und glaubhaft zu versichern, dass auch in Zukunft mit der Raffinerie in Schwedt geplant werde. „Ich würde mich freuen, wenn Sie mir nicht nur als Feind sehen würden, sondern als jemand, der den Standort retten will“, sagte er. „Ich will Sie nicht verkackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen.“
Bei vielen Mitarbeitern verfing das scheinbar nicht. „Ich wollte Sie nur nochmal daran erinnern, dass Sie einen Amtseid geleistet haben“, sagte eine Frau mit dunklen Haaren, die ihre Frage von einem Zettel ablas. „Jawoll!“, tönt es daraufhin aus den Reihen der anderen Mitarbeiter.
Von denen fragte auch einer, ob Habeck wirklich im Sinne der Deutschen handle, und nicht eher in jenem der US-Amerikaner. Die hätten schließlich auch den Regimewechsel in der Ukraine erkauft.
Gegen diese verzerrenden, geschichtsrevisionistischen Aussagen argumentierte Habeck mit Verve. „Die Relativierung eines Angriffskriegs ist die Relativierung der Toten“, stellte er klar. Ihm sprang auch PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer bei. „Mit Kriegsverbrechern solidarisieren wir uns nicht“, sagte dieser.
Schairer, erst seit knapp sechs Wochen im Amt, steht vor einer komplizierten Lage. Er will die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter sichern, diese Aussage kauft man ihm durchaus ab. Auch, dass er die Bundesregierung im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützt. Doch natürlich ist Schairer ein Getriebener, solange es Rosneft ist, das sein Gehalt zahlt.
Habecks Verurteilung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine brachten ihm auch immer wieder Applaus von PCK-Mitarbeitern ein. Doch bei den pro-russischen Fragestellern war der akustische Zuspruch stets etwas größer.
Und dann holte sich Habeck noch bei einem Widerspruch ein, der mit ihm auf der Terrasse vor der Betriebskantine stand: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Fragen der Beleschaft
„Ich wollte Sie nur nochmal daran erinnern, dass Sie einen Amtseid geleistet haben“, sagte eine PCK-Mitarbeiterin gegenüber Habeck.
Bild: Reuters
Bei Protestaktionen gegen Ölimporte hatten Klima-Aktivisten vor zwei Wochen in der Nähe von Schwedt versucht, die Versorgung über die Durschba zu unterbrechen. Habeck verurteile die Aktion, aber nicht das grundsätzliche Ansinnen. Stattdessen warb er für Verständnis gegenüber Klimaschützern. „Beide Seiten haben ein bisschen recht.“
Woidke griff zum Mikrofon und widersprach. Bei solchen Aktionen sei „ein Straftatbestand erfüllt. Punkt, Aus, Ende.“ Das sei weder zu verstehen noch zu tolerieren.
Im Bundeswirtschaftsministerium hatten sie damit gerechnet, dass Schwedt für Habeck kein Heimspiel wird. Mit mancher AfD-nahen Vereinigung sei in einer Belegschaft in dieser Gegend immer zu rechnen, hieß es. Habeck sagte später nur so viel: „Die Art der Diskussion war besonders.“
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