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19.01.2021

14:01

Pläne des Verkehrsministers

Mangelnder Datenschutz: Justizministerin lehnt Scheuers Gesetz zum autonomen Fahren ab

Von: Daniel Delhaes

Das Bundesjustizministerium moniert in mehreren Punkten das geplante Gesetz für Roboterfahrzeuge – auch weil Daten künftig an Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt übermittelt würden.

Jedes Roboterfahrzeug liefert Bewegungsdaten. Dabei handelt es sich um hochsensible Informationen, meint das Bundesjustizministerium. Bosch

Studie eines autonom fahrenden Autos

Jedes Roboterfahrzeug liefert Bewegungsdaten. Dabei handelt es sich um hochsensible Informationen, meint das Bundesjustizministerium.

Berlin Für Datenschützer ist es ein Graus: Ein Bürger sitzt im Auto, während das Fahrzeug Daten wie die eigene Position und die Route speichert und auf Anfrage über das Kraftfahrt-Bundesamt an den Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt übermittelt.

Eine entsprechende „Datenübermittlungsregelung“ hat das Bundesjustizministerium in den Gesetzesplänen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) identifiziert und verweigert unter anderem aus diesem Grund, dem Entwurf zuzustimmen. Der Regelung werde „widersprochen“, heißt es in einer neuen Stellungnahme des Ministeriums zu dem Vorhaben. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor.

Die entsprechenden Vorschriften in dem Gesetz- und im Verordnungsentwurf seien „zu streichen“, fordern die Beamten des Verfassungsressorts. Und sie begründen es auch:

Bei den Daten, die erhoben würden, handele es sich auch um „sensible personenbezogene Datenkategorien, die beim autonomen Fahren anfallen, wie etwa die Positionsdaten des Fahrzeugs, aus denen sich Bewegungsprofile der Fahrzeuginsassen erstellen lassen würden“.

Da es keinen Schutz dieser Daten gebe, widerspreche das den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben habe. „Auch die Begründung lässt nicht erkennen, ob eine Übermittlung der genannten Daten zur Erreichung eines legitimen Regelungszwecks geeignet, erforderlich und angemessen erscheint“, schrieben die Justizbeamten.

Minister Scheuer will die Technologie fördern

Der hochsensible Bereich der personenbezogenen Daten ist nur ein Kritikpunkt an dem Plan von Minister Scheuer. Er will noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz durch den Bundestag bringen, mit dem die Automobilhersteller autonom fahrende Fahrzeuge im regulären Straßenverkehr einsetzen können. Zunächst soll dies im Nahverkehr durch Kleinbusse, sogenannte „People Mover“, möglich sein.

Bereits in einer ersten Stellungnahme hatten die Beamten von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) grundlegende Bedenken geäußert. Das Verkehrsministerium reagierte darauf Mitte Dezember, offenkundig aber wenig überzeugend, wie sich aus der 19 Seiten umfassenden zweiten Replik ergibt.

Darin legen die Beamten sogar einen eigenen Entwurf für ein Mobilitätsdatengesetz vor und lassen kein gutes Haar an den Plänen von Minister Scheuer: „Die Entwürfe für ein Gesetz und für eine Verordnung zum autonomen Fahren sind aus hiesiger Sicht weiterhin inhaltlich, rechtsförmlich und rechtssystematisch anpassungsbedürftig.“

Sie seien „erkennbar noch nicht aus einem Guss“. Angesichts der zahlreichen Defizite sei eine „nochmalige Vorlage von wesentlich überarbeiteten Entwürfen“ seitens des Bundesverkehrsministeriums erforderlich. Auch verweist das Justizressort „auf die Notwendigkeit, für die abschließende Rechts- und Mitprüfung angemessene Fristen einzuräumen“.

Autonomer öffentlicher Nahverkehr auf dem Land

Mit dem Hinweis gilt innerhalb der Bundesregierung als so gut wie sicher, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden kann.

Dabei schließt sich das Ministerium grundlegend der Meinung an, dass autonome Fahrzeuge vor allem im Nahverkehr „maßgeblich dazu beitragen“ können, dass etwa ältere und behinderte Menschen „im urbanen, aber vor allem auch im ländlichen Raum“ deutlich mobiler sind. Auch ein Beitrag zum Klimaschutz werde damit geleistet.

Grafik

Notwendig sei aber „ein ausgewogener Rechtsrahmen“. Die Pläne des Verkehrsministers trügen allenfalls dem „Innovationsdrang der Technologie“ Rechnung, wie das Ministeriums aus dem Vorblatt des Gesetzentwurfs zitiert. Im Klartext: Das Gesetz nutzt aus Sicht des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums den Autobauern, nicht aber den Verbrauchern.

Das Justizressort plädiert deshalb „hinsichtlich der Mobilitätsdaten für eine Regelung zur Datensouveränität, für Regelungen zur Datenverarbeitung, zum erlaubten Zugriff auf die Fahrzeugdaten, für eine nutzerfreundliche Software im KfZ und für eine Regelung zur Bereitstellung von Fahrzeugdaten für Gemeinwohlzwecke“ – und macht dafür sogar konkrete Vorschläge.

Autofahrer soll über seine Daten bestimmen

Der Kern, der ins Straßenverkehrsgesetz eingefügt werden soll: Der Halter des Fahrzeugs oder „die Person, die das Fahrzeug dauerhaft nutzt“, ist Herr „aller Daten“. Gemeint ist „jegliche Datenverarbeitung, insbesondere das Generieren, Erheben, Erfassen und Speichern sowohl von personenbezogenen Daten als auch von technischen Daten ohne Personenbezug“. Alles andere sei ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union.

Der Halter muss aus Sicht des Ministeriums die „Datensouveränität“ besitzen. Das gelte auch für Daten, die etwa der Hersteller erhebt, um den Verschleiß von Fahrzeugteilen zu ermitteln. Entsprechend dürften Volkswagen, Daimler, BMW oder Toyota in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht festlegen, dass der Halter auf seine Datenhoheit verzichtet, wenn er das Fahrzeug kauft.

Auch müsse der Hersteller ermöglichen, dass der Halter Daten selbst speichert und über offene Schnittstellen etwa an einen „Datentreuhänder“ übermittelt. Damit wird ein Datenmonopol der Autohersteller unterbunden.

Einige Daten aber will auch das Justizministerium gern nutzen: Daten, die keine Rückschlüsse auf die Person erlauben, sollen auch der Allgemeinheit zur Verfügung stehen können. Sie sollen an eine „zentrale Anlaufstelle“ übermittelt und etwa zur Verkehrs- und Stadtplanung genutzt werden.

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