Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

08.02.2023

15:13

Regierungserklärung

Scholz warnt bei Waffenlieferungen vor „Überbietungswettbewerb“ – Merz kritisiert Zögern des Kanzlers

Von: Martin Greive, Roman Winkelhahn

Der Kanzler dämpft die Erwartungen an den EU-Gipfel. Deutschland brauche sich schon jetzt wirtschaftlich vor den USA nicht zu verstecken.

Vor der Bundestagsdebatte unterhielten sich CDU-Chef Merz und Bundeskanzler Scholz. Reuters

Gespräch zwischen Regierungs- und Oppositionschef

Vor der Bundestagsdebatte unterhielten sich CDU-Chef Merz und Bundeskanzler Scholz.

Berlin Kurz vor ihrem Schlagabtausch im Bundestag haben Olaf Scholz und Friedrich Merz noch etwas zu klären. Der hochgewachsene CDU-Chef kommt mit großen Schritten auf die Regierungsbank zu, die beiden sprechen kurz, der Bundeskanzler nickt, Merz nickt. Dann geht ihr Rededuell im Bundestag los. Und mit der Einigkeit der beiden ist es sofort wieder vorbei.

Der Kanzler gibt an diesem Mittwoch eine Regierungserklärung im Bundestag zum bevorstehenden EU-Sondergipfel am Donnerstag und Freitag ab. Dort geht es dieses Mal um die ganz großen Themen: um die EU-Asylpolitik und die europäische Antwort auf das US-Inflationsbekämpfungsprogramm (IRA), durch das die USA Unternehmen mit großzügigen Subventionen päppeln.

Scholz räumt ein, die USA hätten mit dem IRA die Diskussion um eine aktive Industrie- und Standortpolitik für Zukunftstechnologien neu entfacht. Erwartungen an weitreichende Beschlüsse auf dem EU-Sondergipfel erteilt Scholz jedoch eine klare Absage. „Ein ungehemmter Subventionswettlauf mit den USA wäre der falsche Weg“, sagt der Kanzler. Zudem brauche sich Europa nicht vor den USA zu verstecken, „Kassandrarufe“ seien nicht angebracht.

Weder habe es bislang eine Rezession noch eine Deindustrialisierung oder eine große Abwanderungswelle aus Europa in die USA gegeben, und es werde sie auch nicht geben. „Zum anderen besitzen wir in Europa durchaus die wirtschaftlichen Voraussetzungen und die Förderinstrumente, um den klimaneutralen Wandel der Industrie zu meistern“, sagt Scholz. Der Kanzler verweist dabei auf 250 Milliarden Euro im Corona-Wiederaufbaufonds, die für Dekarbonisierung der europäischen Industrie bereitstünden, sowie eine Reihe weiterer EU-Fonds, in denen noch viele Milliarden lägen. Unternehmen bräuchten vor allem flexiblere und schnellere Entscheidungen der EU bei der Förderungen.

Man werde sich sehr genau anschauen, „ob und wo unsere Programme noch Lücken lassen und wie man diese dann schließen kann. Dafür braucht es aber zunächst eine sorgfältige Analyse, wie sie die Kommission in Aussicht gestellt hat“, sagt Scholz.

Scholz: USA darf europäische Unternehmen nicht benachteiligen

Grundsätzlich sei es begrüßenswert, wenn die USA den Wandel hin zur Klimaneutralität „endlich“ entschlossen angehen würden, sagt Scholz. Er verlangt von den USA aber auch Entgegenkommen. So könnten die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA vertieft werden. „Unsere laufenden Gespräche über den IRA sind dafür eine gute Ausgangsbasis – jedenfalls dann, wenn die USA auf Regeln verzichten, die europäische Unternehmen zum Beispiel gegenüber Unternehmen aus Kanada und Mexiko benachteiligen“, sagt Scholz.

Der Kanzler warnt: Mit einer Deglobalisierung könne man die Klimaschutzziele nicht erreichen. Deshalb sollten die EU-Abkommen mit Neuseeland und Chile zügig in Kraft gesetzt und die Verhandlungen mit Australien, Indien und Indonesien rasch vorangebracht werden.

Diesen Ball nimmt Oppositionsführer Merz direkt auf. Es seien doch SPD und Grüne gewesen, die das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) erst nach „quälenden sieben Jahren“ unterschrieben hatten. Ein Handelsabkommen mit Südamerika (Mercosur) werde inzwischen seit 15 Jahren verhandelt, auch maßgeblich aufgrund des Widerstands von SPD und Grünen. Und ein im vergangenen Jahrzehnt geplantes Handelsabkommen mit den USA (TTIP) sei ebenfalls an der politischen Linken gescheitert. „Die wesentlichen Hausaufgaben in der Handels- und Wirtschaftspolitik, die müssen Sie schon hier in Berlin machen“, so Merz.

Der SPD-Politiker sagte, dass die EU über genug Mittel verfüge um den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft zu schaffen. IMAGO/Christian Spicker

Bundeskanzler Olaf Scholz

Der SPD-Politiker sagte, dass die EU über genug Mittel verfüge um den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft zu schaffen.

Doch die Wettbewerbsfähigkeit der EU werde ausgerechnet durch Deutschland gelähmt, weil „seit Wochen und Monaten in Brüssel deutsche Sprachlosigkeit herrscht“, weil sich die Ampelkoalition bei der Frage einer europäischen Antwort auf IRA nicht einig sei. „So wird die Wettbewerbsfähigkeit der EU nicht durch Brüssel, sondern durch die Uneinigkeit Ihrer Koalition infrage gestellt“, hält Merz Scholz vor.

Merz kritisiert Scholz Zögern bei Waffenlieferungen

Auch das Thema Waffenlieferungen führt zu einem Schlagabtausch zwischen Scholz und Merz. Scholz verteidigt sein Vorgehen, erst nach Abstimmung mit den Bündnispartnern Kampfpanzer in die Ukraine zu liefern, was ihm starke Kritik eingebracht hat.

Ukraine-Krieg

Weitere Sanktionen gegen Russland

Ukraine-Krieg: Weitere Sanktionen gegen Russland

Ihr Browser unterstützt leider die Anzeige dieses Videos nicht.

Scholz kanzelt in seiner Regierungserklärung wiederum seine Kritiker ab. „Was unserer Geschlossenheit schadet, ist ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge – wer fordert noch mehr?“, warnt der Kanzler und kritisiert Politiker für „markige innenpolitische Statements und Kritik an Partnern und Verbündeten auf offener Bühne“, womit auch Vertreter aus den eigenen Reihen gemeint sein dürften. Dissonanzen und Spekulationen über mögliche Interessenunterschiede nutzten allein dem russischen Präsidenten und dessen Propaganda.

Scholz kündigt in seiner Rede zudem neue EU-Sanktionen gegen Russland an. „Die Sanktionen gegen Russland werden wir als Europäische Union zum Jahrestag des Kriegsbeginns noch einmal verschärfen“, sagt Scholz mit Blick auf den Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Merz hält Scholz dagegen vor, dass große Teile der Zeitenwende „bislang weitgehend auf dem Papier stattfinden“.

Es bleibe „inakzeptabel, dass es aus dem Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro bislang praktisch keine Bestellung und keine Ausschreibung gegeben hat“, so Merz. Auch habe Deutschland bis zum Schluss gebremst und gezögert, Kampfpanzer zu liefern, sagt Merz. „Lassen Sie uns nicht hoffen, das war nicht zu wenig, das war nicht zu spät“, so Merz.

Scholz hört auf der Regierungsbank zu, das Kinn auf einem Arm abgestützt. Eine Reaktion des Kanzlers ist nicht zu erkennen.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×