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27.02.2022

08:28

Russland-Ukraine-Krieg

Druck auf Altkanzler wächst: SPD-Spitze fordert Schröder zu Abkehr von „Kriegstreiber“ Putin auf

Von: Dietmar Neuerer

In der SPD gewinnt die Debatte über das Russland-Engagement des Altkanzlers an Fahrt. Nun verlangen auch Saskia Esken und Lars Klingbeil Konsequenzen von Schröder.

Lange hat sich der SPD-Chef um klare Worte gegen Gerd Schröder gedrückt. dpa

Lars Klingbeil

Lange hat sich der SPD-Chef um klare Worte gegen Gerd Schröder gedrückt.

Zu Recht habe er den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine verurteilt. Aber dieser Krieg gehe einzig und allein von Russlands Präsident Wladimir Putin aus. „Und deshalb kann es nur eine logische Schlussfolgerung geben: Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte. Als Bundeskanzler a.D. handelt man nie komplett privat. Schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen. Es ist deswegen überfällig, die geschäftlichen Beziehungen zu Putin zu beenden. Das erwarte ich unmissverständlich.“

Auch die SPD-Co-Chefin Saskia Esken forderte Schröder zur Abkehr von Putin auf. Die staatlichen russischen Energiekonzerne Rosneft und Gazprom seien nun Infrastruktur eines blutigen Angriffskrieges. "Mit seinen dortigen Mandaten schadet Gerhard Schröder dem Ansehen Deutschlands und der Sozialdemokratie", schrieb Esken auf Twitter. "Geschäfte mit einem Kriegstreiber sind der Rolle eines Altkanzlers unvereinbar."

Die Ansage der SPD-Spitze ist eine überraschende Kehrtwende in der Causa Schröder. Die Parteiführung hatte Konsequenzen für Schröder wegen dessen Engagements für die russische Energiewirtschaft und seiner Freundschaft zu Putin bisher ablehnt. Dabei mehrten sich an der Parteibasis zuletzt Stimmen, die sogar seinen Parteiaustritt forderten.

Darauf pocht etwa der linke SPD-Flügel, sofern Schröder sich nicht aus seinen Ämtern bei russischen Energiekonzernen zurückzieht. „Dann hat er seine Prioritäten geklärt und sollte sein Parteibuch freiwillig abgeben“, sagte der Co-Vorsitzende des Forum Demokratische Linke (DL), Lino Leudesdorff, dem Handelsblatt.

Wer für Gazprom und Rosneft arbeite, während russische Bomben auf die Ukraine fallen, habe sich weit von den Grundsätzen der Sozialdemokratie entfernt. „Wir erwarten, dass der Altkanzler Haltung beweist und von seinen Ämtern zurücktritt“, so Leudesdorff. „Seine Verbindungen nach Russland sollte er lieber für eine Einstellung der Kämpfe als für seine Brieftasche einsetzen.“

Schröder gilt als langjähriger Freund Putins. Zuletzt war der Altkanzler aufgefallen, weil er vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine ukrainische Forderungen nach Waffenlieferungen als „Säbelrasseln“ kritisierte. Klingbeil, der einst im Wahlkreisbüro Schröders arbeitete, betonte danach mehrfach, der Altkanzler vertrete damit nicht die Meinung der SPD.

Auch dass Schröder im Aufsichtsrat etwa des staatlichen russischen Energiekonzerns Rosneft sitze, halte er für einen Fehler, sagte Klingbeil. Schröder hat auch Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2.

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ging am Samstag ebenfalls auf Distanz zu Schröder. Auf Facebook schrieb er, es sei richtig, dass der Altkanzler die Verantwortung für den Krieg der russischen Regierung zuweise, dabei könne es aber nicht bleiben.

Er forderte: „Deswegen muss auch Gerhard Schröder sein Engagement in russischen Energieunternehmen beenden und damit die Anstrengungen der Bundesregierung und des gesamten Westens unterstützen.“

Angesichts der bisherigen Zurückhaltung der Parteispitze sahen sich einzelne Sozialdemokraten dazu veranlasst, selbst aktiv zu werden. So wandte sich etwa der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold in einem Brief direkt an Schröder und forderte ihn auf, „die SPD selbst zu verlassen, um noch größeren Schaden abzuwenden“.

Brandbrief an Schröder

„Dein derzeitiges Engagement ist angesichts der Entwicklung der letzten Tage weder im Interesse Deutschlands und erst recht nicht im Interesse der Sozialdemokratie. Dein Handeln widerspricht eklatant den Grundwerten unserer Partei“, heißt es in dem Schreiben, das Arnold auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat.

Arnold ist seit 50 Jahren Mitglied der SPD, davon gehörte er 19 Jahre dem Bundestag an. Von 2002 bis 2017 war er verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

„Um es klar zu sagen, die Mitglieder in meinem Ortsverein und auch ich wollen nicht länger in einer Gemeinschaft mit Dir für unsere durchaus auch immer wieder gefährdete Demokratie viele Stunden im Ehrenamt arbeiten“, schreibt Arnold an die Adresse Schröders. „Also leiste uns bitte den letzten Dienst und erspare der SPD und auch Dir persönlich weitere anhaltende peinliche und unerträgliche Debatten über Dein nur noch als egoistisch zu bewertendes Engagement für Putins ebenso egoistische wie menschenverachtende Interessen.“

Auf einen Bruch mit Schröder drängt auch die SPD im baden-württembergischen Heidelberg. Der dortige Kreisvorstand verabschiedete am Donnerstag einstimmig einen Antrag mit einem unmissverständlichen Appell, auch an die Bundespartei. Schröder solle „unverzüglich“ von seinen Ämtern bei Rosneft und Nord Stream zurücktreten, die Nominierung für den Aufsichtsrat bei Gazprom ablehnen und sich von Putin distanzieren, heißt es in dem Beschluss.

„Man muss Gerhard Schröder in der Partei jetzt zu einer persona non grata machen“

Die SPD solle überdies, sofern diese Abgrenzung nicht geschehe, „ein Ausschlussverfahren ihres Mitgliedes Gerhard Schröder prüfen“. Anlass hierfür sei die Haltung des Altkanzlers zu Putin. „In den Augen des Kreisvorstands der SPD Heidelberg ist die Verteidigung sowie die Unterstützung eines Kriegsverbrechers mit der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands unvereinbar.“

Martin Günthner, langjähriger Bremer Senator und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bremischen Bürgerschaft, hält zwar nichts von einem Parteiausschlussverfahren – wegen rechtlicher Unwägbarkeiten und der Dauer eines solchen Prozesses. Stattdessen forderte der SPD-Politiker aber: „Man muss Gerhard Schröder in der Partei jetzt zu einer persona non grata machen.“

Die SPD-Politikerin Gesine Schwan sieht die Parteiführung am Zug. Schwan sagte dem „Spiegel“, Schröder sei ein „freiwilliger Lobbyist für einen kriegsführenden Aggressor“ und forderte von der Parteispitze einen „klaren Schnitt zu Schröder“.

Schröder meldet sich bei LinkedIn zu Wort

Am Donnerstag äußerte sich Schröder im Online-Netzwerk LinkedIn zum russischen Angriff auf die Ukraine. Er forderte die Regierung in Moskau auf, den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Auch Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigten nicht den Einsatz militärischer Mittel, schrieb er. Schröder betonte zugleich, bei notwendigen Sanktionen dürften die politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen zwischen Europa und Russland nicht ganz gekappt werden.

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Wörter wie „Angriff“ oder „Invasion“ vermied Schröder in seiner Stellungnahme. Auch Putin selbst erwähnt er nicht. Der SPD-Politiker Arnold nennt den russischen Präsidenten in seinem Brief an Schröder einen „notorischen Lügner, Kriegsverbbrecher, Mörder und übelsten Feind der Demokratie und der Freiheit“. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fand kürzlich deutliche Worte, sprach von einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und bezeichnete Putin als einen Kriegsverbrecher. Schröders Engagement für Russland wertete Mützenich aber als „eine private Entscheidung“.

Das sieht Arnold anders. An Schröder gerichtet erklärt er: „Du bist heute leider ein ehemaliger Bundeskanzler, der seine eigene Würde komplett verloren hat.“ Wenn er an die Menschen in der Ukraine denke, die um ihre Freiheit und um ihr Leben kämpften, mache ihn das auch auch wütend. „Zumal ich feststelle, dass Du nicht einmal angesichts der nun absolut offenkundigen Verbrechen der russischen Führung die Reißleine ziehst und Dir dadurch wenigstens ein Minimum an Respekt bewahrst.“

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