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12.08.2022

14:23

Serie: „Die neue Weltwirtschafts(un)ordnung“

„Der Klimaclub liegt im Koma“: Wie China und die USA die Zukunft der Erde aufs Spiel setzen

Von: Klaus Stratmann

Die Chinesen machen das Vorhaben eines Klimaclubs erst einmal zunichte. Auch die USA bremsen. Globale Fortschritte beim Klimaschutz rücken damit in weite Ferne.

Ein Klimaclub ohne den weltweit größten Emittenten ist nicht vorstellbar.

Emissionen China

Ein Klimaclub ohne den weltweit größten Emittenten ist nicht vorstellbar.

Berlin Die Idee ist bestechend einfach und Olaf Scholz bekam viel Lob dafür, als er sie vor ziemlich genau einem Jahr propagierte: Möglichst viele Länder bilden gemeinsam einen „Klimaclub“ und verständigen sich auf gemeinsame Wege, um bis 2050 klimaneutral zu werden.

Statt darauf zu warten, dass die Klimaschutzverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) zu belastbaren Ergebnissen führen, die alle Staaten als verbindliche Vorgaben anerkennen, nehmen einige große Industriestaaten die Sache im Klimaclub selbst in die Hand.

Noch im Abschlusskommuniqué des G7-Gipfels auf Schloss Elmau Ende Juni spielte die Idee eine wichtige Rolle: Man stehe „fest hinter den Zielen eines offenen und kooperativen Klimaclubs“ und werde „gemeinsam mit Partnern“ auf dessen Gründung bis Ende 2022 hinwirken, hieß es dort.

Doch der wichtigste Partner fällt aus: China, deutlich vor den USA der weltgrößte Verursacher von Treibhausgasen, kündigte im Zuge der Taiwan-Krise an, den Dialog mit den USA im Klimaschutz auszusetzen. Die USA aber sind als wichtigster G7-Staat geborenes Mitglied eines Klimaclubs. Das wiederum hält die Chinesen nun von einer Clubmitgliedschaft ab. Ein Klimaclub ohne den größten Emittenten ist aber nicht vorstellbar.

Hinzu kommt: Im jüngst beschlossenen US-Klimapaket ist kein CO2-Preis vorgesehen. Auch das ist ein Rückschlag für die Idee. Denn die weitreichendsten Vorstellungen für einen Klimaclub gehen so weit, dass sich die Mitglieder auf einen gemeinsamen CO2-Preis einigen. Das scheint aber mit den USA nicht zu machen zu sein.

Aus Sicht der Wirtschaft ein Desaster

Aus Sicht der Wirtschaft ist das ein Desaster: „Der Klimaclub liegt nach den Entscheidungen in den USA und in China im Koma. Ob er wieder zum Leben erweckt werden kann, ist völlig offen“, sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), dem Handelsblatt

Mit Milliardensubventionen soll die US-Wirtschaft klimafreundlich werden. REUTERS

Gasförderung in den USA

Mit Milliardensubventionen soll die US-Wirtschaft klimafreundlich werden.

Auch Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), ist enttäuscht: „Für den Klimaschutz sind das natürlich schlechte Nachrichten, wenn multilaterale Verhandlungen unter die Räder kommen“, sagte er dem Handelsblatt.

„Der Taiwan-Konflikt steht in keinem Sachzusammenhang zur Klimapolitik. Wenn es hier mit voller Absicht keine Gespräche und keinen Fortschritt gibt, ist das ein langfristiger Schaden für viele Länder, die mit dem diplomatischen Konflikt nichts zu tun haben“, ergänzte er. Die Chancen für einen umfassenden Klimaclub seien „nicht gestiegen“.

Sollte China sich dauerhaft klimapolitisch isolieren, erwachse daraus ein eigenes Konfliktpotenzial. „Wichtig wäre es, wenn zumindest die westlichen Industrieländer in ihrem klimapolitischen Anspruch geeint vorgehen.

Nur so kann der Druck aufgebaut werden, der die Kooperationsbereitschaft Chinas erhöhen könnte“, sagte Bardt. Eine „große Lösung“ werde es aber kaum geben, das zeigten auch die rund 30 Jahre andauernden Klimaverhandlungen.

Ähnlich argumentiert Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch: Klimasicherheit lasse sich nur kooperativ – auch mit geopolitischen Gegnern – erreichen, sagte Bals dem Handelsblatt.

Es stelle sich die Frage, ob China die Klimagespräche mit den USA nur kurzfristig aussetze. Falls dahinter eine grundlegende Änderung der chinesischen Klimapolitik stehe, wäre dies wegen der starken Betroffenheit Chinas selbstzerstörerisch, sagte Bals.

Lösung für ein europäisches Problem

Allerdings hat Bals die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben: „Wenn der Klimaclub dynamisch Fahrt aufnimmt, kann er ein wirkungsvoller Hebel sein, um auch China zu bewegen. Aber dafür ist in den nächsten Monaten noch viel diplomatische Arbeit mit G7- und G20-Partnern notwendig.“

Scholz hat das Klima-Thema in der vergangenen Legislaturperiode vorangetrieben, auf nationaler Ebene, aber auch Ebene der G20 und der G7. IMAGO/photothek

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Scholz hat das Klima-Thema in der vergangenen Legislaturperiode vorangetrieben, auf nationaler Ebene, aber auch Ebene der G20 und der G7.

Der Klimaclub gilt als effizienter Weg, um die schwierigen UN-Klimaverhandlungen zu ergänzen. Ein „Club der Willigen“ könnte letztlich auch mehr Dynamik in die Weltklimakonferenz bringen.

Olaf Scholz hat das Thema in der vergangenen Legislaturperiode vorangetrieben, auf nationaler Ebene, aber auch auf Ebene der G20 und der G7. Bereits im August vergangenen Jahres hatten sich die zuständigen Ministerien der alten Bundesregierung auf ein Papier verständigt, das im Wesentlichen die Handschrift des damaligen Finanzministers Scholz trägt und heute als Richtschnur gilt.

Das Papier umfasst sechs Seiten, im Untertitel ist von Eckpunkten „eines kooperativen und offenen Klimaclubs“ die Rede. Es sind exakt die Worte, die sich auch im Abschlusskommuniqué des G7-Gipfels von Ende Juni finden.

Wichtige „Zielländer“ der Club-Idee seien große Emittenten von Treibhausgasen wie China und die USA, andere wichtige Handelspartner der EU, außerdem Länder mit großem Industriesektor und solche Länder, die bereits einen CO2-Preis eingeführt haben, heißt es in dem Konzept für den Klimaclub aus dem vergangenen Jahr.

China ist deutlich vor den USA der größte Treibhausgasemittent der Welt. dpa

Verkehr in China

China ist deutlich vor den USA der größte Treibhausgasemittent der Welt.

Die Mitglieder des Clubs sollen eine „Auswahl an klimapolitischen Instrumenten abstimmen“. Dazu gehöre vor allem, Märkte für CO2-freie Produkte zu schaffen, CO2 nach Möglichkeit zu bepreisen und die Abwanderung von Industrie aufgrund von CO2-Kosten, im Fachjargon „Carbon Leakage“ genannt, zu vermeiden. Insbesondere gehe es darum, gleiche Wettbewerbsbedingungen bei besonders energieintensiven Industrien zu gewährleisten.

Der „Klimaclub“ soll damit eines der Grundprobleme der europäischen Klimaschutzpolitik lösen helfen: Weil Branchen wie etwa Chemie oder Stahl innerhalb der EU höhere CO2-Kosten haben als ihre Wettbewerber aus anderen Weltregionen, sind ihre Produkte ohne zusätzliche Maßnahmen nicht wettbewerbsfähig. Um auf den Weltmärkten eine Chance zu haben, genießen die energieintensiven Branchen Ausnahmen im europäischen Emissionshandel: Sie bekommen einen Teil der Emissionszertifikate, die sie für die Herstellung ihrer Produkte nachweisen müssen, kostenlos zugeteilt.

Dieser Ausgleich funktioniert seit der Einführung des Emissionshandels mehr schlecht als recht. Unter dem Strich bleiben die Unternehmen auf einem Teil der CO2-Kosten, die in anderen Weltregionen nicht entstehen, sitzen. Außerdem stößt die Zuteilung kostenloser Zertifikate an Grenzen, weil die Zertifikatemenge in den kommenden Jahren jährlich drastisch reduziert wird und kaum mehr Zertifikate für die kostenlose Zuteilung übrig bleiben.

Die betroffenen Industrien zwingt das dazu, klimaneutral zu werden. Sie müssen auf Verfahren umstellen, die im Wesentlichen auf dem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen und von klimaneutralem Wasserstoff basieren. Das erfordert hohe Investitionen und treibt außerdem die Kosten für den laufenden Betrieb in die Höhe. Im ungünstigsten Fall stehen am Ende klimaneutrale Produkte, die aber auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig sind.

China kündigte im Zuge der Taiwan-Krise an, den Dialog mit den USA im Klimaschutz auszusetzen. AP

Taiwan-Krise

China kündigte im Zuge der Taiwan-Krise an, den Dialog mit den USA im Klimaschutz auszusetzen.

Die EU-Kommission plant deshalb, einen CO2-Grenzausgleich einzuführen: Produkte, die in die EU importiert werden, werden mit einem Aufschlag belegt, dessen Höhe den europäischen CO2-Kosten entspricht. Länder wie die USA und China sehen das kritisch. Sie argumentieren, ein CO2-Grenzausgleich sei nichts weiter als Protektionismus und widerspreche den Regeln der WTO.

Deutschland gehört zu den Leidtragenden

Der Klimaclub soll diese Gegensätze auflösen. Unternehmen die Mitglieder vergleichbare Klimaschutzanstrengungen, könnten zwischen ihnen im Energie- und Industriesektor Maßnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage überflüssig werden. „Gleichzeitig könnten die Mitglieder einen gemeinsamen Schutz vor Carbon Leakage gegenüber Drittstaaten einführen“, heißt es im Scholz-Papier aus dem vergangenen Jahr.

Indem China den Klimaschutz-Dialog mit den USA aufkündigt, rückt das alles in weite Ferne. Deutschland gehört zu den Leidtragenden. Denn gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist auf faire Wettbewerbsbedingungen angewiesen. Insbesondere die deutsche Industrie mit ihren im internationalen Vergleich hohen CO2-Kosten hatte auf die Klimaclub-Idee gesetzt, die nun in weite Ferne gerückt ist.

„Durch die Aussetzung der Zusammenarbeit werden nicht die USA bestraft, sondern die Welt.“ John Kerry, Sondergesandter von US-Präsident Joe Biden für Klimaschutz

Auch in den USA hat die Nachricht aus China für Wirbel gesorgt. Man habe von Anfang an klargemacht, dass der Klimaschutzdialog mit China von anderen strittigen Themen, die man mit den Chinesen zu verhandeln habe, zu trennen sei, schrieb John Kerry, Sondergesandter von US-Präsident Joe Biden für Klimaschutz, auf Twitter.

„Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wir sind die beiden größten Volkswirtschaften und die größten Emittenten, und die ganze Welt wird die Folgen zu spüren bekommen, wenn wir nicht gemeinsam eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz übernehmen“, schrieb Kerry.

Und weiter: „Durch die Aussetzung der Zusammenarbeit werden nicht die USA bestraft, sondern die Welt.“ In Deutschland dürften viele diese Einschätzung teilen.

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