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12.09.2022

16:30

Sicherheit

Lambrecht betont Deutschlands Rolle als Führungsmacht: „Werden mehr Geld ausgeben müssen“

Von: Frank Specht

PremiumVerteidigungsministerin Lambrecht will die „Zeitenwende“ in den Köpfen der Bürger und mehr noch ihrer Parteifreunde verankern. Sie mahnt, sich von alten Selbstbildern zu verabschieden.

Christine Lambrecht dpa

Christine Lambrecht

Verteidigungsministerin Lambrecht will mehr Geld für Verteidigung ausgeben, denn Deutschland sei eine militärische Führungsmacht in Europa und weltweit.

Berlin Der Bundeskanzler hat die Zeitenwende ausgerufen, doch Christine Lambrecht muss ausbuchstabieren, was das für Deutschland militärisch bedeuten soll. Und so hält die Bundesverteidigungsministerin am Montag bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) einen Vortrag, den die Veranstalter vorher als Grundsatzrede angekündigt haben.

Es geht um die Nationale Sicherheitsstrategie, die gerade ressortübergreifend erarbeitet wird, um Deutschlands Rolle in der Welt, um die Unterstützung der Ukraine und der Nato-Verbündeten, um Sicherheit auch für künftige Generationen. „Mit unseren alten Selbstbildern ist die Zukunft in Frieden und Freiheit für Kinder und Enkel nicht mehr zu sichern“, sagt Lambrecht. Sicherheit müsse wieder zur „zentralen Staatsaufgabe“ werden.

Lange war die Verteidigungsministerin vor allem eine Selbstverteidigungsministerin. Der Mitflug ihres Sohnes im Bundeswehrhubschrauber, der Stöckelschuh-Auftritt in Mali, der Versuch, Innenministerin Nancy Faeser nach Hessen wegzuloben – Lambrecht machte nicht unbedingt den Eindruck einer Idealbesetzung im Amt.

Und sie steht im Schatten von Kanzler Olaf Scholz, der die Sicherheitspolitik als Chefsache betrachtet. Auch bei der DGAP muss die Ministerin wieder wortreich den Kanzlerkurs erklären, warum Deutschland nicht im Alleingang Kampfpanzer an die Ukraine liefern wird.

In ihrer Rede spricht die SPD-Politikerin unangenehme Wahrheiten aus, die viele Bürger, aber auch viele ihrer Parteifreunde lange nicht hören wollten. Amerikas Schutz habe Deutschland lange von Kosten entlastet, aber die USA richteten ihr Augenmerk jetzt stärker auf die Pazifikregion. „Wir werden wieder mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen.“

Lambrecht betont Deutschlands Rolle als Führungsmacht

Seine Größe und wirtschaftliche Kraft mache Deutschland „zur Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht – auch im Militärischen“, sagt Lambrecht. Weil die Demokratie gefestigt sei, könne man diese Rolle auch annehmen und einen großzügigen Beitrag zur Sicherheit des westlichen Bündnisses leisten: „Lassen Sie uns als Deutsche ehrgeizig sein.“

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Auch wenn die Koalition gerade an strengeren Rüstungsexportvorschriften arbeitet, scheut Lambrecht sich auch nicht, an diesem Tabu zu rühren. Keine Partnernation werde sich auf gemeinsame Rüstungsprojekte mit Deutschland einlassen, wenn sich die Kosten nicht auch durch Exporte refinanzieren ließen, warnt die Ministerin vor einem zu strengen Kurs in dieser Frage: „Mit unserem Wertevorbehalt stellen wir uns über unsere europäischen Partner.“

Lambrecht muss Überzeugungsarbeit leisten – nicht so sehr in der Bevölkerung, die ein „gutes Gespür“ für die sicherheitspolitischen Notwendigkeiten habe, sondern eher in der SPD und in der Koalition.

Mehr Geld für die Verteidigung, die Bundeswehr wieder mehr in den Fokus rücken, eine Führungsrolle in Europa spielen – all das waren bisher rote Tücher für die selbst ernannte Friedenspartei SPD. Und je erfolgreicher die ukrainische Armee dem russischen Aggressor Widerstand leistet, desto schneller könnte der Rückhalt für die Zeitenwende bröckeln.

Schützenpanzer Marder imago images/Sven Eckelkamp

Schützenpanzer Marder

Auch bei der DGAP muss die Ministerin wieder wortreich den Kanzler-Kurs erklären, warum Deutschland nicht im Alleingang Kampfpanzer an die Ukraine liefern wird.

Lambrecht weiß das und mahnt, nicht in die alten Selbstbilder zurückzufallen. Die eigentliche Zeitenwende müsse in den Köpfen stattfinden, und das sei oft das Schwerste: „Umdenken tut weh.“ Um das Bewusstsein für das Notwendige zu schärfen, schlägt die Verteidigungsministerin einen „Tag der nationalen Sicherheit“ vor.

Geld klug investieren

Auf diese Idee ist noch niemand ihrer sechs Vorgängerinnen und Vorgänger gekommen, die das Verteidigungsministerium in den zurückliegenden 20 Jahren geführt haben. Lambrecht hat eine auf Auslandseinsätze getrimmte Armee übernommen und muss sie nun in Rekordzeit und unter dem Druck einer äußeren Bedrohung wieder für ihre Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung rüsten.

Bis 2032 drei kampfbereite Heeresdivisionen aufzustellen, sei „eine haushalterische und militärische Kraftanstrengung“. Aber wenn Deutschland das schaffe, sei das auch ein „unüberhörbares Signal“ an die Verbündeten, dass Deutschland seinen Beitrag zu einer fairen Lastenverteilung in der Nato leiste.

Woran sie denn am Ende ihrer Amtszeit gemessen werden möchte, fragt die Moderatorin der Podiumsdiskussion, die sich an die Grundsatzrede anschließt. Ganz kurz scheint da wieder die Selbstverteidigungsministerin durch. Jedenfalls nicht an den Schuhen, die sie trage, sagt die Ministerin.

Sie wolle, dass das viele Geld, dass nun bereitgestellt werde, nicht einfach nur ausgegeben, sondern klug in die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten investiert werde. Das werde ihre Aufgabe in den kommenden drei Jahren sein, sagt Lambrecht der Moderatorin: „Ich bin gespannt auf ihr Urteil am Ende dieser Legislaturperiode.“

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