Die Kindergrundsicherung gilt als Prestigeprojekt der Grünen. Doch die Jobcenter halten die Pläne für wenig praktikabel, unzureichend durchdacht und teuer.
Berlin Sie ist eines der Vorzeigeprojekte von SPD und Grünen für die laufende Wahlperiode: die Kindergrundsicherung. Die bisherigen finanziellen Unterstützungsleistungen des Staates für Kinder sollen gebündelt und ab Geburt möglichst unbürokratisch und automatisch ausgezahlt werden.
Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist von einem „unfassbaren Umbau“ die Rede, weil Leistungen des Bundes, der Länder und der Kommunen zusammengeführt werden müssen. Von den Schwierigkeiten weiß auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus: Es sei „kein einfaches Brett, was wir da zu bohren haben“, sagte die Grünen-Politikerin.
Auf mögliche Probleme weisen jetzt die Jobcenter hin, die derzeit einen großen Teil der Familienleistungen abwickeln. Zwar unterstütze man das Ziel der Bundesregierung, „mehr Kinder aus der Armut“ zu holen, heißt es in einem Schreiben des Bundesvorstands der Jobcenter-Personalräte an beteiligte Bundesministerien, im Bundestag vertretene Fraktionen und Kommunalvertreter. „Wir befürchten angesichts der im Koalitionsvertrag beschriebenen Umsetzungsabsichten und der bisher bekannt gewordenen Vorhaben allerdings, dass dabei einige entscheidende Gesichtspunkte übersehen wurden.“
So werde der anvisierte Kindergrundsicherungsbetrag in vielen Fällen den nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) ermittelten tatsächlichen Bedarf nicht decken. Die Kinder und Jugendlichen wären also trotz des Anspruchs der Ampel, die Leistung unbürokratisch und möglichst automatisiert auszuzahlen, weiter von den Leistungen der Jobcenter abhängig.
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Die Personalräte machen das an zwei Beispielrechnungen deutlich und berücksichtigen dabei den Garantiebetrag, den künftig alle Kinder und Jugendlichen erhalten sollen, und einen vom Elterneinkommen abhängigen gestaffelten Zusatzbetrag. Dabei legen sie die von SPD und Grünen in der Vergangenheit genannten Beträge zugrunde.
Es sei eine Illusion, die Leistungen künftig weitgehend automatisiert auszahlen zu können, da sowohl das sozioökonomische Existenzminimum der Kinder als auch die vom Einkommen der Eltern abhängigen Garantiebeträge individuell zugeschnitten werden müssten.
Jobcenter in Berlin
Die Jobcenter wickeln derzeit einen großen Teil der Familienleistungen ab.
Bild: imago images / Schöning
Bei Familien, die Hartz-IV-Leistungen erhalten, müsste selbst dann eine Gegenrechnung erfolgen, wenn die Kindergrundsicherung für den Nachwuchs auskömmlich sein sollte. Denn die anteiligen Kosten der Unterkunft, die für die Kinder mit der Kindergrundsicherung abgedeckt sind, müssten aus dem Bedarf der Eltern herausgerechnet werden.
>> Lesen Sie hier: Kernstück der Sozialpolitik: Was die Kindergrundsicherung kosten könnte
Mit ihrem Papier wollen sich die Personalräte in die laufende Diskussion über die Kindergrundsicherung einbringen. Derzeit erarbeitet eine interministerielle Arbeitsgruppe mit Fachleuchten aus den Ministerien für Familie, Finanzen, Justiz, Arbeit, Bildung und Wohnen ein Konzept.
Familienministerin Paus nannte als Ziel, „dass wir im nächsten Jahr einen Gesetzentwurf dazu haben und dass wir eben auch bis zum Ende dieser Legislaturperiode ein Gesetz beschließen und auch in die Auszahlung kommen“. Die Kindergrundsicherung würde damit spätestens 2025 starten.
Lisa Paus
Von den Schwierigkeiten bei der Kindergrundsicherung weiß auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus: Es sei „kein einfaches Brett, was wir da zu bohren haben“.
Bild: IMAGO/Future Image
Die Jobcenter, die auf ihre langjährige Erfahrung in der Beratung und wirtschaftlichen Existenzsicherung von Familien verweisen, warnen vor dem Aufbau neuer Doppelstrukturen und komplexer Schnittstellen. Man hole Kinder nicht dadurch aus der Armut und verbessere ihre Bildungs- und Teilhabechancen, indem man eine neue vorrangige Leistung entwickele und eine zusätzliche Verwaltung mit der Abwicklung beauftrage, schreiben die Personalräte.
Zielführender wären aus ihrer Sicht gesetzliche Änderungen an den bisherigen Leistungsgesetzen, um beispielsweise bürokratische Hürden abzubauen, eine Erhöhung der Regelsätze und des steuerlich freigestellten Betrags beim Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen beim Elterneinkommen sowie eine Intensivierung der Kooperation aller beteiligten Stellen in den Jugendberufsagenturen.
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