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14.07.2022

06:51

SPD

Der Fall Gerhard Schröder: Warum das Ausschlussverfahren wenig Chancen auf Erfolg hat

Von: Dietmar Neuerer

Am heutigen Donnerstag wird erstmals über das SPD-interne Parteiausschlussverfahren gegen den Altkanzler verhandelt. Um seine Mitgliedschaft muss er aber wohl nicht bangen, sagt eine Juristin.

Gerhard Schröder steht seit Jahren wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik. dpa

Ex-Bundeskanzler Schröder

Gerhard Schröder steht seit Jahren wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik.

Berlin Die Parteienrechtsexpertin Sophie Schönberger sieht die SPD im Parteiausschlussverfahren gegen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf verlorenem Posten. „Angesichts der hohen Hürden, die die SPD-Schiedsgerichte für einen Parteiausschluss aufstellen, halte ich die Erfolgsaussichten für nicht allzu hoch“, sagte die Co-Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf dem Handelsblatt.

Für diesen Donnerstag ist im Kurt-Schumacher-Haus des SPD-Unterbezirks Region Hannover die mündliche Verhandlung zum SPD-internen Parteiausschlussverfahren gegen Gerhard Schröder angesetzt. Zu der Sitzung der Schiedskommission werden bis zu 51 Vertreter jener 17 SPD-Gliederungen erwartet, die den Parteiausschluss des Ex-Kanzlers wegen dessen Russland-Engagement beantragt haben.

Anträge auf den Parteiausschluss Schröders liegen unter anderem aus dem SPD-Kreisverband Heidelberg, dem Unterbezirk Würzburg sowie verschiedenen SPD-Ortsvereinen aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen und Sachsen vor.

Die Parteigliederungen werfen dem früheren Bundeskanzler vor, der SPD durch sein Engagement für russische Staatskonzerne und seine fehlende Distanzierung vom russischen Präsidenten Wladimir Putin schweren Schaden zugefügt zu haben.

Schröder hatte allerdings im Mai angekündigt, den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft zu verlassen, und er hat eine Nominierung für einen Aufsichtsratsposten bei Gazprom ausgeschlagen. Weiter tätig ist Schröder indes für die Gazprom-Tochtergesellschaften Nord Stream 1 und 2.

Schröder will Kontakt zu Putin nicht abbrechen

Die Parteienrechtlerin Schönberger gab zu bedenken, dass die offizielle Linie der SPD zu Russland in der Vergangenheit keineswegs so klar gewesen sei, „dass leicht zu bestimmen wäre, ab welchem Punkt überhaupt gegen die Parteigrundsätze verstoßen wurde“. „Zum anderen spielt eine Rolle, dass Schröder ja mittlerweile selbst zumindest teilweise seine Aktivitäten deutlich zurückgefahren hat, sodass fraglich ist, wo noch ein schwerer Schaden ausgemacht werden kann.“

Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang zudem, dass dem Altkanzler vor allen Dingen „ein Nichtstun vorgeworfen“ werde, also die fehlende Distanzierung zu Putin. „Hier dürften deutlich höhere Maßstäbe anzulegen sein, um ein solches Nichtstun als parteischädigendes Verhalten auszulegen, als wenn jemand selbst aktiv in die Öffentlichkeit geht“, sagte Schönberger. Das gelte insbesondere dann, wenn jemand nicht mehr aktiver Politiker sei wie Schröder.

Gerhard Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng mit Wladimir Putin befreundet. AP

Putin und Schröder

Gerhard Schröder ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng mit Wladimir Putin befreundet.

Schröder, der seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng mit Putin befreundet ist, steht seit Jahren wegen seines Engagements für russische Staatskonzerne in der Kritik. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der Druck auf ihn immer weiter zugenommen, die SPD-Spitze ging auf Distanz.

Schröder scheint das wenig zu stören. Diese Woche ließ er wissen, dass er seinen Draht zum Kremlchef weiter aufrechterhalten will. „Ich werde meine Gesprächsmöglichkeiten mit Präsident Putin nicht aufgeben“, sagte Schröder am Montag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Selbst SPD-Generalsekretär Kühnert sieht einen Parteiausschluss kritisch

Der Altkanzler machte zugleich deutlich, dass er Waffenlieferungen an die Ukraine für nicht zielführend hält: „Warum konzentriert man sich auf die Lieferung von Waffen?“ Der Krieg sei nur durch diplomatische Verhandlungen zu beenden. „Das Schicksal der Soldaten und der ukrainischen Zivilbevölkerung ist nur über eine diplomatische Lösung zu erleichtern“, so Schröder.

Unklar ist, ob sich Schröder damit womöglich selbst als Unterhändler ins Spiel bringen will. Im Gespräch mit der „FAZ“ sagte er dazu nichts. Allerdings war Schröder im März auf eigene Faust nach Moskau gereist, um mit Putin zu reden – jedoch ohne sichtbaren Erfolg.

In der SPD wird die Rolle Schröders nach wie vor kritisch gesehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stößt sich insbesondere daran, dass Schröder „sich leider bis heute nicht mit der notwendigen Klarheit gegen den brutalen, durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgesprochen“ habe.

Deutlicher wird der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff. „Schröders Äußerungen haben aus meiner Sicht keinen Kommentar mehr verdient, hierzu ist alles gesagt“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. „Seine fehlende Distanz zu Putin diskreditiert jede seiner Einschätzungen.“

Mit Blick auf einen möglichen Parteiausschluss Schröders sagte Roloff, es sei gut, dass mit der Sitzung der Schiedskommission das Verfahren voranschreite. „Wir haben in der Vergangenheit gelernt, dass das ein kompliziertes Verfahren ist, und ich vertraue hier auf die örtliche Schiedskommission.“

Glaubt man indes dem Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, kommt es ohnehin nicht zum Parteiausschluss. „Das deutsche Parteienrecht und übrigens auch das Statut der SPD sehen keine Parteiausschlüsse für heftige Meinungsverschiedenheiten, Provokationen oder geschäftliche Interessen vor“, hatte Kühnert im Februar der „Rheinischen Post“ gesagt.

Entsprechend gelassen sieht denn auch Schröders Anwalt Michael Nagel dem Parteiausschlussverfahren entgegen. Für einen Rauswurf gebe es „keine tatsächliche und rechtliche Grundlage“, sagte der Jurist kürzlich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Schröder selbst lässt das Parteiordnungsverfahren ohnehin kalt. „Ich bin und bleibe Sozialdemokrat“, sagte er dem „Spiegel“.

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