Der deutsche Inlandsgeheimdienst fürchtet Spitzelattacken auf deutsche Unternehmen. Bundesinnenministerin Faeser zeigt sich alarmiert.
Nancy Faeser
„Als Technologieführer ist Deutschland auch im Visier der russischen Nachrichtendienste“, sagt die Innenministerin.
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Berlin Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Russland mit Blick auf mögliche Spionageangriffe auf deutsche Unternehmen mit Konsequenzen gedroht. „Wir werden weiterhin sehr konsequent gegen russische Spionage und gegen Versuche der Einflussnahme vorgehen“, sagte Faeser dem Handelsblatt. „Das haben wir erst jüngst mit der Ausweisung von 40 angeblichen russischen Diplomaten gezeigt, die den russischen Nachrichtendiensten zuzurechnen waren.“
Der Verfassungsschutz hatte zuvor wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen von einem erhöhten Risiko für Wirtschaftsspionage gewarnt. „Als Technologieführer ist Deutschland auch im Visier der russischen Nachrichtendienste“, sagte Faeser. „Wir nehmen die Hinweise des Bundesamts für Verfassungsschutz sehr ernst, dass es vermehrt zu Versuchen von russischen Nachrichtendiensten kommen kann, Kontakte vor allem zu russischen Beschäftigten in relevanten Wirtschafts- und Forschungszweigen in Deutschland anzubahnen.“ Genauso bestehe die „Gefahr, dass Repressalien gegenüber Verwandten in Russland verstärkt werden“.
Die Ministerin sprach von einer „realen Gefahr, die wir sehr genau im Blick haben“. Deshalb habe der Verfassungsschutz aktuelle Sicherheitshinweise mit Handlungsempfehlungen für die Wirtschaft herausgegeben. „Wichtig sind vor allem Sensibilisierungsmaßnahmen für Personalverantwortliche und Beschäftigte, um Ausforschungs- und Anbahnungsversuche sofort zu erkennen und zu verhindern“, betonte Faeser.
Neben Angriffen auf die IT-Infrastruktur hatte der Verfassungsschutz auf mögliche Anwerbeversuche russischer Staatsbürger verwiesen, die für deutsche Unternehmen arbeiten.
Infolge der Sanktionen sei Russlands Wirtschaft von Know-how und Technologien aus dem westlichen Ausland abgeschnitten, erklärte die Kölner Behörde in einer am Dienstag veröffentlichen Mitteilung. „Entsprechend dürfte der Druck auf die Nachrichtendienste zunehmen, Zugang zu Menschen mit einschlägigen Kenntnissen und zu Technologien (…) zu gewinnen.“
Nach dem Angriff Moskaus auf die Ukraine am 24. Februar haben Europa, die USA und andere westliche Staaten harte Sanktionen gegen Russland verhängt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen leidet inzwischen selbst die Rüstungsindustrie unter dem Embargo, da Halbleiter und andere Hightech-Komponenten fehlen. Russland ist selbst nicht in der Lage, diese zu produzieren.
Cybersicherheit
Die Verfassungsschützer warnen vor einer Zunahme von Cyberattacken auf deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Bild: dpa
Einen Teil seines Bedarf könnte das Land über Einkäufe auf dem Schwarzmarkt decken, wie Industrievertreter mit entsprechenden Branchenwissen berichten. Um selbst aber die nötige Fertigkeit aufzubauen, ist ein Wissenstransfer aus dem Ausland nötig.
Aus Sicht des Verfassungsschutzes könnten die Geheimdienste daher versuchen, russische Staatsbürger anzuwerben, die für deutsche Unternehmen arbeiten. Die Behörde rief die Firmen daher auf, Mitarbeiter mit einem russischen Pass für die Gefahr zu sensibilisieren und mögliche Verdachtsfälle zu melden.
Die Verfassungsschützer warnte zugleich vor einer Zunahme von Cyberattacken auf deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die pro-russische Gruppe Killnet führe derzeit sogenannte DDoS-Attacken auf deren Webseiten durch, erklärte die Behörde. Dabei werden massenhaft Anfragen an die Webseiten gestellt, bis diese zusammenbrechen.
Neben Killnet ist auch die Cyberkriminellen-Gruppe Revil wieder aktiv geworden, wie es hieß. Vertreter dieses Verbunds waren im Herbst vergangenen Jahres von den russischen Behörden festgenommen worden. Nun sei neue Schadsoftware aufgetaucht, die mutmaßlich Revil zugeordnet werden könne.
Erst kürzlich gab es von der Hackergruppe Killnet durchgeführte Cyberangriffe auf deutsche Behörden und Ministerien. Betroffen war auch das Bundeskriminalamt (BKA), wie BKA-Vizepräsidentin Martina Link vergangene Woche bei der Vorstellung des Bundeslagebilds Cybercrime 2021 in Berlin berichtete.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, sagte, die relativ simpel aufgesetzten Überlastungsattacken seien erfolgreich abgewehrt worden und hätten nach bisherigem Kenntnisstand keinen bleibenden Schaden verursacht. Es seien auch keine Daten abgeflossen.
Das BKA wies darauf hin, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine „zu einem nicht unerheblichen Teil“ auch im Cyberraum geführt werde. Dabei seien Hackergruppen, die sich mit der russischen Seite solidarisierten, ebenso zu beobachten wie solche, die die Ukraine unterstützen wollten, sagte Link. „Die Grenzen zwischen Kriminellen und möglicherweise staatlich gesteuerten Cybergruppierungen, die verschwimmen dabei.“
Laut dem aktuellen BKA-Bundeslagebild erreichte die Anzahl erfasster Cyber-Straftaten im vergangenen Jahr einen neuen Höchstwert. Registriert wurden demnach knapp 147.000 Delikte, was einem Anstieg um mehr als zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
„Neben den rein monetären Schäden beeinträchtigten Ransomware-Angriffe auf Unternehmen, kritische Infrastrukturen und die öffentliche Verwaltung oder ganze Lieferketten auch die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens im In- und Ausland“, sagte BKA-Vizepräsidentin Martina Link. Insbesondere im Bereich Ransomware sei damit das Bedrohungspotential im Jahr 2021 nochmals „deutlich“ gestiegen.
Bei Ransomware-Angriffen verschlüsseln Hacker Daten oder sperren Betriebssysteme, um im Anschluss für die Entschlüsselung Lösegeld zu verlangen. So hat der Schaden durch die Erpressung mit gestohlenen oder verschlüsselten Daten laut einer Studie des Digitalverbandes Bitkom binnen zweier Jahre um über 450 Prozent zugenommen.
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