PremiumDie Entlastung für die Autofahrer an den Zapfsäulen verpufft. Wirtschaftsminister Habeck will dem Kartellamt mehr Macht geben. Ökonomen fordern eine größere Transparenz.
Spritpreise an Tankstelle in Köln
Diesel kostet wieder so viel wie Ende März. Der am 1. Juni eingeführte Tankrabatt scheint zu verpuffen.
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Berlin, Düsseldorf In der Debatte um den Tankrabatt meldet sich angesichts immer weiter steigender Spritpreise Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einem neuen Vorschlag zu Wort. Er will laut einem „Spiegel“-Bericht das Kartellrecht verschärfen. Damit solle der Staat auch ohne einen Nachweis von Marktmissbrauch Gewinne abschöpfen und notfalls die Konzerne zerschlagen können.
Der Staatssekretär in Habecks Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Michael Kellner, schrieb auf Twitter: „Die Benzinpreisentwicklungen zeigen, es braucht eine Stärkung des Kartellrechts.“
Am Sonntag betrug der höchste Durchschnittspreis laut Internetportal Benzinpreis.de bei Diesel 2,103 Euro und bei E10 1,983 Euro. Für Super wurden 2,039 Euro an der Zapfsäule fällig. Damit kostet Diesel wieder so viel wie Ende März. Der am 1. Juni eingeführte Tankrabatt scheint zu verpuffen.
Eigentlich müssten Einsparungen von rund 35 Cent bei Super E10 und 17 Cent bei Diesel bei den Verbrauchern ankommen. So hoch sind die Steuern, die der Bund den Mineralölkonzernen pro verkauftem Liter Sprit von Juni bis August erlässt. Doch eine Pflicht für die Tankstellen und Mineralölkonzerne, die Steuersenkungen an die Kunden weiterzureichen, gibt es nicht. Die Gestaltung der Preise ist Sache des Marktes.
Nach Ansicht des Ministers haben die Mineralölkonzerne die Senkung der Energiesteuern nicht ausreichend an der Zapfsäule weitergegeben. Die ersten Datensätze des Bundeskartellamts zum Tankrabatt zeigten, dass die Abstände zwischen Rohöl- und Tankstellenpreisen seit Monatsbeginn stark angewachsen seien.
„Es ist offenkundig das eingetreten, wovor viele Experten gewarnt hatten: Die Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung“, sagte Habeck.
Rund zwei Drittel der Steuerentlastung versickern seit dem Stichtag 1. Juni als zusätzliche Einnahmen bei den Mineralölkonzernen. Das geht nach einem Bericht der „Welt“ aus Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Johannes Schwanitz hervor.
In den ersten zehn Tagen seit Inkrafttreten kamen von den 35,2 Cent Steuerersparnis pro Liter Superbenzin E5 lediglich zehn Cent den Verbrauchern zugute, 25 Cent verblieben als Mehrgewinn bei den Unternehmen.
Warum wurden die Raffinerien und ihre Preisbildung nicht schon früher untersucht, wie verteidigt sich die Öllobby? Und wie gerecht ist der Tankrabatt überhaupt? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Sprechen sich die Ölkonzerne bei den Preisen ab?
Das Bundeskartellamt, das dem Wirtschaftsministerium untersteht, hat ein auffälliges Auseinanderlaufen von Raffinerie- und Großhandels-, Tankstellen- und Rohölpreisen seit Beginn des Kriegs in der Ukraine festgestellt. Während der durchschnittliche Abstand zwischen den Tankstellenpreisen ohne Steuern von E5 zum Rohölpreis im Jahre 2021 und bis Februar 2022 die 40 Cent nie überschritt, lag dieser Abstand nach Kriegsbeginn auf deutlich höherem Niveau und pendelte seitdem zwischen 40 bis 50 Cent. Seit dem 27. Mai ist der Abstand noch einmal auf etwa 60 Cent angestiegen.
Ökonomen rätseln, ob der Abstand zwischen Mineralöl- und Spritpreisen auf fehlendem Wettbewerb beruhe. Dazu gebe es bisher kaum Erkenntnisse, weil die Prozesse, welche die Preise bei den Raffinerien beeinflussen, noch nicht analysiert seien, sagt der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Kühling. Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das die Bundesregierung auf den Gebieten der Wettbewerbspolitik berät.
Auffällig ist, dass mit Beginn des Tankrabatts der Raffinerieabgabepreis nach oben gesprungen ist. Das könnte auf eine Absprache innerhalb der Branche hindeuten. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands en2x, ist überzeugt, „dass es keine Preisabsprachen gibt“. Das Kartellamt hat eine Sektoruntersuchung eingeleitet.
Warum greift das Bundeskartellamt bisher nicht ein?
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes gibt zu bedenken: „Weder das Bundeskartellamt noch eine andere Behörde in Deutschland kann Preise auf Knopfdruck senken.“ Nur wenn die Behörde nachweisen kann, dass es direkte Absprachen zwischen den Ölkonzernen gab, kann sie einen Kartellrechtsverstoß feststellen und diesen sanktionieren. Bei stillschweigenden Absprachen in der Branche, sogenannter stillschweigender Kollusion, kann das Kartellamt dagegen weder einschreiten noch Verstöße ahnden. Doch gerade diese stillschweigenden Absprachen vermuten Ökonomen von der Monopolkommission und das Wirtschaftsministerium bei der Ölbranche. Es handele sich um einen Markt mit hoher Transparenz und Verquickung der Unternehmen untereinander. Sie würden sich quasi „blind“ verstehen.
Monopolexperte Kühling sagt: „Sofern das Kartellamt Hinweise auf eine stillschweigende Kollusion für gegeben hält, halte ich ein gezieltes politisches Eingreifen etwa in Form einer Übergewinnsteuer für überlegenswert.“
Hätte die jetzige Situation verhindert werden können?
Die Monopolkommission hatte schon 2012 eine Sektoruntersuchung im Raffinerie- und Großhandelsbereich angemahnt. Diese wurde zwar eingeleitet, aber nicht fortgeführt. Der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap, von 2006 bis 2014 Mitglied der Monopolkommission, sagt: „Man wäre heute besser vorbereitet gewesen, wenn die Untersuchung stattgefunden hätte. Es war ein Fehler des Bundeskartellamtes die Sektoruntersuchung nicht weiterzuverfolgen.“
Diese sei ohne Erklärung klammheimlich verschwunden. Sektoruntersuchungen dienten gerade dazu, sich Wissen über Bereiche anzueignen, die man für tendenziell problematisch ansieht, und auch besser vorbereitet zu sein, wenn etwas passiert.
Laut Kartellamt sei die Untersuchung infolge der Einrichtung der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe eingestellt worden. „Wir mussten auch im Energiebereich begrenzte Ressourcen auf dieses Projekt konzentrieren.“
Das Argument lässt Haucap, der Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie ist, nicht gelten: „Die Markttransparenzstelle bezieht sich auf die Tankstellen und deren Preise. Diese sagt uns über das Verhalten der Raffinerien und des Großhandels erst mal nichts und hilft auch nicht, dort die Probleme zu erkennen.“ Das Bundeskartellamt habe zudem damals zusätzliche Ressourcen auch in Form von Mitarbeitern für die Markttransparenzstelle bekommen und musste den Aufbau nicht allein aus den vorhandenen Ressourcen bewältigen.
Was sagt die Öllobby zur Kritik, die Ölkonzerne würden sich mit dem Tankrabatt bereichern?
Die Ölkonzerne weisen die Kritik zurück. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Verbands en2x, betont, „dass der Tankrabatt weitergegeben wird“. Entscheidend für die Preisbildung der Tankstellen seien die Weltmarktpreise für Benzin und Diesel. Die seien parallel zu den Preisen an den Zapfsäulen in Deutschland gestiegen. „Die Weltmarktpreise sind nicht abhängig von einem deutschen Tankrabatt“, so Küchen.
Im europäischen Vergleich sei das deutsche Preisniveau vor Steuern sogar „im unteren Mittelfeld“. Die Benzin- und Dieselpreise seien in anderen Ländern Europas in den vergangenen Wochen „teilweise noch deutlich höher“ gewesen. Zu der Frage, ob Ölkonzerne in Deutschland ihre Gewinnmargen erhöht hätten, lägen Küchens Verband keine Zahlen vor. Der Löwenanteil der Quartalsgewinne der internationalen Ölkonzerne sei aber bei der Rohölförderung erzielt worden.
Was sind laut Ölkonzernen die Gründe für die Preiserhöhungen?
Küchen von en2x verweist auf die gestiegene Nachfrage aus den USA und aus Osteuropa. Am Spotmarkt in Rotterdam werde angebotenes Benzin häufig von Tankstellenbetreibern aus den USA aufgekauft, die höhere Preise in Kauf nähmen. Weitere Preistreiber seien gestiegene Energiepreise bei den Raffinerien und ein leicht verknapptes Angebot aufgrund des Ausstiegs aus russischen Öleinfuhren.
Autofahrer betankt sein Auto
Rund zwei Drittel der Steuerentlastung versickern seit dem Stichtag 1. Juni als zusätzliche Einnahmen bei den Mineralölkonzernen.
Bild: dpa
Ökonomen sind skeptisch. „Die Entwicklung der Großhandelspreise in Rotterdam dürfte den jüngsten Preisanstieg an den Tankstellen kaum rechtfertigen“, sagt Felix Matthes vom Öko-Institut. Es deute „viel darauf hin, dass Raffineriebetreiber und Großhändler von erheblichen Gewinnmitnahmen profitieren“, meint Matthes. „Ein Teil der Steuersenkung kommt ihnen also direkt zugute.“ Allerdings ist der Nachweis schwer zu führen. Denn die Branche lässt sich nicht in die Karten schauen.
Würde mehr Transparenz über die Preisgestaltung helfen?
Der Energie-Ökonom Hans-Wilhelm Schiffer ist davon überzeugt, dass mehr Transparenz dabei helfen könnte, „einer Überreizung bei der Preisgestaltung durch die Unternehmen“ entgegenzuwirken. Schiffer, Mitglied im Studies Committee des World Energy Council, verweist auf das „Nationale Informationssystem“ (NIS) über die Kostensituation auf dem deutschen Ölmarkt.
In den Energiekrisen der 1970er-Jahre habe das damals FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium das NIS auf freiwilliger Basis mit der Mineralölindustrie vereinbart. Das System habe Meldungen über die Rohölversorgungskosten, die Importpreise für Mineralölerzeugnisse, die wesentlichen Kostenelemente im Bereich Verarbeitung und Vertrieb, die Nettoerlöse nach Hauptprodukten, die Ergebnisrechnung und die Absatzstruktur der Mineralölindustrie umfasst.
Preistafel an einer Tankstelle
Ölkonzerne weisen den Vorwurf, dass sie sich mit dem Tankrabatt bereichern würden zurück.
Bild: ddp/Sven Simon
Mit dem System sei „ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Transparenz der Ertragssituation auf dem Mineralölmarkt für die Öffentlichkeit geleistet worden“, sagt Schiffer. „Gegenwärtig wird angesichts der Vermutung überhöhter Verbraucherpreise für Mineralölprodukte intensiv über die Einführung einer ‚Übergewinnsteuer‘ diskutiert. Sinnvoll wäre es, zunächst Transparenz über die Fakten herzustellen, bevor ein solcher Systemeingriff in die Besteuerung der Unternehmen einer einzelnen Branche in Erwägung gezogen wird“, sagt Schiffer.
Ist der Tankrabatt sozial gerecht?
Ökonomen haben daran große Zweifel. „Die sozialpolitische Zielsetzung des Tankrabatts ist im Grundsatz nachvollziehbar, dieses Instrument wird in dieser Hinsicht aber eine ungenaue – weil pauschale – Wirkung entfalten“, sagt Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI). „Um eine höhere sozialpolitische Präzision zu erreichen, müsste ein Verteilungsinstrument beispielsweise nach Aspekten wie der Höhe des Haushaltseinkommens und der jeweiligen Qualität des lokalen Nahverkehrs differenzieren“, empfiehlt Bettzüge.
Erhöht der Tankrabatt die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern?
Vergünstigungen beim Sprit wirken Einsparbemühungen entgegen. Das hat einen unerwünschten Effekt: „Der Tankrabatt dürfte – im Vergleich zur Situation ohne diesen Rabatt – den Verbrauch von Benzin und Diesel flächendeckend erhöhen. Die Abhängigkeit von Ölimporten wird dadurch tendenziell erhöht, und das in einer geo- und wirtschaftspolitisch brenzligen Lage“, sagt EWI-Chef Bettzüge.
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