Die EU-Finanzminister haben erste Eckpunkte zu den Schuldenregeln beschlossen. Dabei hatte der FDP-Chef in letzter Minute noch Änderungsbedarf.
Christian Lindner (links) mit weiteren EU-Finanzministern
Lindner hatte kurz vor Abstimmung noch Änderungswünsche.
Bild: Bloomberg
Brüssel Bei der Reform der europäischen Schuldenregeln nähern sich die EU-Finanzminister langsam an. Am Dienstag einigten sie sich auf gemeinsame Schlussfolgerungen, nachdem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in letzter Minute noch eine Änderung am Text durchgesetzt hatte.
Das Papier sieht einige wichtige Neuerungen beim Stabilitäts- und Wachstumspakt vor. Das Regelwerk ist seit Beginn der Coronapandemie ausgesetzt, soll aber 2024 in reformierter Form wieder in Kraft treten.
Dem Text zufolge sollen die Staaten künftig mehrjährige Schuldenabbaupläne mit der EU-Kommission vereinbaren, die die unterschiedlichen Schuldenstände in der Euro-Zone berücksichtigen. So wollen die Minister den in der Pandemie stark gestiegenen Schuldenquoten Rechnung tragen.
Die Maastricht-Kriterien (maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts Neuverschuldung, maximal 60 Prozent Gesamtverschuldung) sollen zwar weiter gelten. Beim Schuldenabbau sollen die Staaten aber mehr Flexibilität erhalten.
Nach der Sitzung dämpfte Lindner die Erwartungen für eine schnelle Reform. Die Schlussfolgerungen seien nur eine erste Bestandsaufnahme, sagte er. „Es ist noch viel Arbeit zu tun.“
Deutschland könne einer Reform erst zustimmen, wenn wesentliche technische Details geklärt seien. Klärungsbedarf gibt es aus deutscher Sicht insbesondere noch in der Frage, wie die Schuldentragfähigkeit von Staaten ermittelt wird.
Berlin will sicherstellen, dass es beim Aufstellen der nationalen Schuldenabbaupläne keine politischen Abmachungen zwischen Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Deshalb fordert Lindner gemeinsame, nachvollziehbare Kriterien, an die sich die Kommission zu halten hat.
Die Kommission will voraussichtlich im April einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der die Schlussfolgerungen der Finanzminister widerspiegeln soll. Lindner setzte nun durch, dass die Kommission vorher noch einmal Vorschläge von den Mitgliedstaaten sammeln und Einwände berücksichtigen soll.
Der deutsche Finanzminister hatte seine Kollegen am Montag mit der Forderung nach einer Textänderung überrascht. Der Entwurf war bereits im Kreis der EU-Botschafter abgestimmt, auch Deutschland hatte zugestimmt. Das bedeutet normalerweise, dass die Minister den Text nur noch abnicken. Doch hatte sich der FDP-Chef vergangene Woche so stark über die EU-Kommission geärgert, dass er nun noch eine Passage im Text ergänzen wollte.
Der Grund für Lindners Intervention: EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hatte bei der Vorstellung der haushaltspolitischen Empfehlungen für 2024 erklärt, dass die Kommission die Fiskalpläne der Mitgliedstaaten bereits anhand der neuen Schuldenregeln bewerten wolle.
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Das eigenmächtige Handeln der Kommission hatte Lindner sogleich als „inakzeptabel“ bezeichnet, schließlich sind die neuen Regeln noch nicht einmal im Grundsatz beschlossen. Am Montag legte er nach: Die Brüsseler Behörde arbeite „nicht in einem rechtsfreien Raum“. Solange man sich nicht auf neue Regeln einige, gälten die alten Regeln weiter.
Offenbar weckte Gentilonis Vorpreschen bei Lindner Erinnerungen an die Debatte um das Verbrenner-Aus. Auch hier fühlte sich die FDP von der Kommission getäuscht – oder zumindest ignoriert. Nach eigener Darstellung hatten Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing stets darauf beharrt, dass E-Fuels auch nach 2035 erlaubt sein müssen.
Nachdem die EU-Kommission jedoch keine Anstalten machte, die deutsche Forderung umzusetzen, stellten sich die Liberalen zuletzt quer und blockierten das EU-Klimagesetz. Inzwischen haben sich mehrere EU-Staaten der deutschen Position zum Verbrenner-Aus angeschlossen.
Auch bei dem Finanzministertreffen sprangen andere Kollegen Lindner bei und kritisierten den Alleingang der Kommission bei den Schuldenregeln. Gentiloni sah sich gezwungen zu beschwichtigen: Es habe sich um ein Missverständnis gehandelt.
Am Dienstag wiederholte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis jedoch, dass die Behörde bei ihrer Beurteilung der Haushaltspläne 2024 eine „Brücke“ zu den geplanten neuen Regeln schlagen wolle. Diese sei jedoch „konsistent“ mit den bestehenden Schuldenregeln, versicherte er.
Dombrovskis versprach auch, dass die Kommission sich bei der Formulierung ihres Gesetzesvorschlags eng mit den Mitgliedstaaten austauschen werde. Zugleich mahnte er, dass die Zeit dränge. Bis zum Jahresende wolle man den Gesetzgebungsprozess im Rat abgeschlossen haben. „Wir müssen zügig vorankommen“, sagte er.
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