Die Industrie fordert von der kommenden Bundesregierung, das Problem der Strompreise anzugehen. Auch die Verbraucher fordern Maßnahmen gegen den Anstieg.
Berlin Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat vor den Folgen der hohen Strompreise gewarnt. „Der aktuelle Höhenflug der Strompreise schadet der deutschen Industrie massiv“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Holger Lösch der Deutschen Presse-Agentur. Der Anstieg sei getrieben von einem Mehrjahreshoch der Gaspreise und steigenden europäischen CO2-Preisen. „Notwendig ist ein besserer und wirksamerer Schutz der Industrie, vor allem des energieintensiven Mittelstands.“
Lösch sagte kurz vor der Bundestagswahl, die nächste Bundesregierung müsse als eine ihrer ersten Aufgaben die hohen Strompreise angehen. „Sie muss staatliche Lasten auf den Strompreis reduzieren, etwa durch die Senkung der EEG-Umlage.“ Niedrigere Strompreise seien essenziell für einen wettbewerbsfähigen Standort Deutschland und die notwendige Umstellung auf direkte und indirekte Elektrifizierung.
Die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen in Deutschland ist ein wesentlicher Bestandteil der Stromrechnung. Für energiekostenintensive Betriebe ist die Umlage gemindert. Damit sie nicht drastisch steigt, hatte die Bundesregierung sie für 2021 und 2022 mit milliardenschweren Steuergeldern aus dem Haushalt stabilisiert. In ihren Wahlprogrammen versprechen alle großen Parteien, die milliardenschwere EEG-Umlage abzuschaffen oder zu senken.
Auch für die Verbraucher in Deutschland wird der steigende Strompreis zunehmend zum Ärgernis. Laut einer Umfrage für das Vergleichsportal Verivox fordern drei Viertel der Deutschen von der Bundesregierung schärfere Maßnahmen gegen den Preisanstieg. Die Hälfte der Befragten habe sich für eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast ausgesprochen, 39 Prozent plädierten für einen staatlichen Preisdeckel, berichtete Verivox.
Für einen Preisstopp beim Strom würde laut Umfrage fast jeder Dritte (31 Prozent) an der Atomkraft festhalten. Damit ist die Zustimmung zur Kernenergie innerhalb von drei Jahren um 11 Prozentpunkte gestiegen. 2018 sei nur jeder Fünfte (20 Prozent) dieser Meinung gewesen. Große Hoffnung auf ein Ende des Preisanstiegs haben die Befragten aber nicht: 70 Prozent gehen nicht davon aus, dass Steuern und Abgaben auf Strom sinken werden.
Die Haushalte in Deutschland müssen sich auf weiter steigende Strompreise einstellen. „Die Beschaffungskosten, die die Energieversorger für Strom zahlen müssen, sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen“, sagte die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, der Deutschen Presse-Agentur. Bei langfristigen Lieferungen hätten sich die Großhandelspreise seit Jahresbeginn verdoppelt, kurzfristig gekaufter Strom sei sogar drei Mal so teuer geworden. Mit Verzögerung schlagen die gestiegenen Beschaffungskosten auf den Endkundenpreis beim Verbraucher durch.
Auch der Preis für CO2-Zertifikate habe sich in den vergangenen 24 Monaten mehr als verdoppelt. Zudem beeinflussten die hohen Preise im Gas-Großhandel auch den Strompreis, da sich die Erzeugung in Gaskraftwerken verteuere. „Diese Effekte können derzeit durch die sinkenden Kosten der Erneuerbaren Energien nicht kompensiert werden“, sagte Andreae.
Schon jetzt ist der Preis für Haushaltsstrom nach Angaben des Vergleichsportals Verivox auf ein Rekordhoch geklettert. Aktuell koste eine Kilowattstunde Strom durchschnittlich 30,54 Cent - so viel wie noch nie zuvor. Vor einem Jahr lagen die Kosten noch bei 28,65 Cent. In den vergangenen 12 Monaten habe sich Strom damit um 6,6 Prozent verteuert.
Das Portal Check24 berichtet, acht Grundversorger hätten bereits die Strompreise erhöht oder Erhöhungen angekündigt. Im Durchschnitt betrügen die Preiserhöhungen 3,7 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden bedeute das zusätzliche Kosten von durchschnittlich 63 Euro pro Jahr.
Hauptpreistreiber ist laut Branchenverband BDEW aber nicht die teurer gewordene Erzeugung. „Von 100 Euro Stromrechnung sind mehr als 50 Euro staatlich verursacht“, sagte Andreae. Zwischen 2010 und 2020 sei die Belastung für Stromkunden durch Steuern, Abgaben und Umlagen um rund 70 Prozent gestiegen. „Das ist nicht nur eine enorme Belastung für die Verbraucher, sondern behindert auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und hemmt umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die Elektromobilität oder Wasserstoff.“
Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sagte, der aktuelle Höhenflug der Strompreise schade der Industrie massiv. Die nächste Bundesregierung müsse als eine ihrer ersten Aufgaben die hohen Strompreise angehen.
Für die Verbraucher wird der steigende Strompreis zunehmend zum Ärgernis. Laut einer Umfrage für Verivox fordern drei Viertel der Deutschen von der nächsten Bundesregierung schärfere Maßnahmen gegen den Preisanstieg. Dafür würde jeder Dritte (31 Prozent) sogar an der Atomkraft festhalten - das seien 11 Prozentpunkte mehr als noch vor drei Jahren. Große Hoffnung auf ein Ende des Preisanstiegs haben die Befragten aber nicht: 70 Prozent gehen nicht davon aus, dass Steuern und Abgaben auf Strom sinken werden.
Marktbeobachter erwarten eine Welle von Preiserhöhungen. „Die meisten Grundversorger ändern ihre Preise zum Jahreswechsel. Deshalb gehen wir davon aus, dass in den kommenden Monaten weitere Stromanbieter ihre Preise erhöhen werden“, sagte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.
Wie viel die Versorger aufschlagen ist noch nicht genau absehbar. „Wegen der gestiegenen Börsenstrompreise wäre für das kommende Jahr ein Preisanstieg beim Haushaltsstrom um drei Cent pro Kilowattstunde zu erwarten. Die erneuerbaren Energien dürften den Anstieg aber halbieren - auf rund 1,5 Cent“, vermutet Philipp Litz von der Denkfabrik Agora Energiewende.
Kein Preistreiber soll im nächsten Jahr die EEG-Umlage sein, mit der die Förderung von Ökostrom-Anlagen finanziert wird. Damit die von den Stromkunden finanzierte Umlage nicht drastisch steigt, stabilisiert die Bundesregierung sie für 2021 und 2022 mit Milliarden Euro aus dem Haushalt. Dadurch wurde die Umlage in diesem Jahr auf 6,5 Cent begrenzt, im nächsten Jahr soll sie auf 6 Cent pro Kilowattstunde sinken. BDEW-Chefin Andreae fordert die komplette Streichung der Umlage, um Verbraucher und Wirtschaft entlasten. In ihren Wahlprogrammen versprechen alle großen Parteien, die EEG-Umlage abzuschaffen oder zu senken.
Der Bund hat in diesem Jahr bislang 8,1 Milliarden Euro in den EEG-Fonds eingezahlt. Im kommenden Jahr könnte er wegen des hohen Börsenstrompreises günstiger davonkommen. „Bei steigenden Börsenstrompreisen erzielen die Wind- und Solaranlagenbetreiber höhere Einnahmen, was zu einer sinkenden EEG-Umlage führt“, erläutert Agora-Fachmann Litz den Mechanismus.
Das beste Mittel gegen steigende Strompreise sei ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien, betonte Litz. Eine neue Bundesregierung müsse in den ersten 100 Tagen eine Verdreifachung der Ausbaumengen für Windkraft- und Photovoltaik auf den Weg bringen. „Das ist zentral für die Erreichung der Klimaziele und trägt dazu bei, den Strompreis zu senken.“
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