Erneuerbare Energien gelten als wichtiges Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung. Unternehmen in diesem Bereich investieren einer Studie zufolge aber lieber in Frankreich als Deutschland.
Berlin Deutschland als Vorreiter bei den erneuerbaren Energien – das war einmal. Frankreich hat Deutschland von der Spitzenposition als attraktivster Markt für Investitionen in erneuerbare Energien verdrängt und damit auf den zweiten Rang verwiesen. Das zeigt der „Allianz Klima- und Energiemonitor 2018“, der heute veröffentlicht wird.
Der Versicherungskonzern hat die Studie gemeinsam mit der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und dem wissenschaftlich orientierten New Climate Institute erstellt.
Der Monitor ist das erste Mal 2016 erschienen und wird seitdem jährlich aktualisiert. Er vergleicht, wie attraktiv die Investitionsbedingungen in eine emissionsfreie Energie-Infrastruktur in den 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (ohne die Europäische Union insgesamt) sind. Zudem berechnet er den Investitionsbedarf, der notwendig wäre, um die Pariser Klimaziele einzuhalten.
Ende 2015 war in der französischen Hauptstadt beschlossen worden, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, wenn möglich auf 1,5 Grad. Einzuhalten ist das nur, wenn bis zur Mitte des Jahrhunderts die Weltwirtschaft weitgehend treibhausgasneutral agiert, also keine fossilen Energien mehr verfeuert werden.
Dem Infrastrukturausbau für Solar- und Windenergie komme deswegen eine herausragende Rolle zu, erklärt Katharina Latif, Leiterin Corporate Responsibility der Allianz-Gruppe.
Ausschlaggebend für das Ranking ist nicht der bereits erreichte Anteil erneuerbarer Energien im jeweiligen nationalen Strommix – anderenfalls hätte ein Land wie Frankreich, das immer noch stark auf Atomstrom setzt, Deutschland nicht überflügeln können.
Die Bewertung setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: eine verlässliche Energie- und Klimapolitik, die Unterstützung für erneuerbare Energien, faire Wettbewerbsbedingungen im Vergleich zu fossilen Energien sowie Markterfahrungen mit Erneuerbaren. Hinzu kommen generelle Faktoren wie Inflation, Offenheit für ausländische Investoren und Rechtssicherheit.
Deutschland als Zweitplatzierter weist mit 34 Prozent im Jahr 2017 einen im internationalen Vergleich hohen Anteil erneuerbarer Energien im nationalen Strommix auf. „Die Zubau-Raten bei Wind- und Solarenergie haben im Jahr 2017 zugenommen“, sagt Jan Burck von Germanwatch.
Mit der Umstellung von festen Fördersätzen auf ein Auktionssystem sei aber auch das Volumen reduziert worden, das zugebaut werden dürfe. „Daher erwarten wir für 2018 nahezu eine Halbierung der Investitionen bei der Windenergie.“ Es hänge nun maßgeblich von Zeitpunkt und Umfang der angekündigten zusätzlichen Auktionen für neue Wind- und Solaranlagen ab, ob Deutschland seine Position in der Spitzengruppe halten könne.
Die neu installierte Windkraft-Kapazität stieg von 5000 Megawatt im Jahr 2016 auf knapp 6300 Megawatt im Folgejahr. Die Kapazität der Solarenergie nahm um rund 200 Megawatt auf knapp 1700 Megawatt zu. Insgesamt flossen in Deutschland rund 14,6 Milliarden US-Dollar (12,8 Milliarden Euro) in den Ausbau alternativer Energien. Zum Erreichen der Klimaziele im Stromsektor werde jedoch eine jährliche Summe in Höhe von rund 22,2 Milliarden US-Dollar benötigt, heißt es im Monitor.
Von der deutschen Biogas-Branche ist wenig übrig. Und das, obwohl die Technologie unerlässlich ist. Warum der einstige Hoffnungsträger der Energiewende ausstirbt.
Nach Frankreich und Deutschland folgen Großbritannien auf Platz 3 und Italien auf Rang 4. Damit führen die europäischen Märkte die Gruppe der so genannten G20-Staaten an.
Der Monitor zeigt aber auch, dass alle Mitgliedsstaaten wesentlich mehr in erneuerbare Energien investieren müssten, um die Erderwärmung einzudämmen. Dazu wären für alle 19 Staaten bis 2050 jährliche Investitionen in den Stromsektor in Höhe von rund 886 Milliarden US-Dollar notwendig.
Zusätzlich müssten die Länder ambitionierte Langfriststrategien für eine vollständige Dekarbonisierung umsetzen. Bislang hat nur Großbritannien eine solche Strategie verabschiedet. Deutschland, Frankreich und Brasilien haben sich als einzige G20-Staaten kurzfristige Ziele für erneuerbare Energien gesetzt.
„Die erneuerbaren Energien in Frankreich, Deutschland und Großbritannien profitieren von stabilen Markt- und Investitionsbedingungen sowie von einem größtenteils positiven Politikumfeld“, sagt Co-Autor Niklas Höhne vom New Climate Institute. Allerdings gebe es auch bei den Bestplatzierten ungenutztes Potenzial: Frankreichs Ausschreibungen für neue Anlagen seien zum Beispiel oft zu niedrig dotiert, das heißt die Renditemöglichkeiten für Investoren zu gering.
In den meisten G20-Staaten haben sich die Investitionsbedingungen für erneuerbare Energien im vergangenen Jahr grundsätzlich verbessert. Schwellenländer wie China und Indien, heißt es in dem Monitor, „bieten stabilere Rahmenbedingungen für Kapitalgeber als im Vorjahr“.
Die USA sind um zwei Plätze auf den neunten Rang gefallen. Die Autoren sehen hierfür beispielsweise Importzölle auf Solarzellen als wesentliche Ursache. 2017 wurden rund ein Drittel weniger Wind- und Solaranlagen gegenüber dem Vorjahr installiert. Der jährliche Kapitalbedarf im Stromsektor steht mit 158 Milliarden US-Dollar den getätigten Investitionen in erneuerbare Energien in Höhe von 57 Milliarden US-Dollar gegenüber.
Zum Vergleich: Der Fünftplatzierte China investierte im Jahr 2017 in erneuerbare Energien rund 133 Milliarden US-Dollar, würde aber erst mit 314 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf einen Pfad Richtung Pariser Klimaziele im Stromsektor einschwenken.
In Indien (Platz 10) verdoppelte sich der Ausbau der Solarenergie im Jahr 2017, auch bei der Windkraft wurde mehr installiert. Indien erreicht mit Investitionen in erneuerbare Energien von elf Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 aber bisher nur einen Bruchteil der jährlich benötigten Summe von 160 Milliarden US-Dollar.
Mehr Sorgen machen sich die Autoren um Länder wie Indonesien oder die Türkei, die weiterhin besonders stark auf die klimaschädliche Kohle setzen. In Deutschland werden zwar keine neuen Kohlemeiler gebaut. Die Allianz, Germanwatch und New Climate Institute lassen aber keinen Zweifel daran, dass die alten Kraftwerke abgeschaltet werden müssen – und zwar vor dem Ende ihrer Lebenszeit.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)