Überteuerte Atemmasken, unhaltbare Gesundheitsversprechen: Unseriöse Geschäftemacher machen sich die Coronakrise zunutze. Verbraucherschützer und Politiker wollen dagegen vorgehen.
Atemschutzmaske
„Drei Atemmasken für 999 Euro, das liegt nicht mehr in einem Rahmen freier Preisgestaltung, der tolerabel wäre“, sagt Verbraucherschützer Müller.
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Berlin Verbraucherschützer wollen juristisch gegen unseriöse Geschäftemacher vorgehen, die sich die Corona-Pandemie mit überteuerten Produkten oder fragwürdigen Versprechen zunutze machen. „Menschen, die in dieser Krise auf Kosten anderer dreiste Geschäfte machen, sollten sich schämen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, dem Handelsblatt. Die Verbraucherzentralen mahnten ab, wenn es die Rechtslage hergebe. „Drei Atemmasken für 999 Euro oder Vitamin-Präparate gegen die Corona-Infektion, das liegt nicht mehr in einem Rahmen freier Preisgestaltung, der tolerabel wäre“, so Müller.
Die Online-Händler achten laut Müller zum Teil selber darauf, dass solchen „üblen Geschäften“ keine Plattform geboten werde. „Die Verbraucherzentralen sorgen dafür, dass hier auch rechtliche Konsequenzen drohen.“
Kritisch sieht Müller in diesem Zusammenhang den Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln. „Hier wird Verbrauchern mit unlauteren und unhaltbaren Versprechen das Geld aus der Tasche gezogen“, sagte der VZBV-Chef. „In Zeiten der Coronakrise ist das besonders verwerflich.“
Trotz ausstehender wissenschaftlicher Belege zu ihrer Wirksamkeit greifen immer mehr Menschen zu Nahrungsergänzungsmitteln. So nimmt in Deutschland jeder dritte Erwachsene ein solches Präparat, jeder vierte sogar mehr als eines pro Tag. Die Hersteller erzielten allein durch den Verkauf in deutschen Apotheken 2018 laut Statistikdienstleister IQVIA einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro – eine Steigerung seit 2014 um jährlich knapp sechs Prozent.
Auch die Grünen warnen mit Blick auf solche nichtmedizinische Präparate vor unseriösen Gesundheitsversprechen – gerade in Zeiten der Coronakrise. „Nahrungsergänzungsmittel können nicht verhindern, dass Menschen am neuen Coronavirus erkranken. Anbieter, die in der derzeitigen Krise einen anderen Anschein erwecken, sind nicht seriös und betreiben Verbrauchertäuschung“, sagte die ernährungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, dem Handelsblatt. „Aus der Angst vor der Pandemie Profit zu schlagen, ist in jeder Hinsicht inakzeptabel.“
Verbraucherschützer stellten schon vor Jahren fest, dass es bei Webseiten wie dem „Zentrum der Gesundheit“, die für Nahrungsergänzungsmittel werben, häufig in erster Linie um Produktverkauf geht. Im Fall der aktuellen Krise wird sogar die Gefährlichkeit des Coronavirus relativiert. „Angst – ob vor dem Coronavirus oder anderen Dingen – entsteht meist nur deshalb, weil wir etwas über die vermeintliche Sache gehört haben und das auch noch glauben“, heißt es auf der Webseite des Portals. Und: „So haben viele Menschen beispielsweise vor Wölfen Angst, ohne dass sie je einen getroffen hätten. Warum haben sie dann Angst vor Wölfen? Weil sie etwas glauben, das über diese Tiere geschrieben oder erzählt wird.“
Und wenige Absätze später heißt es weiter: „Glauben Sie also nicht alles, was erzählt und behauptet wird. Verbreiten Sie aber auch selbst keine Gerüchte. Denn nur weil dies oder jenes irgendwo steht oder erzählt wird, muss es nicht wahr sein.“
User, die sich weiter auf der Webseite umschauen, finden dann etwa Tipps mit der Überschrift: „Wie Sie mit Selen Ihr Immunsystem stärken“. Zu Erklärung heißt es dann: „Wer auf der Suche nach einem Schutz vor Corona ist, stolpert unweigerlich über Selen. Das Spurenelement ist für ein leistungsfähiges Immunsystem zuständig – und ein starkes Immunsystem wiederum schützt vor Viren, auch vor Corona.“
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen stellt indes in einem aktuellen Warnhinweis klar: „Es gibt keine Nahrungsergänzungsmittel, die eine Erkrankung mit dem neuartigen Corona-Virus (SARS-CoV-2) verhindern können.“
Die Grünen-Politikerin Künast mahnt: „Statt auf falsche Werbeversprechungen zu setzen, sollten Menschen ihre Abwehrkräfte durch gesunde und ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung stärken.“ Und für den Umgang mit dem Virus empfiehlt sie, sich an seriöse Empfehlungen wie die des Bundesgesundheitsministeriums oder des Robert-Koch-Instituts zu halten.
Künast sieht zudem gesetzgeberischen Handlungsbedarf. „Das sehr lukrative Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln muss endlich reguliert werden.“ Seit Jahren komme die EU-Kommission ihrer Ankündigung nicht nach, insbesondere Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln festzulegen. „Auch eine Zulassungspflicht und damit genaue Überprüfung ist auf europäischer Ebene nicht in Sicht“, kritisierte die Grünen-Politikerin.
Nötig sei daher eine zeitnahe nationale Festlegung von Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe. Vorlagen dazu gebe es im Bundesernährungsministerium schon seit Jahren, so Künast. „Damit den Menschen nicht sinnlos das Geld aus der Tasche gezogen wird und sogar noch neue Gesundheitsgefahren entstehen, sollte das Ministerium in absehbarer Zeit eine Regelung endlich auf den Weg bringen.“
Mehr: Lesen Sie hier, warum Forscher raten, für Nahrungsergänzungsmittel kein Geld auszugeben.
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