Die EU nimmt Interessenvertreter im Dienst russischer Firmen ins Visier. Betroffen wären etwa Gazprom-Lobbyisten – und damit auch Altkanzler Schröder.
Gazprom
Stimmt der EU-Rat zu, russische Firmen aus dem EU-Transparenzregister zu streichen, dann hätten deren Lobbyisten keinen freien Zugang mehr zu Gebäuden des EU-Parlaments oder des EU-Rats.
Bild: IMAGO/Xinhua
Berlin Russische Lobbyisten sollen wichtige Privilegien im Umgang mit europäischen Institutionen verlieren. Das geht aus einem per E-Mail geführten Schriftwechsel zwischen der EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) und der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, hervor. Die Mails liegen dem Handelsblatt vor.
Jourova unterstützt demnach das Bestreben der EU-Parlamentsspitze, Interessenvertreter von zunächst 13 in Russland ansässigen Unternehmen und Organisationen aus dem EU-Transparenzregister von Parlament, Rat und Kommission zu streichen. Dann dürften diese Lobbyisten zum Beispiel Spitzenvertreter der EU-Kommission nicht mehr treffen.
Jourova erklärte in ihrer Mail, sie sei damit einverstanden, die von Barley genannten Organisationen „zu suspendieren, da sie dem Ruf des Registers gemäß dem festgelegten Verhaltenskodex schaden“.
Barley hatte zuvor Jourova einen entsprechenden Vorschlag übermittelt. Ihre Mail ging gleichzeitig an weitere Vertreter des EU-Parlaments und der Kommission sowie an die französische Ratspräsidentschaft.
Zu den betroffenen Unternehmen zählen etwa die russischen Energiekonzerne Gazprom und Lukoil, der Stahlproduzent Novolipetsk Steel, der Aluminiumhersteller Rusal und der Antiviren-Software-Spezialist Kaspersky.
Theoretisch könnte die Maßnahme auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder treffen, weil der Ex-SPD-Chef im Dienst der Gazprom-Tochter Nord Stream steht. Bislang ist Schröder in Brüssel jedoch nicht akkreditiert. Im Transparenzregister taucht sein Name nicht auf.
Stimmt der EU-Rat zu, die genannten Firmen aus dem Register zu streichen, dann hätten deren Interessenvertreter keinen freien Zugang mehr zu Gebäuden des EU-Parlaments oder des EU-Rats. Ihnen wäre es untersagt, sich mit Kommissions- und Kabinettsmitgliedern sowie Generaldirektoren zu treffen. Außerdem dürften sie nicht mehr an Briefings und Veranstaltungen des Rats teilnehmen.
Andererseits sind Lobbyisten nicht gänzlich vom Politikgeschehen in Brüssel abgeschnitten. Auch ohne Registrierung ist es für sie möglich, das Parlamentsgebäude zu betreten – zum Beispiel mit der Einladung eines Abgeordneten. Ebenso können Lobbyakteure Mitglieder der EU-Kommission treffen, die unterhalb des Rangs der Generalsekretäre rangieren.
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Der Transparenzexperte der Grünen im Europaparlament, Daniel Freund, hält daher ein „Hausverbot für Kreml-Lobbyisten“ bei den EU-Institutionen für überfällig. „Es kann nicht sein, dass Interessenvertreter russischer Staatsunternehmen noch immer – zehn Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs – exklusiven Zugang zu EU-Spitzenbeamten und Parlamentariern haben“, sagte Freund. „Unternehmen, die vom russischen Angriffskrieg profitieren, haben es nicht verdient, mit ihren Anliegen in Brüssel Gehör zu finden.“
Wie für russische Lobbyisten ein Ausweg aus dem Dilemma aussehen könnte, deutet Barley in ihrer Mail an Jourova an. „Die Suspendierung würde aufgehoben (oder gar nicht erst verhängt)“, schreibt die EU-Parlamentsvizepräsidentin, „wenn die Organisationen die russische Invasion in der Ukraine öffentlich und unmissverständlich verurteilen würden.“
Gerhard Schröder
Der Altkanzler ist für den Aufsichtsrat des russischen Gas-Giganten Gazprom nominiert (Archivbild vom März 2006).
Bild: AP
Im Falle Schröders ist von einer Distanzierung indes keine Spur. In seinem ersten Interview seit Kriegsbeginn in der „New York Times“ hatte er den Krieg zwar als einen Fehler bezeichnet, sich aber nicht vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert, mit dem er seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng befreundet ist.
Schröder war schon kurz nach dem Ausscheiden aus seinem Regierungsamt 2005 bei der Pipelinegesellschaft Nord Stream, einer Gazprom-Tochter, eingestiegen. Dort ist er immer noch Vorsitzender des Gesellschafterausschusses. Außerdem ist Schröder Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft. Für den Gazprom-Aufsichtsrat ist er nominiert.
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Schröder steht in Deutschland massiv in der Kritik, weil er sich trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht von seinen Posten trennt. Mehrere SPD-Verbände haben deswegen ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt.
Er könnte zudem wegen seines Engagements für den russischen Ölkonzern Rosneft Probleme bekommen. EU-Kommissionsvizepräsidentin Jourova befürwortet den Vorschlag Barleys, auch andere Organisationen ins Visier zu nehmen, „die ihren Sitz außerhalb Russlands haben, aber eindeutig die Interessen russischer Unternehmen vertreten“. Als Beispiele nannte Barley den deutschen Ableger des russischen Erdölproduzenten Rosneft sowie die Schweizer Nord Stream AG.
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