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27.02.2022

13:13

Ukrainekrieg

100 Milliarden Euro: Scholz will Sondervermögen für Bundeswehr bereitstellen

Von: Julian Olk

PremiumDer Bundeskanzler will die Verteidigungsausgaben auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erhöhen. Das Sondervermögen will er im Grundgesetz verankern – wofür er die Unterstützung der Union braucht.

Bundeswehr: 100 Milliarden Euro Sondervermögen von Olaf Scholz AP

Olaf Scholz

Der Bundeskanzler kündigt hohe Investitionen in die Verteidigung an.

Berlin Die Bundeswehr soll ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten. Das Geld werde mit dem Bundeshaushalt 2022 bereitgestellt, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag während einer Sondersitzung des Bundestags an. Zugleich sagte er zu, Deutschland werde „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“.

Die Bundeswehr brauche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine „neue, starke Fähigkeiten“, sagte der Bundeskanzler. „Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.“ Das Ziel sei eine leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Bundeswehr.

Die Zeit der Vernachlässigung der Bundeswehr müsse enden, erklärte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Debatte am Sonntag. Den laufenden Betrieb der Bundeswehr werde man direkt aus den Haushalten unter Achtung der Schuldenbremse finanzieren und stetig erhöhen. „Aber eine mindestens 15 Jahre dauernde Vernachlässigung kann man nicht von jetzt auf gleich aus dem laufenden Haushalt finanzieren“, begründete er den Plan für das zusätzliche Sondervermögen.

In ein Sondervermögen kann der Bund Mittel aus dem Haushalt einstellen, um leichter darüber zu verfügen. Für Klimaschutz-Investitionen gibt es etwa schon den Klima- und Transformationsfonds (KTF) als Sondervermögen.

Die Regierung kann die Mittel aus dem KTF nutzen, auch wenn die Schuldenbremse voraussichtlich ab dem nächsten Jahr wieder gilt. In den KTF hatte Linder im Dezember 60 Milliarden Euro ungenutzter Kredite eingestellt. Diese kann der Bund nun noch in den kommenden Jahren nutzen, ohne dass sie im Rahmen der dann wieder geltenden Schuldenbremse berücksichtigt werden.

Merz kritisiert Pläne

Das Vorgehen ist allerdings rechtlich umstritten, da die aktuelle Aussetzung der Schuldenbremse aufgrund der Pandemie laut Grundgesetz nur zusätzliche Schulden erlaubt, um Auswirkungen der Coronakrise auszugleichen. Es wäre schwer zu vermitteln, in diesem Jahr während der Aussetzung zusätzliche 100 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen, die erst im Laufe der nächsten vier Jahre genutzt werden. Scholz will derartigen Bedenken beim Sondervermögen für Rüstung zuvorkommen: Im Bundestag kündigte er an, es im Grundgesetz festschreiben zu wollen.

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Mit der Verankerung im Grundgesetz würde klargestellt, dass die 100 Milliarden Euro nur für die Instandsetzung der Bundeswehr ausgegeben werden dürften, ergänzte Lindner. Allerdings braucht es für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag sowie die Zustimmung der Länder.

Die Ampel muss also auf die Union setzen. Friedrich Merz, Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU, hatte im Bundestag vor Lindners Rede bereits Kritik an den Plänen geäußert. Der Bundesfinanzminister wiederum appellierte an Merz und die Union, den Plänen zuzustimmen: „Wir werden nicht mit dem Finger aufeinander zeigen.“

Lindner wird sich wegen des Sondervermögens von seinem Plan verabschieden müssen, die Neuverschuldung im laufenden Jahr nicht zu erhöhen. Diese hatte die vorherige Bundesregierung noch bei etwa 99 Milliarden Euro festgelegt. Über Wochen hatte Lindner trotz stetig steigender Wünsche seiner Kabinettskollegen und abflauender Konjunktur betont, daran nicht rütteln zu wollen. Mit dem Militär-Sondervermögen werden es jetzt rund 200 Milliarden Euro.

Differenzen zu Antrag der Fraktionen

Scholz betonte derweil, die Anhebung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung passiere nicht nur, weil man es Alliierten versprochen habe: „Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit.“ Die zwei Prozent sind eigentlich eine Zusage aller Mitglieder des Nato-Bündnisses. Deutschland hat den Zielwert seit Einführung im Jahr 2002 aber nie erreicht. Allen voran die US-Regierung hatte das in den vergangenen Jahren scharf kritisiert.

Mit den 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen, verteilt über die kommenden vier Jahre, sei das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, schrieb Hubertus Bardt, Geschäftsführer am Institut der deutschen Wirtschaft, bei Twitter. Nach der bisherigen Finanzplanung wären die deutschen Verteidigungsausgaben als Anteil der Wirtschaftsleistung von aktuell 1,49 bis 2025 auf 1,27 Prozent gesunken.

In einem unabhängig von Scholz' Ankündigung erarbeiteten Entschließungsantrag hatten die Fraktionen der Ampelkoalition gemeinsam mit der Unionsfraktion bereits vorab erhöhte finanzielle Anstrengungen für die Bundeswehr gefordert. Die Regierung wird darin aufgefordert, „die Modernisierung der Bundeswehr mit dem Ziel voll ausgestatteter und voll einsatzbereiter Streitkräfte weiter voranzutreiben, bestehende Fähigkeitslücken umgehend zu schließen und die notwendigen finanziellen Ressourcen dafür zeitnah und langfristig bereitzustellen“. Die Nato-„Fähigkeitsziele“ müssten erfüllt und das Geld zeitnah in die Bundeswehr investiert werden.

So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen im Ukrainekrieg:

Ein konkretes Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel fehlt allerdings im Antrag, der am Ende der Sondersitzung mit den Stimmen der Ampel und der Union beschlossen wurde. Scholz' Vorstoß kam am Sonntag daher auch in diesem Punkt überraschend. In Kreisen führender Grünen-Politiker war auch am Wochenende noch vorherrschende Meinung, dass zwar deutlich mehr in das Militär investiert werden müsste, aber die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung kein erstrebenswertes Ziel seien. Die Zahl allein sage nichts darüber aus, ob Deutschland eine vernünftige Verteidigung aufbauen könne.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich höheren Militärausgaben in den vergangenen Tagen entgegenstellte, äußerte sich bei seiner Rede am Sonntag nicht konkret zum Sondervermögen oder zum Zwei-Prozent-Ziel. Man habe in den vergangenen Jahren den Verteidigungsetat erhöht und werde das weiter tun. „Eine effiziente Verteidigungspolitik darf sich nicht in Etat-Ansätzen erschöpfen“, gab Mützenich zu bedenken.

In dem Antrag der vier Bundestagsfraktionen heißt es zudem, dass geprüft werden müsse, ob der Ukraine weitere militärische Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden könne. Die Bundesregierung hatte am Samstag ersten Waffenlieferungen an die Ukraine zugestimmt und damit eine Kehrtwende vollzogen, nachdem jahrelang ein Export in Krisengebiete grundsätzlich ausgeschlossen wurde.

1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen sollen nun aus Bundeswehr-Beständen kommen. Von einem „historischen Moment“ war in Regierungskreisen die Rede.

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