Nach dem letzten Kandidaten-Triell können die CDU-Mitglieder ab Samstag einen neuen Vorsitzenden wählen. Hinter den Kulissen geht es aber um weit mehr.
Dreikampf
Sie ringen um den Platz an der Parteispitze (v.l.): Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Helge Braun.
Bild: dpa
Berlin Hinter weißen Stehpulten präsentieren sich die Kandidaten: Kanzleramtschef Helge Braun, Wirtschaftsexperte Friedrich Merz und Außenpolitiker Norbert Röttgen. Gemeinsam stellen sie sich den Fragen von 25 Mitgliedern, die im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses dabei sein dürfen – 2G plus, Masken mit CDU-Logo und Abstand garantiert. Ab Samstag können die rund 400.000 Mitglieder abstimmen.
Die CDU sucht ihren neuen Vorsitzenden. Es ist der dritte Wettkampf binnen drei Jahren. Dieses Mal aber ist er angesichts des historisch schlechten Wahlergebnisses wie nie zuvor geprägt von Demut. Jetzt geht es darum, schwachen Kreisverbänden zu helfen, den Mitgliederschwund zu stoppen, sich in der Gesellschaft neu zu justieren. Die CDU befindet sich im freien Fall wie die SPD vor zehn Jahren.
Gleich zu Beginn des „Townhall“ fragt eine Frau nach dem Kern: wie die Partei versöhnt werden kann. „Wir müssen führend werden in den großen Debatten dieser Zeit“, sagt Röttgen als Erster. Merz stellt klar: „Das kann ein Vorsitzender allein nicht leisten“, er werde es „mit einem guten Team“ angehen. Und Braun fügt an: „In Zukunft müssen wir die Inhalte stärker gemeinsam bestimmen.“
Flügelkämpfe und fehlende gemeinsame Inhalte bewegt die Fragenden: Merz will sich stärker um die ostdeutschen Länder kümmern. Die Durchstecherei aus Sitzungen solle ein Ende haben, das Verhältnis zur CSU geklärt werden. Braun sagt, die Wurzeln der Partei müsse die Partei „als Stärke begreifen“, nicht als Lager oder Flügel. „Zukunftsdialoge“ will er führen. Röttgen sagt, die Flügel sollten diskutieren. „Wir brauchen diese Debatte“, sagt er. „Wenn entschieden ist, dann ist entschieden, dann gilt Geschlossenheit.“
Wäre eine Doppelspitze modern? Die Kandidaten lehnen ab, vielmehr sollen die Parteivize und Vorstandsmitglieder mehr Verantwortung übernehmen. Auch Röttgen will lieber „authentisch“ sein. Das Modell sei etwas für die Grünen. „Es ist nicht unsere CDU-Kultur“. Und doch wollen alle, dass es mehr Frauen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund gibt in Partei und in Parlamenten, überhaupt mehr Mitglieder in Zeiten einer schrumpfenden CDU.
Alle Kandidaten werben für sich als Volksparteiler. Seit Tagen schon präsentierten sie sich als Kandidaten, die nicht für eine Strömung stehen wollen. Der Wirtschaftspolitiker Merz hatte bereits den ehemaligen Berliner Sozialsenator Mario Czaja als designierten Generalsekretär in sein Team geholt. Außenpolitiker Röttgen kündigte noch am Mittwochmorgen an, dass er dem Chef des Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, und dessen Stellvertreter Dennis Radtke eine wichtige Rolle in der Partei geben wolle.
Der geschäftsführende Kanzleramtschef Braun hatte zuvor schon die Nachwuchspolitikerinnen Serap Güler und Nadine Schön als Kern seines Teams präsentiert.
Mit dem neuen Vorsitzenden wird die Partei auch eine neue Führungsmannschaft erhalten. Am 17. Dezember wird die CDU das Ergebnis des ersten Wahlgangs verkünden. Womöglich gibt es eine Stichwahl, dann steht das Ergebnis am 12. Januar fest. Bestätigen soll es ein Bundesparteitag am 21. Januar in Hannover. Dort werden auch die Stellvertreter, ein Generalsekretär und der gesamte Vorstand neu gewählt. Hier haben neben dem Parteichef vor allem die Landesverbände das Sagen.
Indirekt geht es aber auch um die Bundestagsfraktion, das Machtzentrum einer Oppositionspartei. Sollten Röttgen oder Braun die CDU führen, dann kann Ralph Brinkhaus Fraktionschef bleiben, wie beide bereits erklärt haben. Merz hingegen macht keinen Hehl daraus, dass für ihn Partei- und Fraktionsvorsitz in Oppositionszeiten in eine Hand gehören.
Am Dienstag und Mittwoch trafen sich die Landesgruppenvorsitzenden der Unionsfraktion, um über die darüber hinaus zu vergebenen Positionen zu beraten. „Teppichhändler“ werden sie in der Fraktion genannt. Sie verteilen unter CDU und CSU, Männern wie Frauen, Jungen wie Alten und unter den Landsmannschaften die Posten – alles Kriterien neben der fachlichen Qualifikation. Das Gerangel ist groß, gibt es doch keine Regierungsposten mehr.
Es bleiben allein die elf stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, vier parlamentarische Geschäftsführer und ein Justiziar. Hinzu kommen die Sprecher der Arbeitsgruppen und der soziologischen Gruppen – für 197 Abgeordnete.
Wie es intern hieß, beansprucht etwa die CSU einen Stellvertreterposten mehr als bisher und begründet dies damit, dass sie relativ gesehen zur CDU mehr Stimmen bei der Bundestagswahl gewonnen habe. Die CDU hält dagegen.
Auch drängeln die amtierenden Ministerinnen: Anja Karliczek hat die Hand gehoben, ebenso Julia Klöckner. Auch Jens Spahn würde gern – nachdem er keine Chance mehr auf den Parteivorsitz hat – ein Themenfeld bearbeiten: das für Finanzen, wie es hieß. Dafür verantwortlich ist indes derzeit Antje Tilmann. Aber auch die CSU soll den Job beanspruchen.
Hinzu kommen noch die vielen Staatssekretäre. Allerdings drängen auch die Jungen nach vorn mit dem Hinweis auf die allseits beschworene Erneuerung der Union. Und die Amtsinhaber wollen gern ihre Fraktionsposten behalten.
Allein Carsten Linnemann dürfte sein Amt abgeben, sollte Merz gewinnen: Er soll dann ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten. Oder Nadine Schön: Sie hätte die Aufgabe bei Helge Braun. „Überall herrscht Knappheit“, berichtet einer der Teppichhändler.
Leichter ist es für die Teppichhändler bei den Sprechern. Da die Union enorm viele Mandate verloren hat, müssen allein acht der 18 Posten neu besetzt werden – darunter auch der des haushaltspolitischen Sprechers. Dafür etwa hat Christian Haase Interesse angemeldet, Chef der kommunalpolitischen Vereinigung.
Diese Fragen aber können die Landesgruppenchefs erst klären, wenn SPD, Grüne und FDP ihre Regierung sortiert haben. Erst dann werden die Ausschüsse der Legislative als Kontrollorgane der Exekutive eingesetzt.
Unklar ist zum Beispiel, ob es weiter einen Ausschuss für Wirtschaft und Energie geben wird oder doch zwei: einen für Wirtschaft und einen für Klima und Energie.
Das Gleiche bei der Frage Verkehr und Digitales: Bislang gab es einen Verkehrsausschuss, inklusive digitaler Infrastruktur. Nun aber soll es ein Ministerium für Verkehr und Digitales geben. Wird der Ausschuss dann umbenannt und der Digitalausschuss aufgelöst? Welche Themen wird der designierte FDP-Minister Volker Wissing verantworten? Alles ungeklärte Fragen. Erst mit den Antworten wissen die Teppichhändler, wie viele Sprecherposten und Ausschussvorsitze es zu verteilen gibt.
Wer dann was wird, entscheidet allein die Fraktion: Alle Vorschläge der Teppichhändler müssen die Abgeordneten in einer Fraktionssitzung bestätigen. „Das wird mit Sicherheit eine wilde Fraktionssitzung mit etlichen Kampfabstimmungen“, heißt es in der Fraktion.
Und dann gilt es noch eine Frage zu klären: Wer wird Chef der Teppichhändler? Bislang konnte sich die Runde nicht einigen, neben Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein bemüht sich auch Mathias Middelberg aus Niedersachsen. Fürs Erste koordiniert der parlamentarische Geschäftsführer Manfred Grund aus Thüringen die Runde.
Eins steht dagegen schon jetzt fest: Die geschrumpfte Fraktion muss mit weit weniger Geld auskommen. Etliche Mitarbeiter mussten bereits gehen, Beamte kehren zurück in die Ministerien. Prominentes Beispiel ist etwa der Büroleiter von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: Er wechselt als Leiter des Referats für Elektromobilität und Ladeinfrastruktur ins Verkehrsministerium.
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