Verbraucherschutzministerin Lemke will ein „Recht auf Reparatur“ für Geräte wie Handys und Laptops durchsetzen. Die Wirtschaft warnt vor einem nationalen Alleingang.
Steffi Lemke
Laut der Bundesministerin für Umwelt würde mit dem Recht auf Reparatur ein wichtiger Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gegangen werden.
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Berlin Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland sollen nach Plänen der Bundesregierung defekte Handys oder andere Produkte künftig einfacher reparieren lassen können. Bundesumwelt- und -verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) sagt: „Mit dem Recht auf Reparatur werden wir einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft gehen.“
In der Wirtschaft stößt das Vorhaben allerdings auf Ablehnung. Auf EU-Ebene gebe es bereits Vorgaben zur Reparierbarkeit bestimmter Produkte. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, sagte dem Handelsblatt: „Wenn die Bundesregierung jetzt auf nationalem Level darüber hinausgeht, macht das keinen Sinn.“ Das führe den Europäischen Binnenmarkt „ad absurdum“.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wies darauf hin, dass die EU-Kommission vor Kurzem erst eine Konsultation zur Förderung der Reparatur und Nachhaltigkeit von Produkten gestartet habe. Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer, Achim Dercks, sagte dem Handelsblatt: „Im Interesse des gemeinsamen EU-Binnenmarktes sollte die Politik in Deutschland deshalb auf nationale Alleingänge verzichten, da die Diskussion um das „right to repair“ zu Recht auf europäischer Ebene geführt wird“.
Ähnlich sieht es der Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger (CDU). Es sei zwar „eine gute Sache“, wenn die Hersteller für eine bessere Reparierbarkeit sorgen können, ohne dass die Kosten für die Verbraucher steigen und die Produktqualität darunter leide, sagte Bilger dem Handelsblatt. „Allerdings fürchte ich, dass die Bundesumweltministerin das Kind mit dem Bade ausschüttet: So etwas muss in einem Binnenmarkt auf jeden Fall europäisch angegangen werden.“
Die ersten Gesetze zum Recht auf Reparatur in der EU traten im März 2021 in Kraft. Fernseher, Spül- und Waschmaschinen oder Kühlschränke müssen seitdem strengere Anforderungen an die Reparierbarkeit erfüllen. Die Hersteller werden zudem verpflichtet, Ersatzteile über sieben bis zehn Jahre lang bereitzuhalten und die Produkte so zu gestalten, dass sich diese ohne Spezialwerkzeug zerstörungsfrei öffnen und reparieren lassen.
Vermindert werden sollen die enormen Mengen Elektroschrott, die jährlich in Europa anfallen. Im Schnitt produziert jeder Bundesbürger im Jahr mehr als zehn Kilogramm Elektroschrott. Laut Europäischem Parlament werden nur 42 Prozent des in der EU anfallenden Elektroschrotts recycelt.
Handyreparatur
Was tun, wenn der Akku leer ist oder das Display zerspringt? Die Reparatur von Elektonikgeräten wie Smartphones ist oft schwierig.
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SPD, Grüne und FDP gehen jetzt noch einen Schritt weiter. Sie haben sich vorgenommen, dass Verbraucher künftig auch bei kleinen Geräten wie Handys und Laptops ein Recht auf Reparatur haben sollen.
„Wir stellen den Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen sicher“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Herstellerinnen und Hersteller müssen während der üblichen Nutzungszeit Updates bereitstellen.“
Das Ziel ist laut Koalitionsvertrag, die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produkts zum „erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft“ zu machen. Laut Lemke soll niemand in Zukunft ein funktionierendes Mobiltelefon wegwerfen müssen, nur weil der Akku nicht mehr funktioniert. Die Ministerin plädiert für einen „Reparierbarkeits-Index“, auf dem man erkennen könne, wie reparierfreundlich ein Produkt sei. Sie verwies auf Frankreich. Dort sei man bereits vorangegangen.
In Frankreich war Anfang vergangenen Jahres ein Index eingeführt worden, der anhand verschiedener Kriterien darüber informiert, wie einfach sich Smartphones, Laptops, Fernseher, Rasenmäher oder andere Geräte reparieren lassen. Lemke will das, wie sie sagt, „im europäischen Kontext entwickeln und in Deutschland einführen“.
Der Digitalverband Bitkom hält wenig davon, den Fokus nur auf reparierfreundliche Produkte zu legen. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte dem Handelsblatt: „Die Langlebigkeit von Geräten definiert sich nicht nur über ihre Reparierbarkeit, sondern insgesamt über eine hohe Qualität und Zuverlässigkeit“. Am wichtigsten sei daher, Defekte mittels technischer Vorkehrungen von vornherein zu vermeiden. Das sei unterm Strich gut für die Umwelt.
Umgekehrt könne die Umweltbilanz eines „Rechts auf Reparatur“ negativ werden, wenn künftig sämtliche Ersatzteile auf Halde produziert und eingelagert würden, sagte Rohleder weiter. „Die Geräte werden dann definitiv teurer, und gerade im unteren Preissegment werden die Kostensprünge am größten sein.“
Der DIHK weist zudem auf Nachteile für viele Unternehmen hin, die darin bestehen, dass eine Bevorratung von Ersatzteilen zusätzliche Lagerfläche notwendig mache und finanzielle Ressourcen binde. „Dies kann letztlich zu einem Wettbewerbsnachteil deutscher und europäischer Hersteller führen“, sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Dercks.
>> Lesen Sie hier: Akku platt, Display kaputt: Woran der Kampf gegen Elektroschrott scheitert
Der Mittelstandsverband BVMW sorgt sich vor allem um kleine Unternehmen. Für diese sei es zunächst einmal „eine Kostenfrage, ob ein Gerät mit vertretbarem Aufwand repariert werden kann oder ersetzt werden muss“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Verbands, Markus Jerger, dem Handelsblatt.
Gegen ein generelles „Recht auf Reparatur“ spreche zudem die rasante technische Entwicklung. Das zeige sich am Beispiel der Mobiltelefone, erläuterte Jerger. „Die Kunden bevorzugen immer flachere und gern auch wasserdichte Geräte, was einer einfachen Reparierbarkeit entgegensteht.“
Der Bitkom hofft auf eine europäische Lösung. Dort gehöre die Diskussion hin, sagte Hauptgeschäftsführer Rohleder. An die Adresse der Bundesregierung fügte er hinzu: „Wer meint, von dem im globalen Maßstab nachrangigen deutschen Markt aus weltweite Standards setzen zu können, befindet sich auf dem Holzweg.“ Kein Hersteller produziere speziell für einen Markt wie Deutschland oder richte danach sein Produktdesign, seine Prozesse oder auch seine Lieferketten und Ersatzteillager aus.
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