Dubiose Arbeitsverträge, exorbitant hohe Beraterkosten und unzufriedene Mitarbeiter: Der Start der neuen Autobahngesellschaft verläuft alles andere als gut.
Berlin Michael Güntner war alles andere als erfreut, als er Anfang Juli die außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates der Autobahn GmbH eröffnen musste. Der Vorsitzende des Gremiums, im Hauptberuf Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, musste Vorwürfe zu Unregelmäßigkeiten bei Arbeitsverträgen von Führungskräften ansprechen und ebenso der Frage nachgehen, warum Beraterleistungen in Berichten kaschiert werden. Die Punkte waren so heikel, dass die Runde aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern eines vereinbarte: Stillschweigen.
Vor fast zwei Jahren hat der Bund die Autobahn GmbH gegründet, um ab dem kommenden Jahr in Eigenregie das Autobahnnetz zu betreuen. Was seit der Gründung der Republik die Bundesländer besorgten, übernimmt künftig der Bund in der Hoffnung, dass alles preiswerter und schneller wird. Dazu haben Bund und Länder 2017 sogar das Grundgesetz geändert.
Dass es bei dieser Mammut-Verwaltungsreform Probleme geben würde, war auch dem Verkehrsministerium klar, dem die GmbH unterstellt ist. Schließlich sollen in nur zweieinhalb Jahren 14.000 Mitarbeiter aus den Landesverwaltungen zum Bund wechseln, müssen 1400 IT-Systeme konsolidiert und Strukturen und Prozesse für 13.000 Kilometer Autobahn auf zehn neue Niederlassungen und 41 Außenstellen ausgerichtet werden.
Probleme sind das eine, Skandale etwas ganz anderes. Nach Informationen des Handelsblatts hat der Aufsichtsrat einen externen Revisor bestellt, der die Vorgänge um überhöhte Abfindungsregelungen und Gehälter aufklären soll. Die Verträge sollen weit von dem abweichen, was der Aufsichtsrat genehmigt hatte. Die Vorfälle sind so gravierend, dass sich der Bund als Gesellschafter nicht mit einer internen Prüfung zufriedengeben wollte, berichten Insider.
Zwar gibt es einen Tarifvertrag, den Minister Andreas Scheuer (CSU) eigens erarbeiten und mit den Gewerkschaften verhandeln ließ. Darin waren die Gehälter bereits deutlich höher im Vergleich zu dem, was Autobahn-Fachkräfte derzeit noch in den Bundesländern erhalten. Schließlich sollen sie wechseln. Doch in der Zentrale, vor allem im Bereich der IT, schien all das nicht zu reichen.
Es handle sich um „eine laufende Prüfung des Aufsichtsrates“, bestätigte das Ministerium auf Anfrage. „Gesellschafter und Aufsichtsrat nehmen dahin gehende Hinweise sehr ernst; die nunmehr laufende Prüfung wurde umgehend eingeleitet.“
Der zweite Posten, mit dem sich der Aufsichtsrat beschäftigt: die Beraterverträge. Ohne externe Hilfe war es nicht möglich, in so kurzer Zeit die politischen Beschlüsse in eine arbeitsfähige Gesellschaft umzusetzen.
Für die Beraterbranche entpuppte sich das Projekt als lukrative Baustelle: Seit der Gründung der GmbH 2018 wurden bereits Beraterhonorare in Höhe von mehr als 80 Millionen Euro veranschlagt. Zunächst durften vor allem die Berater von Roland Berger Pläne für den Verwaltungsaufbau vorlegen.
Anfang 2019 dann fing eine erste Geschäftsführung wieder bei null an – und sucht sich offenkundig weiterhin in Rechts- wie IT-Fragen Hilfe von außen. Der Aufsichtsrat soll auf seiner nächsten Sitzung im August weitere rund elf Millionen Euro freigeben, wie es hieß. In der Sitzung sollen auch alle Vorwürfe geklärt werden.
Die als Dienstleistungen deklarierten Beratertätigkeiten etwa im Bereich IT zumindest erklärt sich das Ministerium damit, dass temporär in der Aufbauphase auch „Berater oder Freiberufler“ Dienstleistungen erbringen würden. Es gehe darum, „die Arbeitsfähigkeit am Tag eins sicherzustellen“, hieß es in der Führungsriege.
Die Berater heben jedenfalls nicht die Stimmung im Unternehmen. Das berichten Mitarbeiter dem Handelsblatt, nachzulesen ist es auch auf Bewertungsportalen im Internet. Ein „Chaos-Verein ohne konkreten Plan“ sei die Autobahn GmbH. „Hauen, beißen, stechen“ regiere in der Zentrale. Niemand traue sich, Entscheidungen zu treffen. „Alles wird auf die Berater abgeschoben.“ Sie gäben den Takt vor, „die Geschäftsleitung nickt alles ab“. Es gebe kein Teamwork, dafür aber eine „hohe Fluktuation“.
Stattdessen würden die Regionalleiter sich gegenseitig nur von Erfolgen berichten, nicht aber die Probleme ansprechen. „Kritische Themen will niemand hören“, berichteten Insider nach einem Treffen der Niederlassungsdirektoren vergangene Woche in Nürnberg.
Der Frust in der Zentrale hat längst die Länder erreicht. Bei Weitem nicht alle Beamten und Angestellten der Autobahnverwaltung der Länder werden zum Bund wechseln. Dies legt eine Umfrage des Handelsblatts unter den Ländern nahe. Zwar wechseln vor allem die Mitarbeiter in Ostdeutschland angesichts der guten Konditionen. Im Westen allerdings sieht es ganz anders aus.
In Bayern etwa heißt es, die besten Leute seien längst in andere Verwaltungseinheiten gewechselt. „Am gravierendsten scheint mir, dass die guten Leute der Autobahndirektion Südbayern zu 90 Prozent abgesprungen sind. Dieses Know-how fehlt nun und ist auch nicht durch hochdotierte Neuzugänge zu ersetzen.“
In der Zentrale rechnen sie damit, dass fast 3000 Mitarbeiter beim Start vor Ort fehlen werden. Allein die Niederlassung Montabaur sucht nun „händeringend“ 150 Fachkräfte. Das Verkehrsministerium Rheinland-Pfalz resümiert, das Land habe „von Beginn an klargestellt, dass kein Mitarbeiter wechseln muss“.
Viele Länder werden weiter Bundes-, Landes- und Kreisstraßen genehmigen und betreuen und wollen nicht auf ihre Experten verzichten. Das Land NRW reicht bereits die Hand und will helfen, sollte kein reibungsloser Start 2021 möglich sein. Sollte sich „ein möglicher Unterstützungsbedarf abzeichnen, steht Nordrhein-Westfalen für einen Dialog zu möglichen Lösungen selbstverständlich zur Verfügung“, erklärte das dortige Verkehrsministerium.
350 bis 500 Mitarbeiter sollen aus Berlin die neue Verwaltung steuern. Entsprechend sucht die Autobahn dringend Mitarbeiter.
Und als sei dies alles noch nicht genug, bleibt auch eine Großbaustelle geöffnet: Wie soll die Autobahn GmbH in Zukunft selbst Autobahnen planen und bauen? Bisher erledigte das für zwölf Bundesländer bereits die Gesellschaft Deges. Sie sollte mit der Autobahn GmbH verschmelzen.
Doch die Deges plant und baut auch Bundesstraßen für die Länder, zurzeit ist sie mit 22 Projekten beschäftigt. Länder wie Thüringen setzen seit der Wiedervereinigung auf die Deges und wären ohne sie aufgeschmissen. Daher pocht das Ministerium darauf, dass auch nach einer Verschmelzung „die zwischen dem Freistaat Thüringen und der Deges abgeschlossenen Verträge erfüllt“ werden.
Dann aber würde der Bund im Auftrag der Länder Aufgaben übernehmen. Die verfassungs- und vergaberechtlichen Probleme wurden vor mehr als einem Jahr vom Bundesfinanzministerium (BMF) an das Verkehrsressort übermittelt.
Nun legte noch einmal der Bundesrechnungshof mit einem Gutachten den Finger in die Wunde. Inzwischen ist sogar die Rede davon, dass es nicht mehr zur Verschmelzung kommen wird. „Es gibt derzeit kein Szenario für die Verschmelzung, das alle rechtlichen Bedenken des BMF ausräumt“, berichten Insider.
Die Deges-Führung verhandelt mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich für einen möglichen Übergang, damit die Fachkräfte nicht abwandern und verhindert wird, dass womöglich ab 2021 die Baustellen stillstehen. Neben den Bundesstraßen geht es auch um 38 Autobahnprojekte.
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