Kanzler Scholz hat zugesagt, dass Deutschland künftig mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgibt. Doch seine Ampelkoalition verfolgt das Ziel kaum.
Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung am 27. Februar
„Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“
Bild: imago images/photothek
Berlin Zeitenwende ist ein großes Wort – nichts soll nach diesem Einschnitt mehr so sein, wie es vorher war. Das Neue soll vielleicht nicht gleich für die Ewigkeit gelten, aber wohl doch etwas länger als die Dauer einer Legislaturperiode, wenn man den Begriff ernst nimmt.
So war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verstanden worden, als er im Februar wenige Tage nach Beginn des Ukrainekriegs die Zeitenwende für den Verteidigungshaushalt und das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr ankündigte: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“, sagte er in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Das Zwei-Prozent-Ziel hatten die Nato-Staaten 2014 nach der russischen Annexion der Krim noch einmal bekräftigt.
Doch es gibt längst Zweifel daran, ob die Ampelkoalition dieses Versprechen wirklich ernst nimmt und die finanzielle Neuplanung für die Bundeswehr nachhaltig ist. Denn bisher ist weder das Sondervermögen besiegelt, noch haben SPD, Grüne und FDP finanzielle Vorsorge für die Zeit getroffen, wenn die 100 Milliarden Euro aufgebraucht sind.
Das Sondervermögen ziele darauf ab, rasch fehlende Ausrüstung zu beschaffen und Fähigkeitslücken zu schließen, betont CDU-Haushälter Christian Haase, es sollte deshalb kurzfristig verplant werden. Dann müsse Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber dafür Sorge tragen, dass anschließend im regulären Verteidigungshaushalt genug Geld zur Verfügung stehe, um das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen. Dies müsse schon bei der Aufstellung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr in der mittelfristigen Finanzplanung verankert werden.
Im Entwurf für den diesjährigen Haushalt ist das noch nicht passiert. In der bis 2025 reichenden Finanzplanung wird der Verteidigungsetat bei rund 50 Milliarden Euro jährlich festgeschrieben. Um auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu kommen, wären rund 75 Milliarden Euro erforderlich.
Nach Lesart der SPD wird der Etat zunächst durch Mittel aus dem Sondervermögen aufgestockt. „Die Linie ist, dass aus dem Sondervermögen Projekte finanziert werden, wenn sie entscheidungs- und beschaffungsreif sind, und dass das Geld dann zum regulären Haushalt hinzukommt“, sagt ihr verteidigungspolitischer Sprecher Wolfgang Hellmich. Ob das Zwei-Prozent-Ziel erreicht wird, hängt also davon ab, in welchen Jahren große Beschaffungsvorhaben reif sind.
Sebastian Schäfer, Obmann der Grünen im Haushaltsausschuss, mahnt sogar, das Sondervermögen nicht innerhalb von vier Jahren zu „verpulvern“. Hier gehe es um große Investitionsprojekte über einen deutlich längeren Zeitraum bis in das Jahr 2040, zum Beispiel um das zukünftige Luftkampfsystem FCAS.
Das Zwei-Prozent-Ziel sollte zumindest in den nächsten Jahren nicht im Vordergrund stehen, betont Schäfer: „Entscheidend ist, dass wir die Fähigkeiten haben, die wir unseren Nato-Partner versprochen haben.”
Bei den Grünen wird das Sondervermögen generell kritisch gesehen, schließlich warb die Partei noch im Bundestagswahlkampf für Ab- statt Aufrüstung. Es gibt Forderungen, im Gegenzug auch die Mittel für humanitäre Hilfe, Entwicklungspolitik und auch Cybersicherheit zu erhöhen.
Spätestens wenn das Sondervermögen aufgezehrt ist, müsste der Bund mehr Geld im regulären Verteidigungsetat bereitstellen, wenn Scholz beim Zwei-Prozent-Ziel nicht wortbrüchig werden will. „Finanzminister Lindner wird eine Antwort geben müssen, wie die mindestens 25 Milliarden Euro bei Einhaltung der Schuldenbremse erbracht werden sollen“, sagt CDU-Haushälter Haase.
Der Kanzler habe in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht, dass Deutschland auch jenseits des Sondervermögens dafür sorgen werde, das Zwei-Prozent-Ziel jederzeit zu übertreffen, sagt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
An den nötigen finanziellen Vorbereitungen werde vom Bundesfinanzminister und den beteiligten Akteuren unter Hochdruck gearbeitet. „Auch die Verteidigungspolitiker werden hierauf ein wachsames Auge haben“, sagt Strack-Zimmermann.
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Bei ihrem SPD-Kollegen Hellmich klingt das weniger nach Hochdruck: „Die Ampelkoalition kann nur Festlegungen für die eigene Regierungszeit treffen, nicht für die Ewigkeit“, sagt er. Im Klartext: Was ab 2026 aus dem Zwei-Prozent-Ziel wird, steht in den Sternen.
Kanzler Scholz muss zunächst zusehen, überhaupt das Sondervermögen aufzulegen. Für die notwendige Grundgesetzänderung und die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit ist er auf die Unterstützung der Union angewiesen, die Bedingungen stellt.
Er setze darauf „dass die Verantwortung für unser Land und die Zukunft unseres Landes“ bei allen Parteien so groß sei, „dass wir auch die notwendige verfassungsändernde Mehrheit zustande bringen“, sagte der Regierungschef jüngst im RBB-Inforadio.
Aus der Opposition kommt allerdings harsche Kritik am Kanzler, der politische Führung vermissen lasse. Das habe die Impfpflicht gezeigt, und das zeige sich aktuell an seiner zögerlichen Haltung bei Waffenlieferungen für die Ukraine oder bei Investitionen für die Bundeswehr, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn (CDU): „Mittlerweile zeigt sich sein deutliches Grundmuster, es lautet zaudern und bremsen“, kritisiert Spahn, der als Gesundheitsminister der Großen Koalition noch mit Scholz am Kabinettstisch gesessen hatte. „Das wird nicht reichen, vier Jahre unser Land zu führen.“
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