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24.04.2023

09:22

Warnstreik am Flughafen

Wer zahlt den Flugausfall?

Von: Kai Thomas

Wegen Tarifstreit kommt es vor allem im Bahnverkehr und an Flughäfen immer wieder zu Warnstreiks. Was Arbeitnehmer zu Streiks beachten müssen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Weitere Warnstreiks bei der Deutschen Bahn geplant dpa

Warnstreiks bei der Bahn

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) plant in den kommenden Tagen wieder bundesweit Streiks.

Düsseldorf An den Flughäfen Berlin und Hamburg heben am Montagmorgen wegen Warnstreiks keine Passagierflüge ab. Auch bei der Deutsche Bahn und weiteren Bahnen haben Gewerkschaften den Verkehr in den vergangenen Wochen wiederholt lahmgelegt.

Mit den Streiks im öffentlichen Verkehr drohen Ausfälle und Verspätungen. Millionen Reisende und Pendler fragen sich, worauf sie sich einstellen müssen. Welche Alternativen gibt es? Ist Zu-Hause-Bleiben eine Option? Und bekommen Bahnkunden ihr Geld zurück? Das Handelsblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Kann ich bei Warnstreiks zu Hause bleiben?

Nein, Streiks gelten zwar als „höhere Gewalt“, es besteht aber Arbeitspflicht. Beschäftigte müssen pünktlich zur Arbeit erscheinen. „Das sogenannte Wegerisiko trägt immer der Arbeitnehmer, ob Streik oder nicht“, sagt Rechtsanwältin Nathalie Oberthür. Denn bei einem Streik handelt es sich nicht um ein unvorhergesehenes Ereignis. In der Regel wird er rechtzeitig angekündigt, also etwa am Vortag oder noch früher.

Arbeitnehmerinnen müssen dem Arbeitgeber sofort mitteilen, dass sie sich wegen Streik unvermeidbar verspäten oder gar nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Versäumt ein Mitarbeiter dies, riskiert er den Arbeitsrechtlern des Bund-Verlags zufolge bei angekündigten Streiks im Einzelfall sogar eine Abmahnung. Wer zu spät zur Arbeit kommt, dem kann der Arbeitgeber zudem den Lohn kürzen. Oder der Arbeitnehmer muss die fehlende Zeit nacharbeiten.

Warnstreik: Welche alternativen Verkehrsmittel gibt es?

Wird der öffentliche Verkehr bestreikt, müssen Arbeitnehmerinnen auf andere Verkehrsmittel ausweichen oder mit dem Auto fahren. Eine Alternative zu Bussen und Bahnen sind Carsharing und Fahrgemeinschaften. Pendler können sich etwa über folgende Websites organisieren:

Auch mit dem Fahrrad oder E-Bike können vom Streik Betroffene fahren, wenn die Entfernung nicht zu groß ist. „Zur Not müssen Arbeitnehmer auf eigene Kosten ein Taxi nehmen, auch das ist zumutbar“, sagt Anwältin Oberthür. Extrakosten für die Anfahrt zum Arbeitsplatz übernehmen Arbeitgeber aber meist nicht.

Habe ich bei Streik einen Anspruch auf Homeoffice?

Findet sich keine Alternative zum öffentlichen Nahverkehr, können Beschäftigte an Streiktagen ins Homeoffice ausweichen. Damit muss der Arbeitgeber allerdings einverstanden sein. Denn einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es nicht.

Alternativ können Betroffene Urlaubstage beantragen oder Überstunden abbauen. Auch hier ist die Absprache mit dem Vorgesetzten entscheidend.

Was passiert mit meinem Ticket, wenn die Bahn streikt?

Zugreisende haben bei Streiks der Bahn ein Recht auf Entschädigung. Die Bahn muss den Fahrpreis teilweise oder komplett erstatten. Dies gilt der Verbraucherzentrale zufolge, wenn Zuggäste viel zu spät oder gar nicht ans Ziel kommen. Die Deutsche Bahn und private Eisenbahnunternehmen bieten dafür ein Formular an. Der Antrag der Bahn findet sich hier als Download.

Für digital gekaufte Fahrkarten können Reisende eine Entschädigung auch online einfordern. Für Tickets der Deutschen Bahn ist dies direkt in der Bahn-App „DB Navigator“ möglich.

Warnstreik

Verdi-Warnstreik an Flughäfen Berlin und Hamburg

Warnstreik: Verdi-Warnstreik an Flughäfen Berlin und Hamburg

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Wer zahlt den Flugausfall bei Streik?

Reisende haben Anspruch auf Ausgleichsleistungen, wenn ein Flug annulliert wurde. Sie können laut Verbraucherzentrale einen Ersatzflug oder eine Erstattung des Flugpreises verlangen.

Die Fluggesellschaft muss den Flugpreis dann innerhalb von sieben Tagen zurückzahlen. Sie darf das Geld nur mit Reisegutschein zurückerstatten, wenn der Fluggast schriftlich sein Einverständnis gibt.

Pauschalreisen: Wer zahlt bei Ausfall?

Veranstalter von Pauschalreisen sind auch bei Streiks für Kosten verantwortlich, die Reisenden durch Verspätung und Flugausfälle entstehen. Das können nach Angaben der Verbraucherzentrale etwa Verpflegung, Unterkunft, Taxifahrten und Telefonate sein. Reisende sollten dazu ihren Reiseveranstalter kontaktieren.

Bei Verspätungen können Reisende zudem den Reisepreis mindern. Die Verspätung sollten sie dem Veranstalter schnellstmöglich mitteilen, empfehlen die Verbraucherschützer. Der Tagesreisepreis kann ab fünf Stunden Verspätung um fünf Prozent für jede weitere Stunde reduziert werden, bis maximal 20 Prozent.

Kann man zum Streik gezwungen werden?

Nein, alle Bürgerinnen haben laut Grundgesetz zwar ein Recht auf Streik. Eine Pflicht zum Streik gibt es in Deutschland jedoch nicht. Jeder Arbeitnehmer kann frei entscheiden, dem Streikaufruf einer Gewerkschaft zu folgen oder zur Arbeit zu gehen. Ein betroffener Arbeitgeber darf auf Streiks allerdings mit Aussperrung reagieren und den Betrieb für alle Mitarbeiter schließen.

Wann darf man als Arbeitnehmer streiken?

Jeder darf an einem Streik teilnehmen, auch ohne Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Wer streikt, macht in Deutschland von einem Grundrecht Gebrauch. Entscheidend ist laut Verdi, dass eine Gewerkschaft den Streik organisiert und der eigene Betrieb bestreikt wird.

Ist Streik ein Kündigungsgrund?

Vor einer Kündigung sind Streikteilnehmer im Allgemeinen geschützt. Ist der Streik von einer Gewerkschaft angemeldet, dürfen Arbeitgeber Streikende nicht mit Abmahnungen und Kündigungen maßregeln. Für sie gilt die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung dann nicht. Eine Abmahnung oder gar Kündigung ist laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) unwirksam.

Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber nach Ende des Streiks Kündigungen wegen Streikteilnahme ausspricht. Auch diese sind nach DGB-Angaben unwirksam.

Fällt Streiken unter die Arbeitszeit?

Nein, rechtmäßig Streikende sind von arbeitsvertraglichen Pflichten befreit. Dies gilt dem DGB zufolge sowohl für die Arbeitsleistung als auch für das Abmelden von der Arbeit. Eine Pflicht zum Abmelden wegen Streiks würde demnach eine psychische Hürde bedeuten, die mit der Bedeutung des Streikrechts als Grundrecht nicht zu vereinbaren wäre. Streikende müssen zudem keine Fehlstunden nacharbeiten. Dies gilt laut DGB insbesondere bei Gleitzeit.

Wer bekommt Streikgeld?

Streikende erhalten für die ausgefallenen Arbeitsstunden in der Regel kein Geld. Weder vom Arbeitgeber noch von der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings zahlen Gewerkschaften an Mitglieder oft einen Ausgleich. Verdi-Mitglieder bekommen beispielsweise bei Arbeitsniederlegung ein Streikgeld, ebenso bei Aussperrung vom Arbeitsplatz.

Die EVG zahlt nach eigenen Angaben Mitgliedern nur bei sogenannten Erzwingungsstreiks Streikgeld, nicht aber bei Warnstreiks wie am Montag.

Wie viel Streikgeld zahlen Verdi und EVG?

Verdi zahlt streikenden Mitgliedern ein variables Streikgeld. Die Höhe berechnet Verdi nach dem durchschnittlich gezahlten Gewerkschaftsbeitrag der letzten drei Monate sowie auf Basis des aktuellen Einkommens.

Für jeden vollen Arbeitstag, für den der Arbeitnehmer wegen des Streiks keinen Lohn oder kein Gehalt erhält, zahlt Verdi den Monatsbeitrag multipliziert mit einem variablen Stundenfaktor. Bei einer Mitgliedschaft von mehr als zwölf Monaten rechnet Verdi mit dem 2,5-Fachen des Monatsbeitrags, bei Mitgliedschaften von unter einem Jahr mit dem 2,2-Fachen.

Für jedes kindergeldberechtigte Kind gibt es von Verdi zusätzlich 2,50 Euro pro Arbeitstag. Auch Teilzeitbeschäftigten zahlt Verdi Streikgeld, wenn sie am Streiktag zur Arbeit eingeteilt sind. Ebenso bei der EVG richtet sich die Höhe des Streikgelds nach den gezahlten Mitgliedsbeiträgen.

Erstpublikation: 24.03.2023, 15:16 Uhr (zuletzt aktualisiert: 24.04.2023, 09:15 Uhr).

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