Deutschland plant ein Wasserstoff-Abkommen mit Kanada. Eine Lieferung von Flüssiggas ist unwahrscheinlich, aber die LNG-Infrastruktur könnte helfen.
LNG Terminal in Kanada
Bisher gibt es keine Exportterminals für Flüssiggas an der kanadischen Ostküste, sondern nur ein Importterminal des Konzerns Repsol.
Bild: dpa
Toronto Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck vom 21. bis 23. August nach Kanada reisen, soll es um erneuerbare Energien gehen und vor allem um Wasserstoff. Ein Abkommen mit der kanadischen Regierung ist geplant, um den Ausbau der kanadischen Wasserstoffproduktion voranzutreiben – wovon Deutschland als Importland profitieren soll.
Die Reise und das Abkommen sind Teil der Bemühungen der deutschen Regierung, durch die Vertiefung von Energiepartnerschaften mit anderen Ländern unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden.
Flüssiggas (LNG) aus Kanada für Deutschland soll dagegen kein Thema der Reise sein. Die Aussichten auf ein schnelles LNG-Exportgeschäft von Kanada nach Deutschland schwinden damit weiter.
Vom Bundeswirtschaftsministerium heißt es: „Prinzipiell gibt es Interesse an kanadischem LNG – ob es hier zu Lieferungen kommen könnte, müssten die Unternehmen, die handeln, entscheiden.“
Noch gibt es keine LNG-Exportterminals an der Ostküste Kanadas, die für einen Gasexport nach Europa geeignet wären. Und es sieht nicht danach aus, als würde sich daran in den nächsten Jahren etwas ändern.
Nach Ansicht des Verbandes Zukunft Gas hält sich das Interesse kanadischer Investoren am Bau von LNG-Exportterminals an der Ostküste in Grenzen. Sie glauben nicht an eine langfristige Abnahme von Gas durch Deutschland. Das habe mit der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung zu tun. „Diese sendet klare Signale, dass Deutschland so schnell wie möglich aus der Nutzung von Erdgas aussteigen will.“
Aber erst nach zehn bis 20 Jahren können die Investitionskosten für ein Exportterminal wieder hereingeholt werden, die sich laut Gasverband auf rund zehn Milliarden Euro belaufen.
Dabei seien die Kosten für Exportterminals zehnmal so hoch wie für LNG-Importterminals, wie sie derzeit an der deutschen Küste geplant sind. Denn der Gasverflüssigungsprozess sei technisch aufwendiger und benötige mehr Energie.
Die unsicheren Investitionsaussichten seien auch der Grund, warum die Gespräche mit Katar über die Lieferung von LNG nicht vorankämen. „Denn Katar müsste seine teure Exportinfrastruktur ausbauen, um den zusätzlichen deutschen Bedarf stillen zu können“, schreibt Zukunft Gas.
Auch die Gasimporteure in Deutschland planen derzeit nicht mit Gas aus Kanada. Der Konzern EnBW, der bereits LNG-Kapazitäten beim gerade im Bau befindlichen deutschen Importterminal in Stade reserviert hat, sagt: „Zusätzliche LNG-Mengen werden perspektivisch aus den USA und dem Nahem Osten kommen.“
Scholz, Trudeau
Ein Abkommen mit der kanadischen Regierung ist geplant, um den Ausbau der kanadischen Wasserstoffproduktion voranzutreiben.
Bild: IMAGO/ZUMA Press
Analysen des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) zeigen, dass direkte LNG-Exporte nach Europa begrenzt sein werden. „Für Kanada ist es kosteneffektiver, LNG-Gas nach Asien zu exportieren“, sagt Eren Çam, Leiter der Abteilung Energierohstoffe am EWI.
An der Westküste Kanadas befinden sich bereits Exportterminals und ein Zugang zur Pipeline, über die gefördertes Erdgas aus der Provinz Alberta ankommt, die sich ebenfalls im Westen befindet. Eine entsprechende Pipeline an die Ostküste müsste erst gebaut werden.
Was derzeit als realistischste Option betrachtet wird, ist eine Art Energieringtausch: „LNG-Exporte aus dem Westen Kanadas könnten sich indirekt auf Europa auswirken und die Preise senken“, sagt Experte Çam. Kanadische Gasexporte könnten LNG-Exporte der USA nach Asien ersetzen, wodurch mehr US-amerikanische Mengen nach Europa gelangen könnten.
Volker Treier, Außenhandelschef der Industrie- und Handelskammern, sagt: Der Bau von LNG-Terminals an der Ostküste könnte auch durch die Aussicht auf höhere Preise für Gas, die Deutschland zu zahlen bereit wäre, vorangetrieben werden. „Die deutsche Wirtschaft ist bereit dazu, deutlich mehr für Energie zu zahlen, um die deutsche Industrie am Laufen zu halten.“
Öl- und Gasförderung
Deutschland setzt im Geschäft mit Kanada vor allem auf Wasserstoff, weniger auf Flüssiggas.
Bild: Reuters
Louise Comeau, Direktorin für Klimawandel und Energielösungen beim New Brunswick Conservation Council, sagte kürzlich, die Behauptung, LNG-Exporte würden die Energieversorgung in Europa sichern, sei unrealistisch. „Wir werden Deutschland ganz sicher nicht bei der Deckung des Heizbedarfs im Winter helfen“, sagte Comeau.
Tatsächlich rechnet man in der Gasbranche im Schnitt mit einer Gesamtdauer von fünf Jahren von der Idee bis zum Betrieb eines LNG-Terminals. Kanadische LNG-Investoren haben ihre Pläne zum Bau von Exportterminals offiziell noch nicht vollständig begraben.
Die Firma Pieridae Energy erwägt sogar die Wiederaufnahme ihres Plans zum Bau eines Terminals in Nova Scotia für den Export von Flüssigerdgas nach Deutschland, einschließlich eines möglichen schwimmenden LNG-Projekts. Doch wirklich konkret sind die Pläne nicht.
Selbst wenn LNG-Terminals an der Ostküste entstünden, wäre damit noch kein Export von Wasserstoff nach Deutschland garantiert, auf den die Bundesregierung langfristig setzt. Eine wasserstofftaugliche LNG-Infrastruktur gibt es heute weltweit gesehen noch nicht – und sie ist eine technische Herausforderung.
>> Lesen Sie hier: Alternative zu russischem Gas: Wie es um die deutschen LNG-Terminals steht
Wasserstoff eignet sich im Gegensatz zu Erdgas in seiner Reinform nicht für den Transport mit Schiffen. Denn um diesen zu verflüssigen, muss er auf minus 253° C gekühlt werden (bei LNG sind es nur minus 161° Grad). Dazu ist die volumenspezifische Energiedichte deutlich geringer verglichen mit LNG, es lässt sich also weniger auf demselben Raum transportieren.
„Deshalb wird Wasserstoff künftig höchstwahrscheinlich in Form von Ammoniak, einem Wasserstoffderivat, transportiert.“ Dieses muss lediglich auf minus 33° C gekühlt werden und verfügt auch über eine deutlich höhere Energiedichte als flüssiger Wasserstoff.
Der Prozess der Ammoniak-Herstellung gilt in der Branche als einfacher als das Verflüssigen von Erdgas, daher sollten die Kosten der Exportterminals unter denen der Kosten der LNG-Exportterminals liegen, schreibt Zukunft Gas. Die Ammoniak-Synthese sei aber ein chemischer Prozess, das Verflüssigen von Erdgas ein physikalischer, man benötige daher unterschiedliche Anlagen.
Der Verband VDI gibt zu bedenken: Ein Terminal, das für LNG und später für Wasserstoff genutzt werden kann, müsse am besten gleich so geplant und gebaut werden, als würde es ausschließlich mit flüssigem Wasserstoff betrieben. „Eine spätere Nachrüstung ist zwar möglich, aber wirtschaftlich nicht sinnvoll, da zu viele Großkomponenten ausgetauscht werden müssten.“
Beim Import von Wasserstoff sieht es etwas anders aus: Wenn ein Terminal künftig für den Import über Ammoniak ausgerichtet sein soll, könnten die Tanks schon heute für den Gebrauch mit Ammoniak vorbereitet werden, sagen die Gasexperten.
Bei einem späteren Umstieg müssten nur Komponenten wie die innenliegenden Pumpen und Kompressoren ausgetauscht werden. Im Design der deutschen Importterminals in Wilhelmshaven und Stade ist das bereits so vorgesehen.
Der Wasserstoffmarkt in Kanada entsteht gerade erst. Doch das Land ist der drittgrößte Wasserkraftproduzent weltweit und hat großes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff, der nur mithilfe von erneuerbaren Energien wie Wasserkraft gewonnen wird.
Bisher exportiert Kanada überschüssige Wasserkraft in die USA exportiert. Blauer Wasserstoff, der aus Erdgas generiert wird, hätte ebenfalls Potenzial, da Kanada große Erdöl- und Erdgasvorkommen hat. Allerdings will die Bundesregierung zukünftig ausschließlich auf grünen Wasserstoff setzen.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)