PremiumDie Bundesregierung nimmt überbordende Bürokratie ins Visier. Die Wirtschaft begrüßt das, sieht aber weit aus mehr Potenzial in den Maßnahmen.
Berlin Die Bundesregierung startet einen neuen Anlauf im Kampf gegen bürokratische Lasten. Das Bundeskabinett wird an diesem Dienstag ein „Paket für Bürokratieerleichterungen“ beschließen, das Unternehmen und Bürgern zugute kommen könnte.
Die Wirtschaft lobt die Initiative, sieht aber noch Handlungsbedarf. Das „Paket für Bürokratieerleichterungen“ ist unter Federführung des Kanzleramts entstanden. Die Regierung reagiert damit zum einen auf die lautstarke Kritik aus der Wirtschaft, die angesichts der Diskussion um eine Corona-Testpflicht vor immer neuen Belastungen warnt. Zum anderen versucht sie indirekt, dem Eindruck einer alles erstickenden Bürokratie entgegenzuwirken, der auch viele Bürger in der Coronazeit beschlichen hat.
Der Katalog listet 22 Einzelmaßnahmen auf. So sollen Firmen von Berichtspflichten entlastet werden, indem zentrale Informationen von ihnen in einem Basisregister zusammengeführt werden. Dadurch müssen die Unternehmen Änderungen nicht mehr jeweils einzeln in den unterschiedlichen Datenbanken von Handelsregister, Steuerverwaltung oder Unfallversicherung hinterlegen.
Zur Identifizierung soll jedes Unternehmen eine Wirtschaftsnummer erhalten. Das entsprechende Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden, das Register ab 2024 einsatzbereit sein.
Daneben will die Bundesregierung Firmen mehr Rechtssicherheit im Umgang mit den Finanzämtern geben. So sollen Steuerpflichtige künftig innerhalb von drei Monaten eine verbindliche Auskunft zu steuerlichen Sachverhalten erhalten. In Wirtschaftskreisen erntet die Bundesregierung für diesen Punkt Lob. Man kämpfe seit Jahren für die Regelung, heißt es. Ohne diese Regelungen könnten Unsicherheiten über die Bewertung eines steuerrechtlichen Sachverhalts über Jahre fortbestehen.
Außerdem will es die Bundesregierung Start-ups erleichtern, an öffentliche Aufträge zu kommen. Junge Unternehmen kommen bei Ausschreibungen selten zum Zuge, weil die Behörden Anforderungen an Erfahrung und Referenzprojekte formulieren, die Start-ups naturgemäß kaum erfüllen können. Um junge, innovative Firmen zu stärken, soll nun laut Kabinettsbeschluss „in der Praxis und im gesetzlichen Rahmen darauf hingewirkt werden, dass öffentliche Auftraggeber keine Anforderungen stellen, die nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind“.
Um Innovationen zu erleichtern, will die Bundesregierung auch Experimentierklauseln in neuen Gesetzen verankern. Durch Ausnahmen von den geltenden Regeln will sie Testläufe wie jene zum autonomen Fahren oder zur digitalen Identifizierung von Hotelgästen beim Check-in erleichtern.
Die Bundesregierung will auch Lösungen, die sie in der Pandemie zur Vereinfachung von Verwaltungsabläufen eingesetzt hat, verstetigen. So soll das befristet geltende Planungssicherstellungsgesetz dauerhaft Bestand haben. Es ergänzt Anhörungs- und Auslegungsverfahren im Planungs- und Genehmigungsrecht um digitale Optionen.
Das „Paket für Bürokratieentlastungen“ hat allerdings den Nachteil, dass die meisten Maßnahmen nur angekündigt werden. Konkrete Umsetzungsschritte sind in vielen Fällen nicht aufgezeigt. Es sei aber ein Fortschritt, dass die Maßnahmen nun schwarz auf weiß dokumentiert seien, hieß es in Wirtschaftskreisen. Es seien die richtigen Themen gesetzt worden.
Nach Einschätzung des Nationalen Normenkontrollrats, eines unabhängigen Expertengremiums, das die Bundesregierung beim Abbau von Bürokratie berät, geben deutsche Unternehmen jährlich rund 50 Milliarden Euro allein für amtliche Statistiken, Antragsformulare oder das Ablegen von Rechnungen aus. Die Große Koalition hatte 2019 bereits das Bürokratieentlastungsgesetz III verabschiedet, das etwa die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung vorsah.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing kritisierte das neue Maßnahmenpaket: Es verliere sich „im Klein-Klein und offenbart abermals die ohnehin dürftigen Bürokratie-Abbaupläne der Bundesregierung“. Die Coronakrise habe gezeigt, wie groß das Problem der „erdrückenden Bürokratie“ sei. Nötig sei daher ein „Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft“, in dem die Maßnahmen gebündelt würden.
Aus Sicht des Familienunternehmerverbandes bleibt die Große Koalition beim Bürokratieabbau weit hinter den Möglichkeiten zurück. „Es bleibt bei lediglich zaghaften Versuchen, die Unternehmen von Informations- und Berichtspflichten zu entlasten. Daran ändern auch die neuerlichen Vorschläge nichts“, sagte Reinhard von Eben-Worlée, Präsident des Familienunternehmerverbandes.
„On top kommen zusätzliche Bürokratiepflichten im Zuge der Pandemie, beispielsweise die Begründungspflicht, warum für konkrete Mitarbeiter kein Homeoffice möglich ist, oder die geplante Einführung der Testpflicht.“ Schon das Lieferkettengesetz und das Unternehmenssanktionsrecht würden immense neue Aufzeichnungspflichten mit sich bringen.
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