Seit vergangenem Jahr steigen die Preise für einzelne Baustoffe wie Stahl, Holz oder Dämmstoffe drastisch. Scharrenbach fürchtet Mitnahmeversuche oder Preisabsprachen.
Baustelle
Schon im vergangenen Jahr waren die Baustoffpreise explodiert. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes stiegen die Preise für einzelne Baustoffe wie Holz und Stahl im Jahresdurchschnitt 2021 so stark wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949.
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Berlin Die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat das Kartellamt aufgefordert, die Preisentwicklung im Bausektor in den Fokus zu nehmen. „Wir erleben derzeit eine massive Preissteigerung im Bausektor, etwa bei einzelnen Bauprodukten wie Dämmstoffen und Baustahl“, sagte Scharrenbach dem Handelsblatt. „Da wäre es gut, wenn das Kartellamt das Ganze in den Blick nimmt. Ich habe den Eindruck, dass es an der ein oder anderen Stelle Versuche von Mitnahmeeffekten, aber auch Preisabsprachen gibt.“
Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Blick auf Benzin und Diesel das Bundeskartellamt gebeten, die Preise sehr genau zu beobachten und bei jeglichem Hinweis auf missbräuchliches Verhalten tätig zu werden.
Die steigenden Preise für Baumaterialen werden nun für Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zum Problem. Sie muss das zentrale Projekt der Bundesregierung umsetzen, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Doch das wird immer schwieriger.
Nach Daten des Statistischen Bundesamts stiegen die Preise für einzelne Baustoffe wie Holz und Stahl schon im vergangenen Jahr: im Jahresdurchschnitt 2021 so stark wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. So kosteten Betonstahlprodukte fast 53 Prozent mehr als im Vorjahr.
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2022 verteuert sich Stahl weiter. Der hessische Bauunternehmer Thomas Reimann, Chef der Alea Hoch- und Industriebau AG, berichtet: „Eine Tonne Stahl hat im Dezember noch 950 Euro gekostet, jetzt liegen wir bei 1800 Euro.“ Besonders problematisch: „Wir bekommen nur noch Tagespreise. Menge ist ausreichend vorhanden, aber mit dem Preis wird gespielt.“
Bei Dämmmaterialien seien darüber hinaus auch die Lieferkapazitäten stark eingeschränkt. „Hier beträgt der Vorlauf vier, teilweise fünf Monate – und allein 2022 gab es drei Preissteigerungen. Seit Januar sind die Preise um weitere knapp 30 Prozent gestiegen.“
Bestehende Aufträge würden noch abgearbeitet, viele neue aber auf Eis gelegt, erklärte Reimann: „Die enormen Preissteigerungen schüren Unsicherheit bei den Unternehmen und Angst bei den Endverbrauchern, die ja auch mit höheren Zinsen zu kämpfen haben.“ Für ihn steht fest: Aus den 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wird in den kommenden Jahren nichts. „Ab 2023 wird das Maximum bei 250.000 neuen Wohnungen liegen.“
Andere Bundesländer äußerten sich bislang zurückhaltend. Im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium heißt es, die Gründe für die zu beobachtenden Preissteigerungen bei einer Vielzahl von Rohstoffen und Produkten seien vielfältig. Lieferkapazitäten der Hersteller seien ohnehin begrenzt, was durch den Ukrainekrieg noch verstärkt werde. Dazu kämen fehlende Transportkapazitäten und unterbrochene Lieferketten, zum Beispiel durch Hafensperrungen, Containermangel oder den Stau von Frachtschiffen. Zudem wirkten sich hier auch die Energiekosten stark aus.
„Anhaltspunkte für kartellrechtswidrige Absprachen liegen uns jedoch nicht vor und sind uns auch von anderer Seite bislang nicht zugetragen worden“, erklärte das Ministerium. Auch das hessische Wirtschaftsministerium teilte mit: „Hinweise auf Preisabsprachen liegen nicht vor.“
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Das bayerische Bauministerium verwies auf das Bundeskartellamt, das „im Rahmen seiner Zuständigkeit die Preisentwicklungen für die betroffenen Produkte“ überwache. Tatsächlich ist das Bundeskartellamt für alle Branchen zuständig. Eine aktuelle Stellungnahme war aber nicht zu bekommen.
Der Bonner Kartellrechtler und frühere Chef der Monopolkommission Daniel Zimmer meint: „Tatsächlich gilt die Baustoffbranche als kartellanfällig, wie zahlreiche behördliche Verfahren aus den vergangenen 50 Jahren etwa gegen Zementhersteller zeigen.“
In der durch den Ukrainekrieg geprägten unsicheren Wirtschaftssituation seien die Ursachen vorgenommener Preissteigerungen aber oft schwer einzuschätzen. Ob es tatsächlich – wie von manchen vermutet – mehr Preisabsprachen zwischen Anbietern von Baustoffen gibt als zu anderen Zeiten, bliebe zu untersuchen.
Nordrhein-Westfalen
Ina Scharrenbach (CDU) ist Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung.
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Doch selbst wenn ein Hersteller heute seine Preise aufgrund der Erwartung einer baldigen Erhöhung der Inputkosten anhöbe, wäre das aus rechtlicher Sicht legitim. Zimmer erklärt: „Unzulässig wird es erst, wenn die Produzenten oder Händler solche Preissteigerungen mit ihren Konkurrenten absprechen oder abstimmen. Dass es hierzu kommt, ist nicht auszuschließen und wäre von den Kartellbehörden nachzuweisen.“
Genau diesen Fokus des Kartellamts forderte NRW-Bauministerin Scharrenbach: „Es darf nicht sein, dass Hersteller die allgemeine Lage steigender Preise für Extra-Aufschläge ausnutzen“, sagte sie. „Darunter leiden alle. Denn die gestiegenen Baukosten bekommen letztlich auch die Mieterinnen und Mieter und die Eigentümer zu spüren. Das darf nicht sein.“
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