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25.03.2022

17:00

ZDH

Auf der Suche nach einem neuen Handwerks-Präsidenten liegt ein AfD-Schatten

Von: Thomas Sigmund

PremiumIm Handwerk hat der Vorwahlkampf um die Nachfolge von Hans Peter Wollseifer begonnen. Dabei hat der ehrgeizige Dresdener Kammerpräsident Jörg Dittrich ein Problem. 

Dittrich will an die Spitze des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).  Handwerkskammer Dresden

Jörg Dittrich, Präsident der Handwerkskammer Dresden

Dittrich will an die Spitze des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). 

Berlin Bei der Handwerkskammer Dresden sitzt AfD-Chef Tino Chrupalla bei Veranstaltungen schon mal in der ersten Reihe. Bis jetzt hat das nicht mal für eine Lokalposse gereicht. Doch der Präsident der Handwerkskammer Dresden, Jörg Dittrich, will an die Spitze des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Das erfuhr das Handelsblatt aus einer Handwerkskammer.

Der ZDH ist nicht nur einer der führenden und einflussreichsten Spitzenverbände in Berlin. Er ist auch Teil des deutschen Kammersystems neben dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Jeder Handwerksbetrieb in Deutschland muss auch Mitglied in einer Handwerkskammer sein. Die rund eine Million Betriebe sind eine wirtschaftliche, aber auch eine politische Macht.

Als Nachfolger des anerkannten ZDH-Präsidenten Hans Peter Wollseifer will nun offenbar Jörg Dittrich die Geschicke des Verbands leiten. Der 52-Jährige ist Dachdecker-Meister, hat ein Fernstudium zum Diplomingenieur absolviert und wurde an der Technischen Universität Kosice in der Slowakischen Republik promoviert.

Im Dezember steht nun die Neuwahl der ZDH-Spitze an. Dittrich sondiert bereits seine Möglichkeiten, Wollseifer zu beerben. Sein Hauptargument, so hört man aus Handwerkskreisen: mehr als 30 Jahre nach dem Fall der Mauer sei es Zeit für einen Präsidenten aus dem Osten. Bislang sitzt Dittrich schon im geschäftsführenden Präsidium des ZDH. 

Doch die Personalie stößt nicht überall auf Gegenliebe. Hinter vorgehaltener Hand wird auf den unklaren Umgang der Dresdner Kammer mit der AfD hingewiesen. Parteichef Chrupalla war nicht nur bei einer Meisterfeier mit mehreren Hundert Teilnehmern zugegen, sondern gratulierte auch bei einer offiziellen Veranstaltung verdienten Handwerkern zur Übergabe des goldenen Meisterbriefs. Damit schaffte er es inklusive Foto in das Branchenblatt.

Der gelernte Malermeister bezeichnet die AfD ger ne als Partei des deutschen Handwerks. Reuters

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla

Der gelernte Malermeister bezeichnet die AfD gerne als Partei des deutschen Handwerks.

Die sächsischen AfD-Politiker nutzen die Teilnahme an solchen Meisterfeiern gerne zur eigenen Pressearbeit. Chrupalla, selbst gelernter Malermeister, bezeichnet die AfD auch gerne als Partei des deutschen Handwerks.

Während der Verfassungsschutz per Gerichtsurteil seit Kurzem die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen darf, spricht die Handwerkskammer Dresden auf Nachfrage des Handelsblatts im Zusammenhang mit der AfD immer noch von einem „äquidistanten Kontakt zu allen demokratisch gewählten Parteien in den Parlamenten“.

Mitarbeiter der Handelskammer Dresden nahm auf AfD-Wunsch an Anhörung teil

Auf Kopfschütteln in Handwerkskreisen stieß auch eine Begebenheit auf Bundesebene. An der wichtigen Expertenanhörung im Bundestag über die Rückkehr zur Meisterpflicht etwa bei den Fliesenlegern nahm ein Mitarbeiter der Handwerksammer Dresden auf ausdrücklichen Wunsch der AfD teil.

Offenbar war den Führungskräften der Kammer in Dresden die heikle Mission aber durchaus bewusst. Dittrich vermied es, selbst bei der Anhörung aufzutauchen oder seinen Hauptgeschäftsführer zu schicken.

Die Handwerkskammer sieht das weniger dramatisch: „Die Vollversammlung der Handwerkskammer Dresden setzt sich für die Ausweitung der Meisterpflicht ein und ist dem Wunsch einer im Bundestag und im sächsischen Landtag vertretenen Partei nachgekommen, im Rahmen der Expertenanhörung im Deutschen Bundestag einen Mitarbeiter als neutralen Sachverständigen zu entsenden“, erklärt die Kammer auf Nachfrage des Handelsblatts. In diesem Fall sei es ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung gewesen.

Jörg Dittrich ist derweil für seine drastischen Formulierungen bekannt. So spricht er schon mal über die Lohnsklaven für VW, wenn es um das Handwerk und auch die Digitalisierung geht. In Handwerkskreisen wird bezweifelt, dass dieser konfrontative Stil auf Bundesebene erfolgreich sein kann.

Wollseifers größter Erfolg war die sogenannte „Rückvermeisterung“, bei der nun zwölf Gewerke wieder der Meisterpflicht unterliegen. Das war nur möglich, weil Wollseifer und sein Hauptgeschäftsführer Holger Schwannecke zu allen demokratischen politischen Lagern ein vertrauenswürdiges Verhältnis haben.

Im Dezember steht nun die Neuwahl der ZDH-Spitze an. dpa

Hans Peter Wollseifer

Im Dezember steht nun die Neuwahl der ZDH-Spitze an.

Der ZDH bindet die AfD nicht ein, im Unterschied zur Handwerkskammer Dresden. Dittrich, der auf Vorschlag der CDU an der letzten Bundesversammlung teilnahm, vermeidet zwar selbst eine zu große öffentliche Nähe zur AfD. Aber schon der Eindruck großer Nähe zur AfD sei fatal, heißt es in Handwerkskreisen. In Berlin gingen die Uhren anders als in Dresden.

Auf Nachfragen des Handelsblatts, ob ZDH-Präsident Wollseifer die Kandidatur von Dittrich unterstützt, wollte sich der Verband nicht äußern. Auch den Umgang der Handwerkskammer Dresden mit der AfD wollte der ZDH nicht kommentieren.  

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