Der Bund sieht die Länder am Zug, einen Finanzierungsplan für ein neues Rabattticket im Nahverkehr vorzulegen. Die Branche steht vor weit größeren Problemen.
Berlin Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will nach den Erfahrungen mit dem Neun-Euro-Ticket den öffentlichen Personennahverkehr grundlegend modernisieren. „Die Menschen haben über den Kauf des Tickets darüber abgestimmt, dass es so nicht bleiben soll“, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Zugleich stellte er in Aussicht, dass sich der Bund an einem neuen Ticket beteiligt. Er habe Finanzminister und Parteifreund Christian Lindner davon überzeugt, „dass es ein weiteres, modernes Ticket geben muss“. Es dürfe „keinen Rückfall in die alten Tarifstrukturen geben“. Er wolle zunächst aber über „Inhalte und Strukturen“ reden.
Der Bund hat für die dreimonatige Rabattaktion, die am Mittwoch endet, 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt, um den Verkehrsunternehmen die Einnahmeausfälle zu erstatten. Bereits Anfang des Monats hatte ein Sprecher Wissings dem Handelsblatt bestätigt, dass der Minister bereit sei, sich an einem neuen Ticket finanziell zu beteiligen – wenn sich die Koalition darauf verständige und auch die Länder ihren Beitrag leisteten.
Wie es im Ministerium hieß, liegt der Ball nun wieder bei den Bundesländern. Deren Verkehrsminister hatten vergangene Woche den Bund aufgefordert, ein Konzept für eine Nachfolgeregelung vorzulegen. Bundesfinanzminister Lindner erklärte am Mittwoch, mit einem Bruchteil der Finanzmittel des Neun-Euro-Tickets lasse sich ein bundesweit gültiges Digitalticket realisieren. „Jetzt sind die Länder dran. Wenn die Finanzierungsfrage klar ist, kann der Preis festgelegt werden.“
Die Länder indes fordern angesichts der dramatisch gestiegenen Energiekosten sowie der Kosten für Personal und Material mehr Geld vom Bund. So appellierte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Senatorin Maike Schaefer, an den Bund, „seiner Verantwortung nachzukommen“.
Der Bund solle die jährlichen Regionalisierungsmittel, mit denen die Länder den Nahverkehr finanzieren, von derzeit rund zehn Milliarden Euro für 2022 und 2023 um jeweils 1,65 Milliarden Euro erhöhen. Darüber hinaus verlangen sie dauerhaft jährlich 1,5 Milliarden Euro mehr, um bis 2030 doppelt so viele Menschen wir bisher zu transportieren, wie der Bund als Ziel ausgegeben hat.
Wissing hingegen pocht auf Reformen, bevor es mehr Geld gibt. „Wir brauchen eine bessere Tarifstruktur“, forderte er am Mittwoch, ebenso weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung. So sind einige Verkehrsunternehmen noch nicht in der Lage, ihre Tickets online zu verkaufen.
Dies war ein Grund, weshalb sich Wissing vor Einführung des Neun-Euro-Tickets nicht mit seiner Forderung durchsetzen konnte, das Ticket allein digital zu vertreiben. Zudem war dies auch rechtlich problematisch, da immer auch der Verkauf gegen Bargeld möglich sein muss. Wissing verwies darauf, dass allein der Ticketvertrieb die Unternehmen zwei Milliarden Euro im Jahr koste.
Die Branche warnt bereits, dass die Tarife bald schon um bis zu 20 Prozent steigen könnten und es in einzelnen Regionen bis zu 30 Prozent weniger Angebote geben könnte. „Bund und Länder sollten aufhören, die Verantwortung hin und her zu schieben. Wir brauchen jetzt schnell eine Entscheidung, damit es nicht zu Abbestellungen und steigenden Ticketpreisen kommt, die den Nahverkehr wieder für viele Menschen unattraktiv machen“, warnte Frank Zerban, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Schienennahverkehr.
Dies sieht auch der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, Richard Lutz, so: „Unsere Infrastruktur kommt gerade auf Engpassstrecken und an überlasteten Knotenpunkten an ihre Grenzen.“ Die Bahn hat nach eigenen Angaben 26 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft und musste auf mehreren Strecken Extrazüge einsetzen und auch mehr Personal. Lutz verwies „bei aller berechtigen Begeisterung“ für die Rabattaktion darauf, „dass die Inflation alles drastisch verteuert und diese negativen Auswirkungen auf die Investitionen in die Schiene noch gar nicht im Bundeshaushalt abgebildet sind“.
Eine Nachfolgelösung hält er nur unter einer Bedingung für nachhaltig: So solle der Bund „für jeden Euro, der in ein Nachfolge-Ticket fließt, mindestens einen Euro in die Verbesserung des Angebots und den Ausbau der Infrastruktur“ investieren.
Dies ist allerdings nicht in Sicht, im Gegenteil. Der Bundesetat 2023 sieht weniger Geld vor als zuletzt. Entsprechend tobt schon jetzt ein Verteilungskampf. So hat laut Bundesverkehrsministerium allein die vom Niedrigwasser gebeutelte Binnenschifffahrt „einen Mehrbedarf von rund 360 Millionen Euro“ angemeldet.
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Kommentare (2)
Account gelöscht!
31.08.2022, 17:49 Uhr
Eigentlich...
könnte man ein 25 € Ticket machen, das würde die ganzen Berufspendler entlasten, und auch die Schüler; und würde ganz sicher mehr Menschen in den ÖPNV locken. Im Gegenzug zB. die Pendlerpauschale umgestalten oder ganz weg machen. Die Tagestouristen würde dieser Preis zT weg halten.
Dazu müsste man flankierend den ÖPNV, speziell auf dem Land, ausbauen. Das wäre allerdings ein längerfristiges Projekt.
Kommt darauf an, was man politisch will. Und, ob man bereit ist, für sinnvolle politische Ziele auch mal Geld in die Hand zu nehmen, und nicht ständig rumzujammern, was wieviel vielzuviel kostet.
Aber in D streitet man sich lieber, wer was bezahlt, anstatt einfach mal was anzupacken.