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27.06.2022

18:24

Elektromobilität

Kupferdiebstahl bei Ladestationen für E-Autos greift auch in Deutschland um sich

Von: Claudia Scholz

Ladekabel werden abgeschnitten, Kupfer von Ladeparks entwendet. Das Risiko könnte für Ladesäulenbetreiber durch das „Deutschlandnetz“ noch steigen.

Ladesäulenbetreiber in Deutschland werden Opfer von Kabeldiebstählen. Der Schaden ist um ein Vielfaches höher als der Wert des erbeuteten Diebesguts. dpa

Ladekabel an einer Ladesäule in Hannover

Ladesäulenbetreiber in Deutschland werden Opfer von Kabeldiebstählen. Der Schaden ist um ein Vielfaches höher als der Wert des erbeuteten Diebesguts.

Düsseldorf Gleich zweimal hintereinander suchten Diebe die Baustelle von Norddeutschlands größtem Ladepark heim. Dort, wo in Hannover-List gerade der Energieversorger Enercity Ladeplätze für 90 Elektroautos baut, stahlen Unbekannte vom 16. bis 18. Mai etwa 150 Meter kupferhaltiges Energiekabel.

Nur vier Tage später drückten unbekannte Täter einen Zaun zur gleichen Baustelle auf und schnitten sich knapp 50 Meter Kupferkabel zum Diebstahl zurecht. Dabei wurden sie zwar vom Sicherheitspersonal gestört – das Kabel aber wurde durch das Zerschneiden unbrauchbar. Für die Polizei Hannover sind es zwei Fälle von besonders schwerem Diebstahl auf Baustellen. Sie gibt den Schaden mit insgesamt rund 8000 Euro an. Enercity bestätigt den Vorfall.

Besonders viel Kupfer in Ladeparks mit vielen Ladesäulen benötigt

Ladeparks mit mehreren Ladesäulen, wie sie etwa im Rahmen des „Deutschlandnetzes“ an 1000 Standorten aufgebaut werden, benötigen besonders viel Kupfer. Das könnte zum Risiko für die künftigen Baustellen werden. Für einen Ladepark, der durchschnittlich sechs bis acht Elektroautos mit Strom versorgen kann, werden mehr als fünf Tonnen Kupfer für die Kabelwege benötigt.

Die Kabel verteilen den Strom von der Mittelspannungsstation zu den Ladesäulen. Die großen Mengen Kupfer werden auch deswegen benötigt, weil der Bund für die Standorte des Deutschlandnetzes einen Gleichzeitigkeitsfaktor von eins vorschreibt. Das bedeutet, dass im Parallelbetrieb für jedes Elektroauto 200 Kilowatt Leistung bereitstehen müssen, unabhängig davon, ob das Auto die Leistung technisch auch aufnehmen kann.

Teure Sicherheitsmaßnahmen während der Bauphase, wenn die Kupferkabel meist noch nicht unter Spannung stehen, und danach könnten die Folge für Betreiber sein. Aber auch nach Inbetriebnahme sind Ladeparks gefährdet, denn anders als klassische Tankstellen sehen die Stromtankstellen üblicherweise kein Personal vor Ort vor.

EnBW, TankE und Tesla von Kupferklau an Ladestationen betroffen

Auch andere Ladesäulenbetreiber wie EnBW sind schon Opfer von Kupferklau geworden: Ihnen wurde das wichtigste Zubehör der Ladesäule – das Ladekabel – gestohlen. Dieses enthält Kupferdrähte als Strom leitendes Material. So schnitten Kriminelle an einer EnBW-Ladestation in der Nähe von Köln zwei Ladekabel ab, übrig blieben nur noch Stümpfe.

Das Gleiche passierte TankE, einem Tochterunternehmen des Energieversorgers Rheinenergie: TankE verzeichnete sowohl bei eigenen Ladestationen als auch bei Säulen, die Kunden installiert hatten, mehrere Diebstähle. „Es kommt immer häufiger vor, dass Ladekabel von Schnellladern abgeschnitten und entwendet werden“, schreibt das Unternehmen.

Im Nachbarland, den Niederlanden, kam es zu Dutzenden Diebstählen, wie Zahlen der Polizei Amsterdam zeigen. Besonders die Ladestationen des US-Autobauers Tesla sind betroffen. Von Juni bis Dezember 2020 gab es zwischen 50 und 70 Meldungen über Kabeldiebstähle an Tesla-Ladestationen.

„Dieses Phänomen ist immer noch da und hat unsere große Aufmerksamkeit in unseren Briefings für die Kollegen auf der Straße“, heißt es von der Polizei Amsterdam. Vermutlich seien die Tesla-Ladekabel wegen des enthaltenen Kupfers gestohlen worden. „Wir können nicht sagen, ob Banden hinter diesen Diebstählen stecken. Einfach weil zu wenige Verhaftungen vorgenommen wurden.“

Grafik

Das Ersetzen der Kabel ist sehr teuer

Der Schaden geht für die Unternehmen über den reinen Hardwarepreis der einzelnen Kabel hinaus. Pro Kabel wird in der Regel ein unterer vierstelliger Betrag fällig, teilt EnBW mit. Hinzu kommen etwa die Montagekosten sowie die Kosten eines weiteren Termins, um die Station eichrechtlich instand zu setzen. Hier müsse Personal des Herstellers eingesetzt werden, um die Anlage nach dem Tausch wieder komplett zu vermessen, ein Protokoll anzufertigen und den Vorgang zu dokumentieren.

Vom Ladesäulenhersteller Alpitronic, dem Marktführer in Deutschland, heißt es: „Leider ist der Schaden für den Betreiber um ein Vielfaches höher als das erbeutete Diebesgut. Es stehen der Ausfall der Ladesäule, ein Serviceeinsatz und der Austausch des Ladekabels (über 2000 Euro) den rund acht Kilogramm Kupfer mit einem Gegenwert von etwa 50 Euro gegenüber.“ Alpitronic berichtet von drei Kabeldiebstählen, die sich jüngst alle in Deutschland ereigneten.

Das wichtigste Zubehör der Ladesäule – das Ladekabel – enthält Kupfer als Strom leitendes Material. dpa

E-Auto lädt an Ladestation

Das wichtigste Zubehör der Ladesäule – das Ladekabel – enthält Kupfer als Strom leitendes Material.

Buntmetalldiebstahl korreliert mit Metallpreisen auf dem Weltmarkt

Der Buntmetalldiebstahl an sich ist ein seit vielen Jahren bekanntes Phänomen, analysiert das Bundeskriminalamt. „Hierfür kommen diverse Tatobjekte und Vorgehensarten infrage, zum Beispiel Signalkabeldiebstähle, Firmeneinbrüche oder Metalldiebstähle auf Baustellen.“ Zudem habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass das Ausmaß des Phänomens grundsätzlich mit den auf dem Weltmarkt vorherrschenden Metallpreisen korreliere.

Der Kupferpreis ist seit 2020 stark angestiegen. Nach dem Rekordhoch im Mai 2021 von 10.724,50 US-Dollar je Tonne Kupfer (umgerechnet 10.210 Euro) werden derzeit 8995 Dollar (8560 Euro) für eine Tonne aufgerufen. Kupferkabel werden deutlich geringer vergütet. Hier liegt der Preis bei etwa 5,70 Euro pro Kilogramm, wenn der Kupferanteil am Gesamtgewicht bei 70 Prozent liegt.

In den Niederlanden wurden Dutzende Ladekabel gestohlen. Besonders die Ladestationen des US-Autobauers Tesla sind betroffen. Bloomberg

Tesla-Ladestationen

In den Niederlanden wurden Dutzende Ladekabel gestohlen. Besonders die Ladestationen des US-Autobauers Tesla sind betroffen.

Das Bundeskriminalamt veröffentlicht jährlich die Polizeiliche Kriminalstatistik. Eine gesonderte Auswertung nach Diebstahl an Ladesäulen oder Buntmetalldiebstahl findet sich darin jedoch nicht.

Das Landeskriminalamt (LKA) Bayern berichtet beispielsweise von weniger als 50 Angriffen auf Ladesäulen zwischen 2020 und Juni 2022. In den meisten Fällen wurden die Ladekabel herausgerissen, nur vereinzelt wurden auch Ladestationen aus der Verankerung geholt, in weniger als fünf Fällen wurden die Kabel abgeschnitten. Es entstand insgesamt ein Sachschaden von mehr als 100.000 Euro.

Landeskriminalamt Niedersachsen spricht von Einzelfällen

Das LKA Niedersachsen hat für die Jahre 2020, 2021 und 2022 Fallzahlen im einstelligen Bereich. „Die alleinige Betrachtung dieser Fallzahlen deutet auf Einzelfälle hin.“ Bei den ermittelten Tatverdächtigen handele es sich überwiegend um Einzelpersonen, die in örtlicher Nähe zum Tatort wohnen.

Ladeparks benötigen besonders viel Kupfer für die Kabelwege, um den Strom von der Trafostation zur Schnellladesäule zu bringen. Das könnte zum Risiko für die Baustellen werden. Claudia Scholz/Handelsblatt

EnBW-Ladepark

Ladeparks benötigen besonders viel Kupfer für die Kabelwege, um den Strom von der Trafostation zur Schnellladesäule zu bringen. Das könnte zum Risiko für die Baustellen werden.

Das LKA Nordrhein-Westfalen empfiehlt insbesondere an Ladeparks die Installation eines Videoüberwachungssystems. Auch der Einsatz von Bewegungsmeldern sowie privater Wach- und Sicherheitsdienste sei denkbar, um die Ladesäulen in Ladeparks insbesondere in der Nacht dauerhaft oder zumindest zeitweise zu überwachen.

EnBW beispielsweise setze bereits während des Baus von Ladeparks standardmäßig auf Baustellenüberwachung, teilt der Konzern mit. Im Betrieb stehen diese Kabel unter Spannung und sind dann weniger leicht zu erbeuten.

Erstpublikation: 22.06.22, 13:11 Uhr.

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