Der noch amtierende Präsident umgeht die Amtsübergabe und juristische Risiken mit einer Ausreise nach Amerika. Derweil startet Bundespräsident Steinmeier in Richtung Brasilien.
Das Flugzeug des noch amtierenden brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro
Zum Lulas Amtsantritt am Sonntag endet die juristische Immunität von Bolsonaro.
Bild: Reuters
Brasilia Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat bereits zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit das Land verlassen. In einer Regierungsmaschine flog er am Freitag nach Orlando im US-Bundesstaat Florida. Dort quartierte er sich in einem Haus des früheren brasilianischen Kampfsportlers José Aldo in einer geschlossenen Wohnanlage ein, wie die Zeitung „Folha de S. Paulo“, am Samstag berichtete.
Bolsonaros Amtszeit endet an Neujahr, dann wird sein linker Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva vereidigt. Zuletzt hatte sich bereits abgezeichnet, dass der rechte Staatschef entgegen den Gepflogenheiten nicht an der Amtsübergabe teilnehmen würde.
Rund 30 Brasilianer empfingen den Staatschef in Orlando und skandierten „Mythos, Mythos“ – eine populäre Bezeichnung für Bolsonaro unter seinen Anhängern. Der brasilianische Staatschef grüßte seine Unterstützer kurz und zog sich dann in das Haus zurück.
Seine Mitarbeiter, die ihm auch nach dem Ende seiner Amtszeit zustehen und mit Steuergeld bezahlt werden, ließen sich für den gesamten Januar eine Reise in die Vereinigten Staaten genehmigen. Bolsonaro wurde von seiner Ehefrau Michelle und der gemeinsamen 12-jährigen Tochter Laura begleitet. In Florida wollte er auch seine beiden erwachsenen Söhne Flavio und Carlos treffen.
Was genau hinter Bolsonaros Reise in die USA steckte, war zunächst unklar. Einem Bericht des Nachrichtenportals G1 zufolge sollen seine Anwälte dem Präsidenten geraten haben, Brasilien noch vor Ablauf der Amtszeit zu verlassen. Offenbar fürchteten sie, der Staatschef könnte für die teils gewaltsamen Proteste seiner Anhänger nach Lulas Wahlsieg verantwortlich gemacht werden.
Seit seiner Wahlniederlage Ende Oktober war Bolsonaro kaum noch in Erscheinung getreten. Am Freitag verabschiedete er sich mit einer Videobotschaft bereits von seinen Anhängern. Dabei zog er eine positive Bilanz seiner Amtszeit: Er habe die Wirtschaft angekurbelt, das Waffenrecht liberalisiert und die Kraftstoffpreise gesenkt, sagte Bolsonaro. „Werde ich sagen, dass ich der beste Präsident der Welt war? Das werde ich nicht. Aber ich habe mein Blut gegeben.“
Den Wahlsieg seines Kontrahenten Lula hat Bolsonaro bislang nicht ausdrücklich anerkannt. Lulas Regierung sei jetzt schon „kaputt“, sagte Bolsonaro in der Videobotschaft. Sein Nachfolger werde Schwierigkeiten mit dem nun konservativeren Parlament bekommen und Teile der Bevölkerung, die für Lula gestimmt haben, bereuten dies bereits.
Ausschreitungen in Brasilien
Radikale Anhänger des abgewählten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben versucht, in das Gebäude der Bundespolizei in der Hauptstadt Brasília einzudringen.
Bild: dpa
Zuletzt hatten radikale Bolsonaro-Anhänger vor Kasernen kampiert und ein Vorgehen des Militärs gegen die Regierung des künftigen Präsidenten gefordert. Bolsonaro sagte in seiner Ansprache, er habe nichts damit zu tun. Außerdem verurteilte er einen gescheiterten Sprengstoffanschlag eines seiner Sympathisanten als terroristischen Akt.
Vizepräsident Hamilton Mourão sagte dem Nachrichtenportal G1, er werde die Regierungsgeschäfte übernehmen, sobald Bolsonaro das Land verlassen habe. „Ich trete mein Amt an, sobald Bolsonaros Flugzeug den brasilianischen Luftraum verlässt. Bis zum Amtsantritt von Präsident Lula wird alles friedlich und ruhig im Lande sein“, sagte Mourão.
Aber auch er werde die Präsidentenschärpe am Sonntag nicht an Lula übergeben. Das stehe nur Bolsonaro zu, der sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht in Brasilien aufhalten werde.
Während Bolsonaro nach Amerika ausreist, startet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Richtung Brasilien. Steinmeier hatte dem neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vor dessen Amtseinführung deutsche Unterstützung zugesagt.
„Mein Besuch soll einen Impuls geben für den Neustart der bilateralen Beziehungen unserer beiden Staaten“, sagte Steinmeier am Samstag in Berlin vor dem Abflug. Der Besuch solle auch einen Impuls geben „für unser gemeinsames Ziel, den Amazonas-Regenwald, die grüne Lunge unserer Welt, vor der Abholzung zu schützen“.
Nicht nur Brasilien ist gefordert, wir alle stehen in der Verantwortung, das Klima und unsere Umwelt zu schützen und die Artenvielfalt auf unserem Planeten zu erhalten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Steinmeier appellierte an die Weltgemeinschaft: „Nicht nur Brasilien ist gefordert, wir alle stehen in der Verantwortung, das Klima und unsere Umwelt zu schützen und die Artenvielfalt auf unserem Planeten zu erhalten.“
Der Bundespräsident wird an diesem Sonntag in der Hauptstadt Brasília an Lulas Amtseinführung teilnehmen. Er will damit das Zeichen setzen, dass Deutschland Brasilien als wichtigen strategischen Partner ansieht – politisch wie wirtschaftlich. Die bilateralen Beziehungen hatten in den vier Amtsjahren des Ende Oktober abgewählten rechten Präsidenten Jair Bolsonaro gelitten.
Eine wieder stärkere Bindung zu Brasilien und anderen Staaten Lateinamerikas ist auch Teil der Bemühungen Deutschlands, sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine international breiter aufzustellen. Alte Bündnisse sollen reaktiviert und neue geknüpft werden.
Bundespräsident Steinmeier reist nach Brasilien
Steinmeier hatte dem neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vor seinem Abflug deutsche Unterstützung zugesagt.
Bild: dpa
Am Rande der Amtseinführung will Steinmeier dazu auch bilaterale Gespräche führen, in der Planung ist unter anderem ein Treffen mit dem chilenischen Präsidenten Gabriel Boric (36). Der einstige Studentenführer war vor einem Jahr zum jüngsten Staatschef in der Geschichte seines Landes gewählt worden.
Er freue sich, Lula persönlich zu seiner Amtseinführung gratulieren zu können, sagte Steinmeier vor dem Abflug. „Wir werden uns zu seinen Zielen für die Präsidentschaft und zu bilateralen Fragen austauschen. Die Bundesrepublik steht bereit, den neuen Präsidenten bei seinen ambitionierten Plänen zum Schutz des Regenwaldes bestmöglich zu unterstützen.“
In der Amtszeit von Bolsonaro hatte die Abholzung des Regenwaldes stark zugenommen. Die Bundesregierung hatte deshalb den deutschen Beitrag für den „Amazonienfonds“ für Wald- und Klimaschutz von 55 Millionen Euro auf Eis gelegt. Unmittelbar nach Lulas Wahlsieg kündigte sie an, die Gelder wieder freizugeben.
Der Regenwald ist für das Weltklima von enormer Bedeutung. Der Bundespräsident wird bei seiner Reise von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begleitet. Beide werden an diesem Montag die Forschungsstation ATTO im
Der Amazonas-Regenwald
In der Amtszeit von Bolsonaro hatte die Abholzung des Regenwaldes stark zugenommen.
Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Regenwald sowie das Monitoringzentrum für Entwaldung in Manaus besuchen. Die Station wird gemeinsam von deutschen und brasilianischen Wissenschaftlern betrieben. Sie gehen den komplizierten Wechselwirkungen zwischen Regenwald und Klima auf den Grund.
Steinmeier kommt in ein Land, das sich nach dem Tod der Fußballerlegende Pelé in dreitägiger Staatstrauer befindet. Vor dem Abflug drückte er den Brasilianerinnen und Brasilianern sein tief empfundenes Beileid aus. „Pelé hat Millionen Menschen, nicht nur in der Fußballwelt, begeistert und dreimal die WM mit der Nationalmannschaft gewonnen. Brasilien nimmt Abschied von einem großen Sohn des Landes.“
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