Abgesagte Messen, leere Hotelbetten und besorgte Firmen: Die Schweiz gilt zwar als Garant für Stabilität, doch das Coronavirus schürt Rezessionsängste.
Zürich Während in Deutschland noch diskutiert wird, schafft die Schweiz schon Fakten: Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, hat die Regierung des Landes sämtliche Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten. Das Verbot betrifft den Genfer Autosalon, auch die Basler Uhrenmesse wurde abgesagt.
Und nicht nur das: Fußballspiele der Schweizer Super League fallen aus, Eishockeymatches finden nur noch vor leeren Rängen hat. Auch der Engadiner Skimarathon, Konzerte und sogar die Basler Fastnacht sind betroffen. Dass das Veranstaltungsverbot wirtschaftliche Folgen haben wird, weiß auch die Schweizer Regierung. Aber: „Oberste Priorität hat die Gesundheit der Bevölkerung“, erklärte der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset am Freitag.
Wie viel die Maßnahmen gegen das Coronavirus die Eidgenossenschaft am Ende kosten werden, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Aber schon jetzt steht fest: Obwohl die Schweiz als Hort der Stabilität gilt und von Investoren als sicherer Hafen gesehen wird, ist die Eidgenossenschaft gegen die Folgen der Corona-Epidemie nicht immun.
Die Ökonomen der Schweizer UBS warnen: „Weniger chinesische Touristen, weniger Nachfrage nach Schweizer Uhren, ein Unterbruch der asiatischen Wertschöpfungsketten, größere konjunkturelle Unsicherheit und möglicherweise weitere Frankenstärke können das Wachstum belasten.“
Dabei ist die Zahl der Corona-Fälle in der Schweiz bislang noch überschaubar: Bis Freitagmittag wurden 12 Personen positiv getestet, in allen Fällen fand die Ansteckung im Ausland statt. So wollen die Schweizer mit dem Veranstaltungsverbot auch in erster Linie vermeiden, dass Gäste aus dem Ausland die Krankheit in der Schweiz verbreiten.
Doch die Maßnahmen fordern ihren Tribut. Deutlich wird das nun etwa in Genf. Autohersteller aus aller Welt hatten ihre Stände hier bereits so gut wie fertig aufgebaut, als der berühmte Autosalon nun doch abgeblasen wurde.
Damit entgehen Messe und der Region nun insgesamt wohl rund 600.000 Besucher. „Wir bedauern diese Situation, aber die Gesundheit aller Beteiligten ist für uns und unsere Aussteller absolute Priorität“, sagte Autosalon-Chef Maurice Turrettini. „Die finanziellen Konsequenzen für alle Betroffenen sind signifikant und müssen in den kommenden Wochen bewertet werden“, heißt es aus Genf. Die bereits bezahlten Tickets sollen aber zurückerstattet werden.
Auch die Uhrenmesse Baselworld wurde am Freitag abgesagt. Dabei kämpft der Messebetreiber MCH eigentlich schon mit genug Problemen: Wichtige Aussteller waren der Veranstaltung zuletzt ferngeblieben, die Besucherzahl geht seit Jahren zurück. Da tröstet wenig, dass es auch die Konkurrenzveranstaltung aus Genf trifft: Der Westschweizer Uhrensalon „Watches and Wonders“ (früher: „SIHH“) wird auf Eis gelegt.
Nicht nur den Messeveranstaltern drohen finanzielle Schäden. Auch für die teilnehmenden Firmen, Caterer und Hoteliers könnten die Absagen teuer werden. Ob und in welchem Umfang Versicherungen für die Last-Minute-Absage aufkommen, blieb am Freitag zunächst offen.
Dabei machte das Coronavirus der Schweizer Tourismusbranche ohnehin schon zu schaffen. Denn seit Wochen fehlt den Hoteliers ein wichtiger Kundenstamm: Viele Gäste aus China bleiben lieber zuhause. Auch Touristen aus anderen Ländern zeigen sich zunehmend vorsichtiger.
Uhrenkonzerne und Luxusgüterhersteller trifft die Epidemie damit gleich doppelt: In der Schweiz fehlt die zahlungskräftige Kundschaft aus dem Ausland, und auch auf dem wichtigsten chinesischen Markt sinkt die Nachfrage. So haben die Aktien von Swatch seit Jahresauftakt um rund 18 Prozent an Wert verloren, für den Luxuskonzern Richemont ging es um 15 Prozent bergab.
Auch für Schweizer Großkonzerne wie Roche, Novartis oder ABB hat das Coronavirus schon jetzt Folgen. Der Nahrungsmittelhersteller Nestlé hat etwa sämtliche Geschäftsreisen abgesagt. Eine der Hauptsorgen der Unternehmen ist jedoch, dass die internationalen Lieferketten unterbrochen werden könnten, zeigt eine Umfrage des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse. Die Firmen rechnen dabei mit mehr Lieferverzögerungen, je länger die Krise andauern wird.
Schon jetzt ist von Lieferengpässen in manchen Branchen die Rede, etwa bei Elektronik, in der Kunststoffherstellung oder bei seltenen Erden. Zugleich beklagen die Firmen eine sinkende Nachfrage aus China. Der mögliche Schaden lässt sich bislang aber kaum beziffern: „Insgesamt können noch keine Schätzungen über die monetären Folgen für die Schweizer Unternehmen gemacht werden“, so Economiesuisse.
Zu den direkten Folgen des Coronavirus für die Schweizer Wirtschaft kommt der Währungseffekt: Der Schweizer Franken gilt in unruhigen Zeiten als sicherer Hafen. Seit dem Ausbruch des Coronavirus hat der Franken deshalb kräftig aufgewertet. Er ist so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Das macht Produkte aus der Schweiz im Ausland noch teurer – und wird zum Risiko für die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank, die für stabile Preise sorgen soll.
Das wohl größte Risiko für die Wirtschaft der Schweiz lauert jedoch auf der anderen Seite der Grenze, es lässt sich auch mit einem Veranstaltungsverbot nicht ausräumen: Die Wirtschaft der Eidgenossenschaft ist eng mit den Nachbarländern verknüpft, und rund 60 Prozent der Exporte entfallen auf die Mitgliedsländer der Europäischen Union und Großbritannien.
Wenn die europäischen Nachbarn die Lage nicht in den Griff bekommen, träfe das auch die Schweizer Wirtschaft hart. Noch gehen etwa die Ökonomen der Großbank UBS von einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent in 2020 aus. Doch sollte die Wirtschaft auch bei den europäischen Nachbarn eingeschränkt werden, könne das noch schlimmere Folgen haben: „Eine Rezession in der Schweiz wäre dann durchaus möglich.“
Mehr: Das Coronavirus breitet sich auch in Deutschland immer stärker aus. Das Robert-Koch-Institut warnt vor Panik.
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