US-Präsident Biden steht vor der größten Herausforderung seiner Präsidentschaft. Der Streit um höhere Steuern gefährdet das Billionen-Paket, das den USA die grüne Energiewende bringen soll.
Joe Biden
Mit seinen Steuererhöhungsplänen gerät der US-Präsident erstmals unter Druck – und zwar von Links und Rechts.
Bild: Reuters
Washington In dieser Woche will US-Präsident Joe Biden den nächsten Aufschlag für seine Wirtschaftsagenda vorstellen. Den Schauplatz, den sich das Weiße Haus dafür ausgesucht hat, ist kein Zufall: Biden reist nach Pittsburgh in den Bundesstaat Pennsylvania. Ex-Präsident Donald Trump war dort dutzendfach aufgetreten und hatte um die Stimmen der „vergessenen Menschen“ geworben, die im Zuge des Strukturwandels ihren Job verloren hatten.
Für Biden und seine Demokraten hingegen steht Pittsburgh für Innovation und die Chance eines neuen, nachhaltigen Amerikas. Jetzt wird die Stadt Kulisse für den Startschuss des Projekts, das Bidens Präsidentschaft definieren wird. Gleichzeitig ist es das Projekt mit den größten Hürden.
Denn während das 1,9 Billionen schwere Konjunkturpaket von Anfang März ausschließlich mit Schulden finanziert wurde, sollen für Bidens nächste Reform zum ersten Mal die Steuern erhöht werden. „Ich möchte einen Paradigmenwechsel“, kündigte Biden vor einigen Tagen an. „Wir müssen Arbeit belohnen, nicht Reichtum.“
Die Details des neuen Pakets stehen noch nicht fest, doch Biden kämpft bereits gegen Widerstände von allen Seiten: Republikaner und moderate Demokraten prangern Verschuldung und Steuerbelastung an, während dem linken Lager Bidens Pläne nicht weit genug gehen.
Der Stimulus aus dem März könnte den USA das schnellste Wachstum seit den 1980er-Jahren bescheren, sagen Wirtschaftsinstitute voraus. Auf dieser Welle des Aufschwungs will Biden weitere Ziele umsetzen. Der neue Stimulus, den die US-Regierung anvisiert, soll laut US-Medien in zwei Schüben umgesetzt werden. Er könnte zwischen zwei und fünf Billionen US-Dollar kosten.
Der erste Teil konzentriert sich auf Infrastruktur, gekoppelt mit einer grünen Energiewende. Profitieren sollen Straßen, Brücken, Schienen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, energieeffizientes Wohnen, Stromnetze und Breitband.
Es wäre das erste Mal, dass die USA den Klimawandel als Kern einer Wirtschaftsreform priorisieren. Der zweite Teil soll die gesellschaftliche Ungleichheit abfedern. Elternzeit und ein dauerhaftes Kindergeld sollen bezahlt werden, ein Novum in den USA. Dazu kommen gebührenfreie staatliche Universitäten und Vorschulen.
Es ist ein breites Portfolio, das Biden auf einen Schlag abdecken will. Offenbar ist man im Weißen Haus darauf bedacht, die Öffentlichkeit für den Moment nicht überfordern zu wollen. Der US-Präsident wolle sich in Pittsburgh vor allem auf die Probleme in der Infrastruktur konzentrieren, so Sprecherin Jen Psaki.
Dieses Thema, so das Kalkül, werde am ehesten überparteilich unterstützt, denn der schlechte Zustand amerikanischer Straßen, Brücken und Wassersysteme ist berüchtigt. Das Weltwirtschaftsforum sieht die Qualität der US-Infrastruktur weltweit auf Platz 13.
Joe Biden
Der US-Präsident wolle sich in Pittsburgh vor allem auf die Probleme in der Infrastruktur konzentrieren, heißt es.
Bild: STEFANI REYNOLDS/The New York Ti
Doch schon Tage vor Bidens Auftritt stehen höhere Steuern im Fokus der Debatte. Unter Trump war die Unternehmensteuer gesenkt worden, von 35 auf 21 Prozent. Im Wahlkampf forderte Biden, den Körperschaftsteuersatz auf 28 Prozent zu erhöhen und die Steuern für Vermögende anzuheben. „Jeder, der mehr als 400.000 US-Dollar verdient, wird eine geringfügige bis erhebliche Steuererhöhung sehen“, sagte Biden vergangene Woche.
In seinem Wahlprogramm finden sich vielfältige Ansätze, etwa höhere Sätze für Unternehmensgewinne im Ausland, Kapitalgewinne und Erbgüter. Setzte Biden seine Pläne um, wäre das laut „Washington Post“, die „größte Steuererhöhung auf Bundesebene seit 1942“.
Der moderate Demokrat Joe Manchin aus West Virginia hat klargemacht, einen Körperschaftsteuersatz von 28 Prozent nicht unterstützen zu wollen. Er brachte hingegen eine Mehrwertsteuer nach europäischem Vorbild ins Spiel. Auch im Repräsentantenhaus, berichtete das Portal Axios am Montag, gibt es einige kritische Stimmen im Demokraten-Lager.
„Wir müssen aufpassen, dass wir inmitten einer Pandemie und einer Wirtschaftskrise nichts tun, was den Aufschwung gefährdet“, wird der Abgeordnete Josh Gottheimer aus New Jersey zitiert, ein Bundesstaat, der viele Unternehmen beherbergt.
Parallel treiben linke Senatoren wie Bernie Sanders und Elizabeth Warren Pläne für eine Vermögensteuer voran, die Einkommen unter 400.000 Dollar treffen würde. Sanders, der im Senat den Haushaltsausschuss leitet, will auch die Körperschaftsteuer wieder auf dem ursprünglichen Satz von 35 Prozent sehen: „Wir können nicht länger tolerieren, dass viele große Unternehmen Gewinne in Milliardenhöhe erzielen, während die Hälfte der Amerikaner keine Altersvorsorge hat.“
Auf Unterstützung der Republikaner, die Skeptiker in den eigenen Reihen ausgleichen könnten, kann Biden nicht hoffen. Der Republikaner-Chef im Senat, Mitch McConnell, bezeichnete den Vorstoß als „trojanisches Pferd“ für „linke Fantasien“.
Der frühere Wirtschaftsberater von Trump, Larry Kudlow, warnte vor einem „Klassenkampf“ in den USA, der Unternehmer aus dem Land vertreiben werde. Der Trump-Vertraute und Senator Lindsay Graham verteidigte die niedrigen Steuern für Firmen. „Wir haben die Sätze gesenkt, um die USA wettbewerbsfähig zu machen“, sagte er. „Meine Freunde auf der linken Seite haben den unersättlichen Wunsch, das Land zu ruinieren.“
Sollte es zu einer Abstimmung im Kongress kommen, kann sich Biden kaum Abweichler im eigenen Lager leisten. Vor allem im US-Senat, der die Reform final absegnen müsste, sind die Mehrheitsverhältnisse extrem knapp. Die Kammer hat 100 Sitze und ist je zur Hälfte zwischen Demokraten und Republikanern aufgeteilt. Nur mit einem Votum („Tie Break“) von Vizepräsidentin Kamala Harris können die Demokraten eine einfache Mehrheit sichern – und auch nur dann, wenn die Reihen geschlossen bleiben.
Je nach Ausgestaltung könnte ein Infrastrukturpaket allerdings auch eine Mehrheit von 60 Stimmen erfordern. Dann braucht Biden auf jeden Fall die Unterstützung der Republikaner. Das Ringen um neue Investitionen und Spielräume für Schulden und Steuern scheint erst der Anfang eines langen Kampfes um die Prioritäten der USA zu sein. Das Weiße Haus will in dieser Woche auch den ersten Entwurf für den Haushalt 2022 vorlegen. Laut „Washington Post“ planen die Demokraten deutlich höhere Ausgaben für Bildung, Klimawandel und Wohnen.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×