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13.12.2022

10:42

Blockade im EU-Rat

Orban gibt sein Veto auf – gegen minimale Zugeständnisse der EU

Von: Carsten Volkery

Ungarns Premier beendet seine Blockade der Ukrainehilfen und der Mindeststeuer. Die Stimmung im EU-Rat gegen Orban war zuletzt zunehmend aggressiv geworden.

Der Ministerpräsident von Ungarn trifft in Brüssel auf Widerstand. AP

Viktor Orban

Der Ministerpräsident von Ungarn trifft in Brüssel auf Widerstand.

Brüssel Nach wochenlanger Blockade durch Viktor Orban ist die EU wieder handlungsfähig. Die 27 EU-Botschafter einigten sich in der Nacht zum Dienstag darauf, die Ukrainehilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro zu bewilligen und eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf Unternehmensgewinne europaweit einzuführen.

Die Einigung wurde möglich, weil der ungarische Ministerpräsident sein Veto zurückzog. Er hatte versucht, die Kollegen zu erpressen: Er wollte erreichen, dass die EU eingefrorene Gelder für Ungarn freigibt. Dabei handelt es sich um 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt und 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds.

Doch die EU-Botschafter bekräftigten im Wesentlichen die Position der EU-Kommission. Die Gelder sollen erst fließen, wenn Orban wirksame Maßnahmen gegen die Korruption in seinem Land umsetzt. Die Botschafter genehmigten – wie von der Kommission empfohlen – den ungarischen Corona-Aufbauplan. Dies war Orbans Hauptanliegen, denn sonst wären die 5,8 Milliarden Euro zum Jahresende verfallen. Ausgezahlt werden soll das Geld aber erst, wenn Ungarn 27 Reformziele erfüllt hat, wie etwa eine unabhängige Antikorruptionsbehörde zu schaffen.

Die Botschafter hielten auch daran fest, einen Teil der EU-Haushaltsmittel für Ungarn einzufrieren. Dabei geht es um Fördergelder aus dem europäischen Kohäsionsfonds, die zur Angleichung der Lebensverhältnisse in strukturschwache Regionen fließen. Die Botschafter kamen Orban allerdings etwas entgegen: Statt der von der Kommission empfohlenen 7,5 Milliarden Euro sollen nun nur 6,3 Milliarden zurückgehalten werden.

Damit wollten einige Mitgliedstaaten anerkennen, dass Orban sich zuletzt reformwillig gezeigt hat. Die Mittel sollen aber erst freigegeben werden, wenn die Maßnahmen gegen die Korruption auch umgesetzt sind.

Orbans Einknicken zeigt seine Abhängigkeit

Die Entscheidung ist historisch, denn bisher hatten die Regierungen noch nie den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus angewandt. Dieser sieht vor, dass die EU bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit einem Land die Fördergelder kürzen kann.

Die EU friert für Ungarn vorgesehene Milliardenzahlungen ein. IMAGO/Christian Spicker

Ungarische und europäische Flagge

Die EU friert für Ungarn vorgesehene Milliardenzahlungen ein.

Bis zuletzt war unklar, ob sich im Rat der Mitgliedstaaten die nötige qualifizierte Mehrheit finden würde. Insbesondere die polnische Regierung wollte keinen Präzedenzfall schaffen. Schließlich könnte sie selbst einmal in die Lage kommen, dass die EU Gelder für Polen kürzen will.

Dass Orban nach wochenlangem Blockadekurs schließlich einlenkte, zeigt, dass er überzogen hat. Die Stimmung im EU-Rat war zuletzt zunehmend aggressiv geworden. Insbesondere das ungarische Veto gegen die Ukrainehilfen hatte die Partner empört. Deshalb hat Orban offenbar entschieden, sich mit minimalen Zugeständnissen zufriedenzugeben.

Sein Einknicken zeigt auch, wie dringend er das Geld aus Brüssel braucht. Angesichts der düsteren wirtschaftlichen Lage in Ungarn konnte er es sich nicht leisten, auf die Coronahilfen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro zu verzichten.

Im Europaparlament wurde die nächtliche Einigung begrüßt. „Zu wenig, zu spät. Aber die Mitgliedstaaten sind sich endlich einig, dass Viktor Orban zu weit gegangen ist“, twitterte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund, einer der schärfsten Orban-Kritiker. „Man kann nicht einfach drohen, alles mit einem Veto zu belegen, und dann damit davonkommen.“

Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner sagte: „Der Kuschelkurs mit den Rechtsstaatsfeinden ist beendet. Die EU ist nicht länger bereit, Viktor Orbans Kleptokratie zu finanzieren.“ Die Bedeutung der Entscheidung reiche weit über Ungarn hinaus: „Wer die Werte der EU ignoriert, muss mit schmerzhaften Konsequenzen rechnen.“

Die vorläufige Einigung der Botschafter muss nun noch formal im EU-Rat abgesegnet werden. Das soll im schriftlichen Verfahren geschehen, damit die Regierungschefs sich auf ihrem Gipfel am Donnerstag mit anderen Themen befassen können.

Für die Mindeststeuer und die Ukrainehilfen ist die Einstimmigkeit aller 27 Mitgliedstaaten nötig. Für das Einfrieren der Mittel an Ungarn reicht die qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung.

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