Der Sohn des Präsidenten nutzt ein Treffen mit der deutschen Wirtschaft für eine Bewerbungsrede. Diese hofft auf das viel kritisierte Freihandelsabkommen.
Eduardo Bolsonaro
Eduardo Bolsonaro, Sohn des brasilianischen Präsidenten, soll nach dessen Willen Botschafter in Washington werden.
Bild: AP
Natal Botschafter in Washington soll er werden, wenn es nach seinem Vater geht, dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Doch der Widerstand dagegen ist groß. Jetzt kämpft Eduardo Bolsonaro um das Amt – und hielt bei den Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstagen eine Art öffentliche Bewerbungsrede für den Posten in Washington.
Wie ein TV-Entertainer tigerte der 35 Jahre alte dritte Sohn des Präsidenten, den dieser praktischerweise 03 nennt, auf der Bühne umher, mit Head-Set und in einem etwas zu großen Anzug. Gegen Protektionismus sei er, für Marktöffnungen. Privatisierungen würden einen kleinen Staat schaffen, „dann verringert sich automatisch auch die Korruption“. Die Mitgliedschaft Brasiliens in der OECD, dem Club der Industrieländer sei wichtig. Man müsse sich mit den besten messen, „nicht mit Kuba“. Nach 15 Minuten endete die Bewerbungsrede wie geplant. Mit Blick auf die Uhr sagte Eduardo Bolsonaro: „Papa mag es nicht, wenn wir unpünktlich sind.“
Die knapp tausend Teilnehmer waren erleichtert, dass der Sohn des Präsidenten sie von der aggressiven Polemik verschonte, mit der sein Vater üblicherweise regiert. Denn anders als in den anderen Jahren, in denen sich Regierung, Wirtschaft und Verbände aus beiden Staaten ihrer Einigkeit versichern, war die Nervosität in diesem Jahr hoch.
„Selten hat es so viele Spannungen im Verhältnis zwischen den Staaten gegeben wie derzeit“, sagt Ingo Plöger, Präsident des Latin America Business Council, CEAL. „Das macht die Zusammenarbeit schwieriger.“ Während Deutschland und Brasilien wirtschaftlich enger zusammenarbeiten wollen als je zuvor, haben die politischen Differenzen massiv zugenommen.
Seit Bolsonaros Amtsantritt im Januar dieses Jahres findet in Brasilien ein Rechtsruck statt. Bei Themen wie Umwelt, Minderheiten, Sicherheit, Regenwald, Klima oder Menschrechten steht Brasilien nunmehr für eine Politik, die in Deutschland nur von wenigen gut geheißen wird. Und nicht nur dort: Wegen des abbrennenden Amazonas wird Bolsonaro von der ganzen EU heftig kritisiert.
Das hat weitreichende Folgen, denn die Kritik an dem historischen Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur (bei dem neben Brasilien auch Argentinien, Paraguay und Uruguay Mitglieder sind) nimmt zu. 20 Jahre hatten beide Seiten verhandelt. Jetzt stoßen sich immer mehr europäische Politiker an dem Abkommen. In Österreich stimmten in dieser Woche alle großen Parteien gegen das Mercosur-Abkommen. Ob dies auch nach den Neuwahlen im Herbst noch Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.
Auf den Wirtschaftstagen waren die Vertreter der Regierungen und Wirtschaft sichtlich um Harmonie bemüht. Immer wieder beteuerte man, dass man miteinander reden sollte – und nicht übereinander. Auch fehlte fast nie der Hinweis, dass die Ausweitung des Handels und Investitionen nicht auf Kosten des Sozialen oder der Umwelt gehen dürfe.
Es dominierte die Sorge, dass sich die Ratifizierung des mühsam erarbeiteten Abkommens zwischen EU und Mercosur wegen des wachsenden Widerstandes in Europa nun lange hinziehen könnte. „Wir müssen alles dafür tun, dass das Abkommen umgesetzt wird“, forderte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Auch Georg Witschel, der deutsche Botschafter in Brasília, warnte davor, das EU-Mercosur-Abkommen leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Roberto Jaguaribe, der brasilianische Botschafter in Berlin, mahnte vor allem die Brasilianer, die Gelegenheit nicht erneut zu verpassen.
Die deutsche Industrie hat Sorge, in Brasilien den Anschluss zu verpassen. Die Investitionen deutscher Unternehmen sind in den letzten Jahren geschrumpft. Deutschland steht als Auslandsinvestor nur noch auf Platz neun. Die USA und China haben Deutschland abgehängt. Wirtschaftlich machen die Wirtschaftsreformen unter Bolsonaro das Land attraktiver, weil es sich für Handel und Investitionen öffnet, Privatisierungen stattfinden.
Angesichts der Reformen in Brasilien schlägt Andreas Renschler, Vorsitzender des Lateinamerika-Ausschusses der deutschen Wirtschaft vor, die strategische Partnerschaft zwischen Brasilien und Deutschland durch die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu erweitern. Für Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen in Brasilien sei es zudem ein wichtiger Schritt, dass Brasilien Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen aufnehmen will, sagte Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Eduardo Bolsonaro, der sich als Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen und Landesverteidigung im Parlament quasi selbst zum deutsch-brasilianischen Treff eingeladen hatte, betonte in seiner Rede denn auch, dass Brasilien derzeit als Partner begehrt sei. Auch Japan wolle einen Handelsvertrag abschließen. Sein persönliches Traumziel sei ein Freihandelsabkommen mit den USA, sagte der Kongressabgeordnete.
Für Vertrauen sorgte auch der Auftritt von Vize-Präsident Hamilton Mourão, der den von einer Operation genesenden Präsidenten an diesem Tag als Amtsinhaber vertrat. Der Ex-General sieht Brasilien in einer schweren Krise und will die niedrige Produktivität des Landes durch Reformen und Marktöffnung steigern. Als er erklärte, dass es vor allem Brasiliens Verantwortung sei, den Amazonas zu schützen, applaudierte der Saal. Solche Töne waren aus Brasília schon lange nicht mehr zu hören gewesen.
Doch Eduardo Bolsonaro holte die Zuhörer zurück in die politische Realität Brasiliens im Jahr 2019. Der Bundespolizist, Hauptmann der Reserve und Waffennarr erzählte, er hege großen Respekt und Sympathie für deutsche Unternehmen – vor allem auch die Stahlproduzenten. „Neben Italien fabriziert Deutschland nun mal die besten Pistolen weltweit.“
Mehr: Brasiliens Regierung hat in acht Monaten viel in Gang gesetzt, was überfällig war. Doch Bolsonaros zunehmend aggressiver Kurs birgt Risiken für die Wirtschaft.
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