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24.02.2023

14:27

Brexit

Keine Tomaten, kein Salat, keine Paprika – Großbritanniens Gemüsekrise eskaliert

Von: Torsten Riecke

Die Lieferengpässe aus der EU nehmen dramatische Formen an. Als Ersatz für Import-Gemüse empfiehlt Landwirtschaftsministerin Thérèse Coffey heimische Rüben.

In einem Tesco-Supermarkt hängt ein Schild an den Regalen, das die Kunden an die geltenden Einkaufsbeschränkungen erinnert. dpa

Leere Gemüseregale in Großbritannien

In einem Tesco-Supermarkt hängt ein Schild an den Regalen, das die Kunden an die geltenden Einkaufsbeschränkungen erinnert.

London „Isst Du vegan für eine Million Pfund?“, steht auf riesigen Plakaten, die im Moment in vielen Londoner U-Bahn-Stationen zu sehen sind. Angesprochen ist der britische Premierminister Rishi Sunak.

Die meisten Gemüseregale in den britischen Supermärkten sind allerdings leer. Es herrscht Tomaten- und Salatnotstand auf der Insel. Vier große Supermarktketten, darunter Marktführer Tesco und der deutsche Handelskonzern Aldi, haben damit begonnen, den Verkauf von Paprika, Gurken, Salat und Tomaten zu rationieren, nachdem die Lieferungen aus dem Süden Europas und Nordafrika wegen ungewöhnlich frostiger Temperaturen nach Angaben britischer Importeure um fast die Hälfte zurückgegangen sind. Laut Erzeugerverband Lea Valley Growers Association (LVGA) werden etwa 95 Prozent der Tomaten in Großbritannien importiert.

Die britische Landwirtschaftsministerin Thérèse Coffey befürchtet, die Lieferengpässe könnten noch bis zu einen Monat anhalten. Die Tory-Politikerin empfahl ihren Landsleuten deshalb, in dieser kalten Jahreszeit lieber Rüben oder andere saisonale Gemüsearten zu essen. „Viele Leute essen jetzt Rüben und denken nicht unbedingt an Salat und Tomaten“, sagte die Ministerin im britischen Unterhaus.

Bei den europäischen Nachbarn auf der anderen Seite des englischen Kanals sind die Gemüseregale nach wie vor gut gefühlt. Viele Briten fragen sich, ob auch der Brexit Schuld an dem plötzlichen Mangel an den Vitaminen A, B und C sein könnte.

Dürre in den Gewächshäusern

„Wir sind zu dieser Jahreszeit in einzigartiger Weise von Importen abhängig. Es gibt eine echte Knappheit, aber wir haben uns dieses Problem selbst zuzuschreiben“, sagte Justin King, der frühere Vorstandsvorsitzende der Supermarktkette Sainsbury‘s, der Tageszeitung „The Guardian“. Die Landwirtschaft sei durch den Brexit erheblich gestört worden.

Die stark gestiegenen Energiekosten haben den Betrieb von Gewächshäusern in den Niederlanden und in Großbritannien erheblich verteuert. Reuters

Gewächshaus

Die stark gestiegenen Energiekosten haben den Betrieb von Gewächshäusern in den Niederlanden und in Großbritannien erheblich verteuert.

Die langen Lieferwege aus den südlicheren Anbaugebieten sowie die bürokratischen Grenzkontrollen nach dem EU-Austritt tragen nach Meinung von Experten zwar mit zum Notstand bei. Allerdings bestätigt auch der spanische Landwirtschaftskonzern Verdimed, dass die Ernte im Moment wegen des Wetterumschwungs etwa ein Drittel unter dem sonst üblichen Niveau liege. Und auch einige Supermärkte im EU-Mitglied Irland melden Lieferengpässe.

Hinzu kommt, dass die stark gestiegenen Energiekosten den Betrieb von Gewächshäusern in den Niederlanden und in Großbritannien erheblich verteuert haben. Es wird weniger geliefert, und wenn geliefert wird, sind die Tomaten und Gurken meist deutlich teurer als in den vergangenen Jahren.

„Die inländische Erzeugung von Salat, einschließlich Gurken und Tomaten, ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1985 gefallen“, sagte Minette Batters, Vorsitzende des britischen Bauernverbandes NFU. Großbritannien sei deshalb stärker als andere europäischen Länder auf die Lieferungen aus dem Süden angewiesen.

Die von Energie- und Wirtschaftskrise belasteten Briten nehmen den Gemüsenotstand mit Galgenhumor: Ex-Finanzminister Kenneth Clarke macht sich auf Twitter über die Erklärungsversuche seiner konservativen Parteifreunde lustig und zeigt eine Landkarte, auf der zu sehen ist, dass Großbritannien mit seinem „Rübenwinter“ ziemlich allein ist.

Premier Rishi Sunak, der bereits auf Rindfleisch verzichtet, hat die Herausforderung, seine Diät ganz auf vegan umzustellen, bislang nicht angenommen.

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