Das europäische Cloud-Projekt wächst, wird dadurch aber auch immer komplexer. Damit droht Gaia-X, gerade innovative Firmen zu überfordern.
Rechenzentrum
Eine europäische Cloud soll die EU unabhängiger von US-Services wie Google, Microsoft oder Amazon machen.
Bild: action press
Berlin, Düsseldorf Das Interesse an Gaia-X ist groß: Auf 234 Mitglieder ist die im Herbst mit 22 Organisationen gestartete Dachgesellschaft bereits gewachsen, und weitere Unternehmen klopfen an. Dieser Erfolg des europäischen Dateninfrastrukturprojekts hat allerdings seine Schattenseiten: Der Abstimmungsbedarf wächst mit jedem neuen Teilnehmer – und überfordert inzwischen gerade kleinere Unternehmen.
In einer aktuellen Umfrage des Start-ups Cloud & Heat warnen viele Teilnehmer vor überbordender Bürokratie. So fordern 67 Prozent der Unternehmen eine „bessere Kommunikation, Dokumentation und Projektorganisation“. An der Umfrage haben sich 45 Firmen beteiligt, große wie kleine.
Sie bietet damit ein gutes Stimmungsbild für die Mitglieder der Gesellschaft. „Insgesamt ist es für Unternehmen nicht einfach, sich bei Gaia-X zurechtzufinden und an die notwendigen Informationen zu kommen“, sagt Ronny Reinhardt, der bei Cloud & Heat die Geschäftsentwicklung leitet. Das Projekt müsse transparenter machen, „wie der aktuelle Stand ist, wer woran arbeitet und wie man sich als Unternehmen einbringen kann“.
Das Ende 2019 von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgestellte Cloud-Projekt läuft inzwischen unter dem Dach der in Belgien ansässigen Gesellschaft Gaia-X AISBL. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, eine sichere und vertrauenswürdige Dateninfrastruktur für Europa aufzubauen. Sie soll europäischen Unternehmen eine Alternative zu den dominanten Cloud-Anbietern aus den USA und China bieten.
Gerade kleinere Cloud-Spezialisten setzen große Hoffnungen auf das Projekt, das ihnen eine bessere Sichtbarkeit auf dem Markt verschaffen soll. Als zentrales Vermarktungsargument dienen die hohen Sicherheits- und Datenschutzstandards, die Gaia-X verspricht.
In der Umfrage von Cloud & Heat geben 73 Prozent der befragten Firmen an, sie wollten darüber Kunden ansprechen, die bislang Bedenken gegenüber Cloud-Diensten hätten. Als wichtigste Faktoren sehen die Unternehmen offene Standards, die den Datenaustausch ermöglichen.
Allerdings sei das Projekt „inzwischen so gewachsen und formalisiert, dass die Mitarbeit für alle sehr zeitraubend geworden ist“, sagt Lars Francke, Gründer des Big-Data-Start-ups Stackable. Die junge Firma habe weniger Ressourcen, sich aktiv zu beteiligen, und gerate wie viele andere Start-ups dadurch immer mehr ins Hintertreffen. „Das ist schade, weil wir durchaus wertvolle Sichtweisen beizutragen haben.“
Die Wahrnehmung sei, so Christian Berendt, Geschäftsführer des Cloud-Dienstleisters 23Technologies, „dass Konzerne die oberen Ebenen besetzen und kontrollieren“. Dabei brauche Gaia-X die innovative Veränderung durch Start-ups.
Schließlich hätten große Anbieter wie die Deutsche Telekom es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, eine ernsthafte Alternative zu US-Firmen aufzubauen – „und es ist für uns fraglich, ob ihnen dies nun mit weiteren Fördermitteln gelingen wird“.
Henrik Hasenkamp, Chef von Gridscale, einem Entwickler von Betriebssystemen für Rechenzentren mit rund 100 Mitarbeitern, hält die Herangehensweise bei Gaia-X für zu bürokratisch: „Es wird oft abstrakt diskutiert über europäische Datensouveränität, aber kaum darüber, welchen konkreten Nutzen der Kunde haben soll“, sagt er.
Auch Francke kritisiert, in den Gremien der Organisation werde zu viel abstrakt über technische Standards oder Werte diskutiert und zu wenig praktisch umgesetzt: „zu viel Powerpoint, zu wenig Taten“. Andreas Weiss, Leiter digitale Geschäftsmodelle im Internetwirtschaftsverband Eco, widerspricht: „Was manche Start-ups als Bürokratie bezeichnen, ist nichts anderes als die Konsensbildung, die in einem Projekt mit hunderten Beteiligten unverzichtbar ist.“ Die unterschiedlichen Interessen müsse man zusammenbringen, um am Ende greifbare Ergebnisse zu erhalten.
Weiss koordiniert den Aufbau der Basisinfrastruktur des Projekts, die sogenannten Federation Services. Gaia-X sei auch „keine Party der Großkonzerne“, entgegnet er der Kritik. 22 Prozent der Mitglieder der Gaia-X AISBL seien Start-ups oder kleine und mittelgroße Unternehmen. Wenn Gaia-X einheitliche Standards für viele Anbieter bis hinab zu den Rechenzentren schaffe, so Weiss, würden auch die Start-ups „sehr profitieren“.
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