Die Weltklimakonferenz in Ägypten könnte noch am späten Samstag enden. Ein klares Signal liegt auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien.
Frans Timmermans
Der EU-Kommissionsvize zeigt sich besorgt über einige Positionen in den Verhandlungen. Ziel sei es dennoch eine Einigung zu finden.
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Scharm el-Scheich Erleichterung auf der Weltklimakonferenz in Ägypten. Fast 24 Stunden nach dem geplanten Ende des Gipfels liegt den Verhandlern aus knapp 200 Staaten ein neuer Entwurf für eine Abschlusserklärung vor, der Beobachtern zufolge eine erste Chance bieten könnte, akzeptiert zu werden.
In dem elfseitigen Papier der ägyptischen Konferenzleitung von 13 Uhr am Samstag wird von allen Ländern ein beschleunigter Kohleausstieg gefordert, außerdem die schrittweise Abschaffung ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe.
Nicht aufgegriffen wurde die Forderung etlicher Staaten und Klimaaktivisten, auch den Abschied von Öl und Gas konkret zu erwähnen. An mehreren Textstellen wird jedoch auf den notwendigen Ausbau erneuerbarer Energien hingewiesen.
Die Energiekrise unterstreiche die Dringlichkeit, die Energiesysteme rasch umzugestalten, um sie sicherer, zuverlässiger und widerstandsfähiger zu machen, indem der Übergang zu erneuerbaren Energien in diesem kritischen Jahrzehnt beschleunigt werde, heißt es etwa. An anderer Stelle wird die Bedeutung erneuerbarer Energien am Energiemix betont.
Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch kommentierte das mit den Worten „Abwehrschlacht gelungen“. In vorherigen Texten hatte Gas als Brückentechnologie eine stärkere Rolle gespielt. Angesichts der geopolitischen Lage und der Energiekrise sei das ein ordentliches Signal.
Greenpeace äußerte sich weniger zufrieden. Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, sagte, es müsse unbedingt der Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern inklusive Öl und Gas im Text verankert werden. In den letzten Stunden müsse nun Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sicherstellen, dass die EU die Ergebnisse nur dann akzeptiere, wenn auch die Abhängigkeit von klimazerstörenden Energieträgern beendet wird.
Noch am Morgen waren die Fronten so verhärtet gewesen, dass EU-Kommissionsvize Frans Timmermans in Scharm el-Scheich klarstellte, dass die EU im Ringen um einen Durchbruch gewisse rote Linien nicht überschreiten werde. „Es ist besser, kein Ergebnis zu haben als ein schlechtes“, sagte Timmermans.
Man sei sehr besorgt über einige Positionen in den Verhandlungen, die sich über die Nacht in die Länge gezogen haben. Man werde bis zum Ende um eine Einigung ringen, sei aber notfalls auch bereit, ohne eine Erklärung aus der Konferenz zu gehen, so Timmermans.
„1,5 Grad darf hier heute nicht sterben“, sagte der Klimaschutz-Kommissar mit Blick auf die international vereinbarte Grenze, die man einhalten will, um katastrophalste Folgen der Erderwärmung abzuwenden.
„Wenn man nicht genug tut, um Emissionen zu reduzieren und das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, kann kein Geld der Welt mehr das Leid lindern, das durch Naturkatastrophen entstehen wird“, warnte Timmermans. Das sehe man heute schon, aber diese Katastrophen würden exponentiell zunehmen, wenn man den Ausstoß von Treibhausgasen nicht ernsthaft eindämme.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock drohte offen damit, dass die Europäische Union notfalls auch ein Scheitern des UN-Treffens in Kauf nimmt. „Wir werden keinen Vorschlägen zustimmen, die das 1,5-Grad-Ziel zurückdrehen“, sagte die Grünen-Politikerin.
Annalena Baerbock
Die Außenministerin fand auf der Weltklimakonferenz klare Worte.
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Es sei jetzt der richtige Moment, um sich zu erinnern, warum man hier auf dieser Klimakonferenz sei, so Baerbock, die selbst seit Mittwoch in Scharm el-Scheich mit um einen Abschluss ringt: „Wir sind hier, um das 1,5 Grad-Ziel am Leben zu erhalten. Wir sind hier, um die größte Sicherheitsgefahr des Jahrhunderts einzudämmen, das ist die Klimakrise.“
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Man werde keinen Vorschlägen zustimmen, die die Freiheiten künftiger Generationen infrage stellen, sagte Baerbock weiter. Es kursierten aber Vorschläge, die andeuteten, dass kein Staat in den nächsten zehn Jahren seine Klimaschutz-Ambitionen steigern müsse. „Dann würde das 1,5 Grad- Ziel hier auf dieser Konferenz sterben. Und da macht die Europäische Union nicht mit.“
Diese Vorschläge scheinen aber vom Tisch zu sein. Im neuesten Entwurf taucht diese Formulierung nicht mehr auf. Stattdessen heißt es, es werde bekräftigt, "dass die Auswirkungen des Klimawandels bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad wesentlich geringer sein werden als bei zwei Grad“.
Es sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, um den Anstieg zu begrenzen. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.
2015 hatten die Staaten bei der Klimakonferenz in Paris vereinbart, die Erwärmung auf unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad im vorindustriellen Vergleich zu begrenzen. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker.
Baerbock sagte, die Erderhitzung und ihre Folgen wie häufigere Dürren, Stürme und Überschwemmungen brächten schon jetzt viele der verletzlichsten Staaten an den Rand des Kollaps - und diesen müsse geholfen werden.
Man sei nicht nur in Ägypten „um Papier zu produzieren“, sagte sie. Man verhandele im Zweifel den ganzen Tag weiter, so Baerbock. Die Konferenz in Ägypten müsse einen großen Schritt vorankommen, sagte sie. „Wenn andere hier den 1,5 Grad Pfad beerdigen wollen, dann sagen wir klar: Da machen wir nicht mit.“
Sameh Shoukry
Auch der Präsident der Konferenz gab sich am Samstag noch unzufrieden.
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Neben ambitionierten CO2-Minderungszielen ist in Scharm el-Scheich die Einrichtung eines Fonds für Klimaschäden in Entwicklungsländern besonders umstritten. Die EU ist hier offen für eine Einigung, allerdings nur im Einklang mit ehrgeizigeren Klimazielen, der Bedingung, dass die Gelder nur ärmeren, besonders bedrohten Ländern zugute kommen und dass auch Schwellenländer - und damit ist vor allem China gemeint - in den Fonds einzahlen.
„Ich glaube, wir haben hier eine einmalige Chance“, sagte Baerbock. Jeder müsse sich nun fragen, ob er den Staaten beiseite stehe, oder ob er seine eigenen nationalen Interessen bei dieser Frage für wichtiger halte.
Der Präsident der Konferenz, Samih Schukri, sagte am Samstag in Scharm el-Scheich: „Es gibt ein gleiches Maß an Unzufriedenheit von allen Seiten.“ Die Teilnehmer der knapp 200 Staaten wollten aber weiter über eine mögliche Abschlusserklärung beraten. Eine „große Mehrheit“ habe aber angedeutet, dass sie den Entwurf als „ausgewogen“ und Grundlage für einen „potenziellen Durchbruch“ betrachteten, sagte Schukri. Es liege jetzt an den Teilnehmern, sich zu einigen.
Der Frage eines möglichen Scheiterns, etwa wenn einzelne Länder die Verhandlungen wegen zu schwacher Klima-Zusagen im Text beendeten, wich Schukri aus. „Jede Partei hat das volle Recht, sich einem Konsens anzuschließen oder nicht anzuschließen.“
Mit Agenturmaterial.
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