Amerika konsumiert, China produziert: Jahrzehntelang tickte so die Weltwirtschaft. Diese Ära des Freihandels ist beendet. Größter Verlierer könnte Deutschland sein.
Der neue kalte Krieg
Die USA und China befinden sich seit fast einem Jahr im Handelsstreit.
Die Händler in Frankfurt trauten ihren Augen nicht. Am vergangenen Mittwoch emittierte Deutschland eine Anleihe mit fünfjähriger Laufzeit, für die Anleger eine Rendite von minus 0,79 Prozent akzeptieren. Ein Rekordwert. Es ist, als ob die Schwerkraft außer Kraft gesetzt wird. Deutschland macht Schulden – und wird dafür bezahlt. Rein rechnerisch machte Finanzminister Olaf Scholz an dem Tag mit der Anleihe im Wert von mehr als 2,6 Milliarden Euro einen Gewinn von 111 Millionen Euro.
Der Blick auf die Börse zeigt, wie verzweifelt die Anleger sind. Händeringend suchen sie nach sicheren Anlagen, fürchten sich um ihr Geld. Denn Angst haben sie. Sie fürchten den Wirtschaftskrieg, der sich zwischen den USA und China anbahnt.
Es kommen böse Erinnerungen an den Kalten Krieg auf, der eigentlich seit 1989 beendet schien. Die Auflösung des Abrüstungsvertrags INF über nukleare Mittelstreckensysteme passt da ins düstere Bild. Nur das sich heute Washington nicht mehr mit Moskau, sondern Peking bekriegt.
Es steht viel auf dem Spiel, unser Freihandel und Wohlstand. In der angespannten Situation können ein paar Wörter auf Twitter gleich eine Börsenhysterie auslösen. „China hat seine Währung auf ein historisches Tief fallen lassen“, schrieb US-Präsident Donald Trump am vergangenen Montag auf Twitter. „Währungsmanipulator.“
Der Eintrag und eine harsche Antwort aus Peking schickten die Börsen auf eine Achterbahnfahrt: Aktien fielen ins Bodenlose, Anleihen gingen durch die Decke. Raus aus dem Risiko, rein in die Sicherheit.
Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt zerstören ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit. Seit 2018 überziehen sich die beiden Länder mit Zöllen, am 1. September droht die nächste Eskalation: Trump will Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar aus China mit zehn Prozent Einfuhrzoll belegen, eventuell gar auf 25 Prozent erhöhen. „Das hat schon kriegerische Qualitäten“, sagt Nils Ole Oermann, Co-Autor des neuen Buchs „Wirtschaftskrieg“, im Handelsblatt-Interview.
Es geht um die technologische, wirtschaftliche und militärische Dominanz der Welt. Dafür werden jetzt auch Währungen als Kampfmittel eingesetzt. Es wird eine Grenze überschritten, wie es seit den Dreißigerjahren nicht mehr getan wurde. Damals löste ein Abwertungswettlauf eine globale Depression aus. „Wir stehen vor einem möglichen Krieg um Währungen und Finanzen“, warnte Phang Zhongying, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Peking.
Ein Blick auf die Exportstatistiken zeigt, warum China und Deutschland das Hauptziel der Trump’schen Aggressionen sind: Allein auf das Konto Deutschlands gehen im US-Handelsdefizit 68 Milliarden Dollar. Mit China erwirtschaften die USA ein Defizit von 419 Milliarden Dollar. Was sich für Ökonomen als nüchterne Frage von Angebot und Nachfrage darstellt, ist für Trump ein Betrug am amerikanischen Volk.
Schon jetzt leidet der Welthandel unter der Auseinandersetzung. Laut dem Weltwährungsfond schwächt sich das Wirtschaftswachstum der Industrienationen von 2,2 Prozent 2018 auf 1,8 Prozent in diesem Jahr ab. Tendenz: fallend.
Eine gefährliche Situation, bei der Deutschland als Exportnation nur verlieren kann. „Das Risiko eines globalen Handels- und Währungskrieges und einer Erosion der multilateralen Ordnung der Weltwirtschaft wächst“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, und spricht vom „Gift für die Konjunktur“.
Aber in Berlin und Brüssel herrscht keine Alarmstimmung. Im Gegenteil, man ist froh, dass Trump abgelenkt ist und sich nicht im Zollkrieg mit der EU festbeißt. Dazu hat die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen derzeit andere Dinge zu tun, sucht sich in diesen Tagen ihre Mannschaft zusammen. „Wir müssen es auf die europäische Art machen“, sagte die designierte Präsidentin.
Damit meint sie: auf Zeit spielen und mit kleinen Geschenken Trump beruhigen. Etwa mit dem Zugeständnis, zulasten von Argentinien mehr Fleisch aus den USA zu importieren. Aber die Strategie wird an ihre Grenzen stoßen: Bei der Unterzeichnung des Abkommens im Weißen Haus sagte Trump, man arbeite „an Zöllen von 25 Prozent auf alle Mercedes-Benz und BMW, die in unser Land kommen“. Dann machte er eine kurze Pause und fügte an, dies sei lediglich ein Witz. In jedem Scherz steckt bekanntlich ein Kern Wahrheit.
Es wäre ein Horror für Deutschland. Zölle auf die heimische Autoindustrie würden langfristig laut Ifo die deutschen Autoexporte in die USA fast halbieren, ein Schaden von jährlich mehr als 18 Milliarden Euro. Arbeitsplätze würden verloren gehen, die an sich schwache Konjunktur in Deutschland ins Stocken geraten.
Es steht viel auf dem Spiel. Daher lohnt sich ein Blick nach Peking und Washington in die Schaltzentralen der Macht. Wie konnte es zu der Eskalation kommen? Wer sind die zentralen Personen? Und wie werden sie entscheiden?
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (4)