Die Welt ist schockiert, dass Russlands Angriffe auch vor ukrainischen Atomanlagen nicht stoppen. Vertreter des Westens stellen dennoch klar: Die Nato wird sich heraushalten.
Scholz am Freitagmorgen bei der Bundeswehr
Es wird kein Eingreifen geben.
Bild: Getty Images
Düsseldorf Nach intensiven Gefechten haben die russischen Streitkräfte das größte Atomkraftwerk Europas im Südosten der Ukraine örtlichen Angaben zufolge eingenommen. Nach UN-Angaben ist bislang keine radioaktive Strahlung ausgetreten. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Mariano Grossi, sagte am Freitag, ein russisches Geschoss habe ein Trainingsgebäude auf dem Gelände getroffen. Der Reaktor von Saporischschja in Enerhodar sei nicht betroffen.
Bei einem ausgebrochenen Feuer seien zwei Menschen verletzt worden. Der Brand sei gelöscht. Der staatliche ukrainische Betreiber des Atomkraftwerks (AKW) teilte mit, bei dem Angriff seien drei ukrainische Soldaten getötet worden und zwei verwundet worden. Diese Informationen lassen sich nicht unabhängig prüfen.
Ukraines Präsident Wolodimir Selenski sagte, nur schnelles Handeln durch Europa könne die russischen Truppen stoppen. „Lassen Sie nicht den Tod Europas durch eine Katastrophe in einem Kernkraftwerk zu“, erklärte er und rief Politik und Bürger dazu auf, Druck auf die russische Führung auszuüben, um die russischen Soldaten zu stoppen. Selenski forderte die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg prognostiziert, dass die kommenden Tage „noch schlimmer werden“, sagt er nach Beratungen der Nato-Außenminister. Er appelliert an Russlands Präsident Wladimir Putin, den Krieg sofort zu beenden, die Truppen aus der Ukraine abzuziehen und an den Verhandlungstisch zu kommen. „Die Nato will keinen Krieg mit Russland.“ Es müsse alles dafür getan werden, damit sich der Krieg nicht über die Ukraine hinaus ausweite. Ein Eingreifen der Allianz schloss er aus.
Der Brand auf dem Gelände des Atomkraftwerks hat nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz ein Verwaltungsgebäude betroffen.
Auch wenn keine Strahlung ausgetreten ist, sei es laut Scholz wichtig, solche Eskalationen zu vermeiden: „Es zeigt aber, wie gefährlich die Situation ist. Kriege führen immer dazu, dass Zerstörungen angerichtet werden, wo sie vielleicht auch keine der Kriegsparteien wirklich vorhat, aber die trotzdem ihre schrecklichen Auswirkungen haben können.“
Scholz hatte zuvor mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski telefoniert. Der hatte öffentlich von einem gezielten Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja durch russische Panzer gesprochen.
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Scholz hat zudem vor einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine gewarnt. Die Nato-Länder würden deshalb nicht direkt in die militärischen Auseinandersetzungen eingreifen, sagte Scholz. „Es ist wichtig, dass es keine Ausweitung des Konflikts über die Ukraine hinaus gibt.“
Dennoch unterstütze die EU die Ukraine und habe weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt. Man müsse zugleich sicherstellen, dass niemand Nato-Territorium angreife.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat weitere Strafmaßnahmen gegen Russland angekündigt. „Über die drei scharfen Sanktionspakete hinaus, die wir bereits beschlossen haben, werden wir weitere Maßnahmen ergreifen, die gezielt in das Machtzentrum Putins treffen“, sagte sie am Freitag am Rande eines Sondertreffens der Außenminister der Nato-Staaten. Details nannte die Grünen-Politikerin zunächst nicht.
Annalena Baerbock
Die Außenministerin kündigt weitere Strafmaßnahmen gegen Russland an.
Bild: IMAGO/photothek
Die bislang beschlossenen EU-Sanktionen gegen Russland umfassen schwere Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Zudem wurden bereits einige Oligarchen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Damit werden unter anderem ihre Vermögenswerte in der EU eingefroren und ihre Reisefreiheit eingeschränkt.
Auch Großbritannien will stärker gegen russische Oligarchen vorgehen. Man werde ihr Vermögen beschlagnahmen, wenn es dafür eine rechtliche Grundlage gebe, sagte der stellvertretende Premierminister Dominic Raab am Freitag. „Wenn wir die Beweise haben und es eine rechtliche Grundlage gibt, werden wir es tun“, fügte er im Radiosender LBC hinzu, als er nach der Möglichkeit gefragt wurde, Immobilien als Reaktion auf Russlands Einmarsch in die Ukraine zu beschlagnahmen. Die britische Regierung folgt damit dem Kurs der EU und der USA.
Die Regierung in London wolle zudem verhindern, dass russische Oligarchen das britische Gerichtssystem für Klagen gegen Personen oder Organisationen nutzten, die Korruptionsfälle aufklärten. „Das ist ein Missbrauch unseres Systems“, so Justizminister Raab im BBC-Fernsehen.
Die ukrainischen Streitkräfte haben nach britischen Angaben weiterhin die Kontrolle über die Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes. Sie sei aber wohl von russischen Truppen eingekreist, teilt das britische Verteidigungsministerium auf Basis eines neuen geheimdienstlichen Lageberichts mit. Die zivile Infrastruktur sei weiterhin intensivem Beschuss durch das russische Militär ausgesetzt.
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Auf die nordukrainische Großstadt Tschernihiw soll es Luftangriffe gegeben haben. Videos zeigten schwere Zerstörungen in der Stadt mit etwa 300.000 Einwohnern nahe der Grenze zu Russland. Die Führung in Moskau bestreitet, gezielt zivile Gebäude anzugreifen. Die Informationen lassen sich jedoch nicht unabhängig prüfen.
Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Olexii Arestowytsch, zeigt sich dennoch verhalten zuversichtlich. Man sei vorsichtig optimistisch mit Blick auf die künftige Entwicklung. Er erklärt, Vorstöße der russischen Armee auf die Stadt Mykolajiw im Süden des Landes seien zurückgeworfen worden.
Zuvor soll es Kämpfe in der Hafenstadt gegeben haben, wie Gouverneur Vitalii Kim in einer Videonachricht sagte. Er appelliert an die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren. „Lassen Sie uns nicht nervös werden“, sagte Kim.
Selenskis Berater Arestowytsch erklärte zudem, dass weiter westlich liegende Metropole Odessa sei keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt sei. Im Osten sei die Situation in der teilweise eingekreisten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer unter Kontrolle. Die Angaben kann Reuters nicht überprüfen.
In der EU mehren sich angesichts der Invasion in der Ukraine die Stimmen, Russland die über die Welthandelsorganisation WTO gewährten Handelsvorteile zu entziehen. „Wir können in der WTO nicht weitermachen wie bisher, wenn es um den Handel mit Russland geht“, schrieb der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, am Freitag auf Twitter.
Ein Schritt könnte die Aufhebung des Meistbegünstigungsstatus sein, durch den Russland Handelsvorteile gewährt werden. „Wir erörtern Optionen, die uns im WTO-Kontext zur Verfügung stehen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Darüber werde nun mit Vertretern der EU-Länder beraten.
Das WTO-Recht erlaubt es, die Meistbegünstigung aus sicherheitspolitischen Gründen aufzuheben. „Von dieser Möglichkeit könnten die EU und andere Staaten Gebrauch machen“, sagte der Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien, Gabriel Felbermayr, der Nachrichtenagentur Reuters. „Das würde bedeuten, dass höhere Zölle für Importe aus Russland in Kraft treten könnten. Das würde eine Verschärfung des bestehenden Sanktionsregimes bedeuten.“
Die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine beläuft sich nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) inzwischen auf 1,25 Millionen. Davon seien allein etwa 672.000 nach Polen geflohen, etwa 194.000 nach Moldau und etwa 133.000 nach Ungarn, sagte ein IOM-Sprecher am Freitag in Genf.
Unter den Geflüchteten seien 78.800 Menschen, die nicht aus der Ukraine, sondern 138 verschiedenen anderen Ländern stammten, sagte der Sprecher. Dutzende Länder hätten die IOM um Hilfe gebeten, um ihre Landsleute aus der Ukraine oder umliegenden Ländern in die Heimat zu holen. Die Organisation untersuche Berichte, wonach Ausländern medizinische Hilfe verweigert worden sei. Solches Verhalten sei völlig inakzeptabel, betonte der Sprecher.
In dem Zusammenhang hat auch die EU-Kommission weitere Hilfsgüter für die Ukraine angekündigt. Über in Deutschland, Ungarn und den Niederlanden angesiedelte Lager werde weitere medizinische Hilfe bereitgestellt, teilte die EU-Kommission am Freitag mit.
Dem Bundesinnenministerium zufolge gibt es an der deutsch-polnischen Grenze keine systematischen Kontrollen. Es gebe nur verstärkt Stichproben. Die Behörden schauten genauer hin, sagt ein Sprecher des Ministeriums.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen in Deutschland zudem für ihren Unterhalt ähnliche Leistungen wie Asylbewerber erhalten und somit keinen direkten Anspruch auf Hartz IV haben. Darauf laufe eine Einigung zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Arbeitsministerium hinaus, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.
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Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen in Deutschland zudem für ihren Unterhalt ähnliche Leistungen wie Asylbewerber erhalten.
Bild: dpa
Anders als Asylsuchende sollten sie aber sofort Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben. Ihre Aufenthaltserlaubnis beinhalte das Recht, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Über die Einigung zwischen den beiden Ministerien gebe es im Laufe des Tages noch Gespräche mit den Bundesländern. Die erwarteten Flüchtlinge sollen auf die Länder verteilt werden.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte auf Anfrage, „dass für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine voraussichtlich das Asylbewerberleistungsgesetz anwendbar sein wird“. Ein Asylverfahren müssen die Flüchtlinge dafür nicht beantragen, da sie auf der Grundlage einer EU-Richtlinie bis zu drei Jahre Schutz erhalten.
Mit Agenturmaterial
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Kommentare (9)
Account gelöscht!
04.03.2022, 08:14 Uhr
Wenn ich mir erstmalig den Titel lese, geht mir sofort die Frage durch den Kopf, warum die ukrainische Gegenwehr sich um die AKW aufstellt? Ansonsten enthält der Artikel viele unterschiedliche Ereignisse, die mit dem Titel nichts zu tun haben. Die man auch nicht auf ihr Wahrheitsgehalt hin überprüfen kann. Bekanntlich bleibt bei Krieg die Wahrheit als erste auf der Strecke. Es geht darum maximale negative Stimmung zu machen. Angst in der deutschen Bevölkerung zu verbreiten. Herr Selenski bittet die Nato um Einmarsch. Jeden Tag hat er neue Wünsche. Aktuell verlangt er von Deutschland Kampfpanzer und U-Boote. Da frage ich mich gleich, wer die hochkomplexen Maschinen auf der ukrainischen Seite dann sofort bedienen kann. Zudem sind die Teile ja extrem teuer. Will er uns das mit Getreide bezahlen? Sorry, aber er ist mir vielmehr ein Komiker und Schauspieler, als ein gewissenhafter, weitsichtiger Präsident.