PremiumOffiziell wollten die Staatschefs Putin, Raisi und Erdogan über die Zukunft Syriens verhandeln. Doch auch das Thema Ukraine kam auf den Tisch.
Treffen in Teheran
Der russische Staatschef Wladimir Putin und der iranische Präsident Ebrahim Raisi: Von US-Sanktionen betroffen.
Bild: via REUTERS
Istanbul Kremlchef Wladimir Putin, Irans Präsident Ebrahim Raisi und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan haben bei einem Spitzentreffen in Teheran in zwei wichtigen Punkten keine Einigung erzielt. Dies betrifft die blockierten Weizenexporte aus der Ukraine und den schwelenden Bürgerkrieg in Syrien.
Die iranische Führung empfing die Teilnehmer des Treffens am Dienstag, wie die Regierung und das Staatsfernsehen berichteten. Offizielles Thema des Gipfeltreffens sind Gespräche über eine Verbesserung der Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Doch auch die regionale Kooperation und der Krieg in der Ukraine wurden behandelt.
Sichtlich gut gelaunt traf Russlands Präsident Putin in Teheran ein. Es ist seine zweite offizielle Auslandsreise seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine. Während Putin jüngst Spitzenpolitiker an langen Tischen in Moskau empfing, war im Iran bei Treffen mit dem obersten Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei oder Präsident Raisi wenig Distanz zu sehen. Erdogan und Putin wurden mit militärischen Ehren empfangen.
Das Treffen fand kurz nach einer Reise von US-Präsident Joe Biden in die Region statt. Biden kehrte erst am Wochenende aus Saudi-Arabien zurück – dem regionalen Rivalen des Irans.
Bei einem anschließenden Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan äußerte sich Putin dankbar für die Vermittlung Ankaras beim Thema Getreidelieferungen. Es seien zwar noch nicht alle Fragen geklärt, aber es gebe Fortschritte, sagte der Kremlchef in seinem Eingangsstatement. Die Ukraine und westliche Staaten werfen Russland eine Blockade ukrainischer Seehäfen und damit auch der Getreidelieferungen vor. Moskau weist den Vorwurf zurück.
Irans Präsident Raisi forderte eine diplomatische Lösung für das Bürgerkriegsland Syrien. Die Staatschefs verständigten sich dann darauf, die territoriale Integrität Syriens zu wahren, wie aus einer vom iranischen Präsidialamt veröffentlich Abschlusserklärung des Gipfels hervorgeht. Man strebe eine diplomatische Lösung unter Vermittlung der Vereinten Nationen an.
Weitere Ziele seien, Terrorismus zu bekämpfen und die Spannungen in der Rebellenhochburg Idlib zu lösen. Das Leid der Menschen in Syrien solle schnellstmöglich beendet werden, sodass auch Geflüchtete in ihr Land zurückkehren können.
Die drei Staaten hatten bereits über die Zukunft Syriens verhandelt. Russland und der Iran unterstützen den Machthaber Baschar al-Assad, die Türkei ist mit der Opposition verbündet. Die drei Schutzmächte organisieren seit 2017 im sogenannten Astana-Format Gespräche über den Syrienkonflikt.
Ankara kündigt bereits seit Wochen eine neue Offensive in Nordsyrien an und hält als Resultat vergangener militärischer Eingriffe Gebiete im Norden des Nachbarlands besetzt. Russland und der Iran hatten die Türkei jüngst vor einer Militäraktion gewarnt.
Irans oberster Führer erneuerte seine Warnungen in einem Gespräch mit Erdogan. Die Türkei argumentiert mit ihrer Sicherheit und „terroristischer“ Bedrohung.
Chamenei machte dem Westen erneut Vorwürfe wegen der Nato-Osterweiterung. Hätte Russland nicht die Initiative im Angriffskrieg gegen die Ukraine ergriffen, wäre es zu einem anderen Konflikt gekommen, sagte Chamenei bei einem Gespräch mit Putin, wie der Staatssender Irib berichtete. Er spielte damit auf eine Argumentation Russlands an, der zufolge sich Moskau von der Aufnahme osteuropäischer Staaten in das westliche Verteidigungsbündnis und vor allem von einem potenziellen Nato-Beitritt der Ukraine bedroht sah.
Gipfeltreffen in Teheran
Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik verbreitete Bild zeigt Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan bei ihrem Treffen im Iran.
Bild: dpa
Offiziell gibt sich der Iran mit Blick auf Putins Ende Februar begonnenen Krieg gegen die Ukraine neutral. Doch die Sympathien der iranischen Führung für Russland sind bekannt.
Für Wirbel hatte vergangene Woche zudem eine Aussage eines US-Regierungsvertreters gesorgt. Es gebe Hinweise, dass Moskau iranische Kampfdrohnen für den Krieg gegen die Ukraine erwerben wolle. Der Iran dementierte das umgehend und versicherte der Ukraine mit Nachdruck, die amerikanischen Behauptungen seien „grundlos“. Öffentlich zur Sprache kam das Thema am Dienstag nicht mehr.
Syrische Oppositionspolitiker warfen den drei Staaten vor, sich nur für ihre eigenen Interessen in dem Bürgerkriegsland zu interessieren. Ihr Hauptziel sei es, „die syrischen Rechte zu schwächen und mehr den Interessen des syrischen Regimes zu dienen“, sagte der Oppositionelle Jijha al-Aridi am Dienstag. Die noch im Juli geplante neue Runde der Syrien-Verfassungsgespräche in Genf war erst jüngst abgesagt worden.
Sanktionen treffen den Iran und Russland hart. Auch deshalb streben beide Länder eine vertiefte Kooperation an, insbesondere in der Öl- und Gaswirtschaft sowie im Finanzsektor. Auch Ankara will die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Teheran ausbauen. Beide Länder betonten, das jährliche Handelsvolumen auf 30 Milliarden Dollar erhöhen zu wollen – ein Ziel, das beide Staaten seit Jahren formulieren, bisher allerdings ohne nennenswerte Ergebnisse. Aktuell liege das Handelsvolumen bei 7,5 Milliarden Dollar.
Erdogan sagte, er hoffe besonders auf einen Ausbau der Kooperation in der Verteidigungsindustrie. Die beiden Nachbarstaaten unterzeichneten zudem eine Reihe von Absichtserklärungen. Auch die Grenzsicherheit zwischen beiden Ländern wurde angesprochen. Durch den Iran führt eine der Hauptfluchtrouten für Menschen aus Afghanistan auf dem Weg in die Türkei und nach Europa.
Der russische Gaskonzern Gazprom und Irans staatliches Ölunternehmen kündigten eine strategische Zusammenarbeit an. Demnach wollen die beiden Unternehmen Möglichkeiten einer Kooperation ausloten, etwa bei der Erschließung von Öl- und Gasfeldern im Iran oder auch bei der Verflüssigung von Gas, beim Bau von Pipelines und im wissenschaftlich-technischen Bereich. Der Iran verfügt über eines der größten Gasfelder der Welt. Durch die US-Sanktionen kommt das Land jedoch nicht an moderne Technik.
Bis heute arbeiten iranische Privatunternehmen jedoch oft nur ungern mit Russen zusammen. Auch in politischen Kreisen ist immer wieder zu hören, Russland sei kein verlässlicher Partner und insbesondere Putin nicht, der den Iran jederzeit für eigene Interessen fallen lassen könne. Russland unterstützte den Iran allerdings mit militärischer Ausrüstung, die das Land wegen der US-Sanktionen schwer beschaffen kann.
Chamenei, der im Iran laut Verfassung das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat, sicherte Russland seine Unterstützung zu. Die Beziehungen seien gut für Russland und den Iran, da beide Staaten von US-Sanktionen betroffen sind.
Chamenei möchte außerdem, den Dollar als internationales Zahlungsmittel schwächen. Zuvor war am Dienstagmorgen im Iran die Einführung russischer Rubel für Devisenmakler verkündet worden. Nach Angaben von Experten muss die iranische Zentralbank jedoch erst genügend Devisen beschaffen, um die Währung in Umlauf zu bringen. Die Einführung lohne sich daher mehr für große staatliche Projekte.
Putin forderte zudem die Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran. „Wir halten es für wichtig, die Anstrengungen fortzusetzen zum Erhalt des Atomdeals und zur Schaffung von Bedingungen für seine neuerliche nachhaltige Realisierung auf Grundlage der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats“, sagte Putin. Russland ist der wichtigste Partner des Irans beim zivilen Atomprogramm.
„Wir haben die Verwirklichung gemeinsamer Großprojekte und die aktivere Nutzung unserer nationalen Währungen im Zahlungsverkehr zwischen unseren Ländern ausgemacht“, sagte Putin. Russland hat das Kernkraftwerk Buschehr im Süden Irans fertiggestellt und ist an einem Ausbau des Kraftwerks interessiert.
Unter US-Präsident Donald Trump wurde das 2015 unterzeichnete Atomabkommen, das Teheran den Aufbau einer zivilen Kernkraftnutzung gestattete, eine militärische Nutzung aber untersagte, einseitig von Washington gekündigt. Inzwischen wird seit Monaten um eine Wiederbelebung des Abkommens zwischen dem Iran und den anderen Vertragspartnern - China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA - verhandelt. Die Gespräche stocken seit März. Hintergrund sollen in erster Linie Differenzen zwischen Teheran und der US-Regierung über den Status der iranischen Revolutionsgarden sein. In den USA stehen die Revolutionsgarden seit Jahren auf einer Liste von Terrororganisationen.
Mit Agenturmaterial
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