Der US-Autobauer betreibt Lobbyarbeit in Kanada und prüft dort den Bau einer Gigafabrik. Sie wäre Teil der jüngst angekündigten Expansionsstrategie.
New York, Toronto Mit nur einem Satz schafft es Tesla-Chef Elon Musk immer wieder, die Gerüchte anzuheizen. Auf der Jahreshauptversammlung kündigte Musk den Bau einer weiteren Fabrik an, deren Standort voraussichtlich zum Jahresende enthüllt werde, schließlich platze das Werk in Fremont, Kalifornien, aus allen Nähten. Ob dieses Werk in Kanada entstehen könne, fragte jemand aus dem Publikum. Musks lachte und sagte: „Wer weiß, ich bin ja Halbkanadier.“
Das könnte mehr als nur einer der üblichen Scherze des Tesla-Chefs gewesen sein, zeigen öffentliche, kanadische Registereinträge. Die Lobbyregister der kanadischen Provinz Ontario und der Bundesbehörden in Ottawa, die das Handelsblatt eingesehen hat, belegen ein mögliches Interesse Teslas an einem Produktionsstandort in Kanada.
Tesla betreibt demnach Lobbyarbeit bei der Regierung von Ontario zur Errichtung einer neuen Fabrik. Dies geht aus einem Registereintrag von Tesla vom 18. Juli dieses Jahres im Lobbyregister des Integritätsbeauftragten der kanadischen Provinz hervor, über den zuerst Reuters berichtet hatte.
Darin beschreibt Tesla seine offiziellen Ziele: Man wolle mit der Regierung und ihren Behörden zusammenarbeiten, „um Möglichkeiten für eine Reform der Genehmigungsverfahren für Industrie- und/oder fortschrittliche Produktionsanlagen zu ermitteln, um die Wettbewerbsfähigkeit Ontarios und seine Fähigkeit, Kapitalinvestitionen anzuziehen, zu erhöhen“.
Um mit „wachstumsstarken Produktionsstandorten in Nordamerika konkurrieren zu können“, sei es nötig, über Genehmigungsfristen zu sprechen.
Kanadas Ambitionen sind groß, sich zu einer Hochburg für Elektrofahrzeuge zu entwickeln. Der Premierminister von Ontario, Doug Ford, hat den Aufbau einer Elektroautoproduktion zu einem Kernstück seiner Wirtschaftsstrategie gemacht.
„Ontario ist nun auf dem besten Weg, ein führendes Zentrum für die Produktion von Elektrofahrzeugen in Nordamerika zu werden“, heißt es in einer Rede Fords vom Dienstag, mit der die zweite Amtszeit seiner Regierung eingeleitet wurde. Darin sprach der Politiker von 16 Milliarden kanadischen Dollar an Investitionen in den Sektor.
Elon Musk
Kanadas Ambitionen sind groß, sich zu einer Hochburg für Elektrofahrzeuge zu entwickeln.
Bild: IMAGO/Political-Moments
Die Provinz und Kanadas Regierung hatten bereits in der Vergangenheit versucht, Autohersteller mit großzügigen Subventionen davon zu überzeugen, Ontario als Standort für die Produktion von Elektrofahrzeugen zu wählen. Zuletzt wurde ein Fünf-Milliarden-Dollar-Joint-Venture zwischen Stellantis und dem südkoreanischen Unternehmen LG Energy Solution verkündet, das in Windsor Kanadas erstes großes Werk für Elektroautos errichten will.
Bislang treibt Tesla in Kanada nur den Ausbau der Ladeinfrastruktur voran. Darüber hinaus betreibt der Elektroautohersteller in Markham, Ontario, die Produktion von Fertigungsanlagen, die in den Tesla-Gigafactories auf der ganzen Welt für die Herstellung von Batterien eingesetzt werden.
Auf Bundesebene trafen sich Ende Juni Tesla-Vertreter und zwei hochrangige Beamte im Büro von Industrieminister François-Philippe Champagne, der für Kanadas Investitionen in die Automobilindustrie verantwortlich ist.
Unklar ist, wie weit die aktuellen Gespräche fortgeschritten sind und welchen Umfang die Investitionen haben könnten. Die nun bekannt gewordenen Unterlagen, die der besonderen Transparenz des kanadischen Lobbyregisters zu verdanken sind, zeigen aber, dass Tesla Kanada als einen möglichen Standort prüft.
In der Vergangenheit hatte Tesla regelmäßig Gespräche mit mehreren potenziellen Standorten geführt und die jeweilige politische Unterstützung sowie mögliche Subventionen abgeklopft, bevor sich der Konzern für den Sitz einer Gigafactory entschieden hatte. So nennt Tesla seine Hauptproduktionsstätten, die viele Arbeitsschritte unter einem Dach vereinen.
Zuletzt hatte Musk auf der Tesla-Hauptversammlung seine Ausbaupläne skizziert. In einigen Jahren könnte Tesla zwölf Fabriken betreiben, erklärte Musk, was weitere neue Standorte nötig mache. Auch wolle man die Produktion weiter steigern. Aktuell sei man stolz, drei Millionen Teslas produziert zu haben. „Hättet ihr euch das vor zehn Jahren vorstellen können, als wir 3000 Autos produziert hatten?“, fragte Musk. So werde es exponentiell weitergehen.
Welches Auto genau in der weiteren Gigafactory gebaut werden könnte, ist offen. Musk gab hierzu im Rahmen der Jahreshauptversammlung keinen Einblick.
Unter Beobachtern werden neben Kanada weitere mögliche Standorte für die neue Gigafactory diskutiert: Dazu gehören Europa sowie Asien, wo Tesla bisher je ein Werk betreibt. Eigentlich ist Tesla mit zwei Werken in Nordamerika bereits gut aufgestellt; insbesondere China ist hingegen der größte Wachstumsmarkt für den Konzern. Musk hatte wiederholt die gute Arbeit des bisherigen Werks in Schanghai gegenüber den anderen Standorten hervorgehoben.
Vorbild für neue Fabriken ist denn auch das Werk in Schanghai: „Das Team dort macht eine großartige Arbeit“, lobte Musk. Aber auch in Texas und in Berlin arbeiteten die Angestellten hart. Vor allem in Austin verzögerte sich der Produktionshochlauf zuletzt erheblich.
>> Lesen Sie auch unseren Kommentar: Dass Elon Musk Tesla-Aktien verkauft, ist ein Warnsignal für Tech-Anleger
Musk teilte mit, dass Tesla noch viel Arbeit mit Giga Texas und Giga Berlin vor sich habe. Sowohl der neue Hauptsitz von Tesla als auch die Fabrik in Grünheide bei Berlin haben Anfang des Jahres die Produktion aufgenommen. Der Hochlauf der Produktion ist die aktuell größte Herausforderung für Tesla.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×