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21.02.2020

17:08

Unternehmen wie Thyssen-Krupp setzen auf Wasserstoff bei der Stahlproduktion. AFP/Getty Images

Wasserstoff in der Industrie

Unternehmen wie Thyssen-Krupp setzen auf Wasserstoff bei der Stahlproduktion.

Energiewende

Künftig kommt Wasserstoff statt Erdgas aus Holland

Von: Klaus Stratmann

Die Niederländer treiben den Aufbau einer kompletten Wasserstoff-Wertschöpfungskette voran. Als wichtigsten Partner haben sie dabei Deutschland auserkoren.

Berlin Wer auf die Karte schaut, mit der Noé van Hulst die Pläne der Niederländer für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur veranschaulicht, erkennt schnell, dass die Projekte nicht an der niederländischen Grenze enden. Sie reichen vielmehr weit nach Deutschland hinein, ins Ruhrgebiet und nach Hamburg.

„Unser Ziel ist es, beim Thema Wasserstoff die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg zu intensivieren. Wir denken dabei global. Die Kooperation mit Deutschland hat allerdings Priorität“, sagt van Hulst. Deutschland sei wegen seiner zentralen Lage in Europa und wegen seiner starken Industrie „Dreh- und Angelpunkt einer künftigen europäischen Wasserstoff-Infrastruktur“, sagt der Niederländer.

Der Ökonom, der lange für die OECD und bei der Internationalen Energie-Agentur (IEA) gearbeitet hat, ist der „Wasserstoff-Botschafter“ seines Landes. Im Auftrag der niederländischen Regierung wirbt er dafür, beim Aufbau einer grenzüberschreitenden Wasserstoff-Infrastruktur voranzukommen.

Die Niederländer haben eine Reihe konkreter Vorhaben definiert. Sie haben die gesamte Wertschöpfungskette von der Wasserstoffherstellung über die Speicherung bis zum Transport im Blick. Regionale Schwerpunkte bilden der Hafen von Rotterdam und die Region Groningen.

Das Nachbarland versucht mit seinen ehrgeizigen Plänen, aus einer Not eine Tugend zu machen. Seit im Januar 2018 im Bereich des Erdgasfeldes Groningen ein schweres Erdbeben massive Schäden verursacht hat, sind die Tage der Erdgasproduktion in den Niederlanden gezählt. Derzeit ist das Land – nach Russland und Norwegen – noch Deutschlands drittwichtigster Erdgaslieferant.

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Kurz nach dem Erdbeben hatten die Niederländer zunächst beschlossen, bis 2030 aus der Gasförderung aussteigen. Im vergangenen Jahr entschied die Regierung dann, die Gasproduktion bereits Mitte 2022 zu beenden.

Die Zukunft der niederländischen Erdgasinfrastruktur ist daher ungewiss. Doch van Hulst sieht gerade darin eine Chance: „Das Gasnetz kann so umgerüstet werden, dass es für den Transport von Wasserstoff genutzt werden kann.“ Die Voraussetzungen für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur seien nirgendwo auf der Welt besser als in den Niederlanden, ist van Hulst überzeugt.

Zugleich sei die künftige Wasserstoff-Infrastruktur gut mit dem deutschen Gasnetz verknüpfbar. Die Pläne der deutschen Ferngasnetzbetreiber, ein Wasserstoffnetz aufzubauen, begrüßt er daher ausdrücklich: „Sie lassen sich sehr gut mit unseren Plänen verbinden“, sagt van Hulst.

Die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas) in Deutschland hatte Ende Januar den Plan für ein 5.900 Kilometer langes Wasserstoffnetz entworfen, das die künftigen Erzeugungszentren von Wasserstoff im Norden Deutschlands mit den großen Abnehmern im Westen und Süden verbinden soll. Im Plan der deutschen Gasnetzbetreiber ist eine Verknüpfung mit dem niederländischen Wasserstoffnetz bereits berücksichtigt. „Wenn das grenzüberschreitend mit Deutschland funktioniert, dann können wir es auch anderen Nachbarländern aufbauen“, sagt van Hulst.

Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung, insbesondere für die Industrie. Bestimmte industrielle Prozesse, etwa in der Stahlherstellung oder in der Chemiebranche, lassen sich nur mithilfe von Wasserstoff klimaneutral gestalten. Aber auch in der Luft- und Schifffahrt oder im Schwerlastbereich auf der Straße dürfte der Einsatz von Wasserstoff an Bedeutung gewinnen.

Der Niederländer hat mehrere Jahre für die OECD gearbeitet. Gustavo Graf.

Noe van Hulst

Der Niederländer hat mehrere Jahre für die OECD gearbeitet.

Entscheidend ist, dass der eingesetzte Wasserstoff CO2-frei hergestellt wird („grüner Wasserstoff“) oder aber das bei der Produktion entstehende CO2 abgetrennt und dauerhaft unterirdisch gespeichert wird („blauer Wasserstoff“).

Eines der Probleme: Es gibt im Moment weder blauen noch grünen Wasserstoff in nennenswerten Mengen. Um einen Markt entstehen zu lassen, sind verschiedene Instrumente denkbar, etwa Beimischungsquoten für synthetisches Kerosin, das auf der Basis von Wasserstoff hergestellt wird.

„Markthochlauf und Skalierung sind die entscheidenden Faktoren, um voranzukommen. Wenn möglichst viele Länder kooperieren, vergrößern sich die Möglichkeiten“, ist van Hulst überzeugt.

In Deutschland wird derzeit noch um eine nationale Wasserstoffstrategie gerungen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte kürzlich den Entwurf einer Strategie vorgelegt, der sich derzeit noch in der Abstimmung mit den anderen Ressorts befindet.

Dabei zeichnen sich Konfliktlinien ab. Während das Bundeswirtschaftsministerium sowohl blauen als auch grünen Wasserstoff als Teil der Lösung ansieht, ist in den Augen des Forschungsministeriums und des Umweltministeriums allein grüner Wasserstoff akzeptabel.

Derlei Berührungsängste sind den Niederländern fremd. „Wir brauchen blauen Wasserstoff, um schnell voranzukommen. Parallel wird Schritt für Schritt der grüne Wasserstoff an Bedeutung gewinnen“, sagt von Hulst. „Das Gute ist, dass wir auf der Basis von blauem Wasserstoff schon mit dem Aufbau der Infrastruktur beginnen können. Die Industrie braucht rasche Lösungen, um klimaneutral zu werden“, gibt der Niederländer zu bedenken. Das geht nach seiner Überzeugung nicht ohne blauen Wasserstoff: „Große Volumina zu akzeptablen Preisen sind nur mit blauem Wasserstoff erreichbar.“

Weil blauer Wasserstoff untrennbar mit der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) verbunden ist, wollen die Niederländer ihren Partnern in Deutschland auch dafür eine Lösung anbieten: „Die Investitionsentscheidung für das CCS-Projekt ,Porthos' in Rotterdam soll in diesem Jahr fallen. Das Interesse deutscher Unternehmen ist groß. Der Speicher wird auch das Depot für das CO2 sein, das bei der geplanten Produktion von blauem Wasserstoff anfällt“, sagt van Hulst.

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