Der EU-Außenpolitiker will den Handel mit Südamerika und Indien intensivieren. An den neuen US-Präsidenten hat McAllister hohe Erwartungen.
Übersee-Frachtschiff
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister, will den Handel Europas mit Indien und Lateinamerika beleben.
Bild: Michael Lange/laif
Brüssel Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister (CDU), unterstützt das Ziel der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft, die wirtschaftliche Partnerschaft mit Asien und Amerika auszubauen. Der EU-Abgeordnete befürwortet den Abschluss des ausgehandelten Freihandelsabkommens mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten trotz vieler offener Fragen.
„Wenn wir Europäer unseren Wohlstand und unsere Werte in einer globalisierten Welt effektiv schützen möchten, brauchen wir mehr Freihandelsabkommen, um diese verbindlich festzuschreiben und eine wirtschaftliche Grundlage zu geben“, sagte McAllister dem Handelsblatt in Brüssel. Das gelte auch für die Mercosur-Staaten.
Zugleich plädierte McAllister für engere Beziehungen der EU mit Indien: „Eine verstärkte Kooperation mit Indien bietet großes Potenzial.“ Die portugiesische Ratspräsidentschaft plant im Mai einen EU-Gipfel mit dem indischen Premierminister Narendra Modi in Porto.
Die Erwartungen an die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden dämpft McAllister unterdessen. „Die Schwierigkeiten werden sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Die US-Demokraten sind traditionell nicht weniger protektionistisch eingestellt“, sagte er.
McAllister setzt in der Handels- und Wirtschaftspolitik auf eine baldige Annäherung zwischen Brüssel und Washington. „Es ist dringend erforderlich, dass wir uns bei handelspolitischen Fragen wieder annähern und Konflikte um fragwürdige Zölle oder Staatsbeihilfen auflösen können.“
Die Streitigkeiten um Staatsbeihilfen für den amerikanischen Flugzeughersteller Boeing und seinen europäischen Konkurrenten Airbus belasten seit Jahren die handelspolitischen Beziehungen zwischen den USA und der EU. „Es wäre sinnvoll, gemeinsam die dringend notwendige Reform der Welthandelsorganisation WTO anzupacken, Streitigkeiten beizulegen sowie Zölle und nicht-tarifäre Hemmnisse sukzessive in einem ersten Schritt zumindest bei Industriegütern abzubauen“, fordert McAllister.
Von Biden erhofft sich der EU-Außenpolitikexperte einen „Stilwechsel im Ton und im Umgang“ mit Verbündeten. „Es wird hoffentlich wieder stärker miteinander und nicht übereinander geredet. Die Rückkehr der USA zur Weltgesundheitsorganisation und zum Pariser Klimaabkommen wird die Zusammenarbeit beim Multilateralismus stärken“, so McAllister.
Die portugiesische Ratspräsidentschaft will die Rolle der EU in der Geopolitik stärken und das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten im ersten Halbjahr abschließen. Wie groß schätzen Sie dafür die Chancen ein?
Ich begrüße den geopolitischen Schwerpunkt der portugiesischen Ratspräsidentschaft. Es geht darum, als EU ein verlässlicher und bevorzugter Partner für andere Länder in der Welt zu sein. Wenn wir Europäer unseren Wohlstand und unsere Werte in einer globalisierten Welt effektiv schützen möchten, brauchen wir mehr Freihandelsabkommen, um diese verbindlich festzuschreiben und eine wirtschaftliche Grundlage zu geben. Das gilt auch für die Mercosur-Staaten. Grundsätzlich ist ein Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Ländern von zentraler politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Was heißt das konkret?
Ein Freihandelsabkommen würde viele bestehende Zölle und andere nicht-tarifäre Handelshemmnisse abschaffen, gleichzeitig aber hohe Umwelt- und Sozialstandards vorsehen. Dadurch würde der Handel mit Südamerika insbesondere für viele mittelständische Unternehmen vereinfacht. Allerdings gibt es in den Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament noch sehr viele offene Fragen zu klären. Portugal könnte hier eine vermittelnde Rolle einnehmen.
Ein weiteres Ziel der portugiesischen Ratspräsidentschaft ist eine engere Partnerschaft mit Indien. Hat die EU den Subkontinent in den vergangenen Jahren zu wenig beachtet?
Die EU sollte Allianzen mit Partnern anstreben, die ähnlich denken und eine ähnliche Vision von der Welt haben. Eine verstärkte Kooperation mit Indien bietet großes Potenzial. Die weltweit größte Demokratie ist für uns ein natürlicher Partner, wenn es um die Gestaltung einer regelbasierten multilateralen Ordnung geht. Beide Seiten wollen ihre strategischen Beziehungen ausbauen und vertiefen. Der für Mai geplante Gipfel in Porto mit Premierminister Modi und allen 27 EU-Staats- und Regierungschefs kann dafür die Weichen stellen.
Was das Investitionsabkommen zwischen der EU und China betrifft, wächst die Kritik, weil viele Branchen nicht beachtet werden. Wie fällt Ihre Bilanz nach der politischen Einigung auf dieses Comprehensive Agreement on Investment (CAI) Ende vergangenen Jahres aus?
Nach sieben Jahren Verhandlungen wurde Ende Dezember ein Durchbruch für ein vorläufiges Investitionsabkommen der EU mit China erreicht. Für eine umfassende Bewertung ist es zu früh, da der politische Text erst in Kürze vorliegen wird. Der chinesische Markt ist für europäische Unternehmen deutlich beschränkter als umgekehrt. Das Abkommen soll einen besseren Marktzugang insbesondere bei Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, Cloud-Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen und das Gesundheitswesen, größere Investitionsmöglichkeiten und besseren Schutz für europäische Firmen in China ermöglichen.
Wie kooperativ hat sich China denn gezeigt?
Zum ersten Mal hat China soliden Regeln zugestimmt mit Blick auf nachhaltige Entwicklung, Umwelt- und Klimaschutz, aber auch hinsichtlich sozialer Verantwortung und Arbeitsrechten. Dieses Abkommen ist natürlich nicht die Antwort auf alle Fragen, aber es kann ein Bestandteil der neuen Chinapolitik werden.
Wie groß werden die Widerstände im Europäischen Parlament gegen das Investitionsabkommen ausfallen?
Das Europäische Parlament wird das Abkommen genau unter die Lupe nehmen und wenn nötig nachbessern. Aber das dauert noch. Der Text muss zunächst noch einem „legal scrubbing“ unterzogen werden. Tatsache ist, dass es zwischen uns und der kommunistischen Führung in Beijing tief greifende Unterschiede in den Fragen der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und der Menschenrechte gibt. So ist es dringend erforderlich, dass China die erklärten Absichten einhält und die Konventionen der International Labour Organization (ILO) gegen Zwangsarbeit ratifiziert und umsetzt. Das Europäische Parlament hat bereits in einer Entschließung vom Juni 2020 zu Hongkong bekräftigt, dass es die Menschenrechtslage in China einschließlich der Situation in Hongkong berücksichtigen wird, wenn es um die Ratifizierung des Abkommens geht.
David McAllister
Der Vorsitzende des Außenpolitisches Ausschusses im Europaparlament setzt auf eine handelspolitische Entspannung zwischen der EU und der neuen US-Regierung.
Bild: imago images/Joachim Sielski
Gilt das frühere Paradigma „Wandel durch Handel“ im Fall von China überhaupt? Das Land ist einerseits geschätzter Wirtschaftspartner, andererseits aber auch systemischer Rivale der EU. Ein schwieriges Spannungsfeld ...
Die Beziehungen zwischen der EU und China sind enorm wichtig, gleichzeitig aber auch schwierig und spannungsreich. Die Erwartungen, dass sich China zunehmend liberalisieren würde, sind offenkundig nicht eingetroffen. Der offene Dialog mit China bleibt unverzichtbar. Neben wirtschaftlichen Interessen müssen wir als EU gegenüber Peking deutlich Menschenrechtsverletzungen auf dem chinesischen Festland und in Hongkong adressieren. Einen Dreiklang aus „cooperate where possible – compete where needed – confront where necessary“ halte ich für den richtigen Ansatz. Dabei dürfen sich die 27 EU-Mitgliedstaaten nicht auseinanderdividieren lassen.
Welche Schritte muss die EU unternehmen, um mit der neuen US-Regierung nach dem Ende der Ära Trump zu einem besseren Verhältnis zu kommen?
Als Europäische Union sollten wir dem neuen Präsidenten Joe Biden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anbieten, um die transatlantische Partnerschaft wiederzubeleben. Die Kommission und der Europäische Rat haben bereits letzten Monat Themenschwerpunkte vorgeschlagen: die Kräfte bei der globalen Gesundheitskrise bündeln, eine Führungsrolle in der globalen Klimapolitik einnehmen, die Zusammenarbeit im Handel und bei Technologieentwicklungen verbessern und sich gemeinsam für eine sicherere, wohlhabende und demokratische Welt einsetzen.
Erwarten Sie ein Ende der Handelsauseinandersetzungen und Strafzölle mit den USA?
Die Schwierigkeiten werden sich nicht über Nacht in Luft auflösen. Die US-Demokraten sind traditionell nicht weniger protektionistisch eingestellt. Eine neue, wünschenswerte Handelsagenda wird nicht den Umfang der gescheiterten TTIP-Verhandlungen haben. Gleichwohl ist es dringend erforderlich, dass wir uns bei handelspolitischen Fragen wieder annähern und Konflikte um fragwürdige Zölle oder Staatsbeihilfen auflösen können. Zudem belasten die Streitigkeiten um Staatsbeihilfen für Boeing und Airbus die Branche seit Jahren.
Die Konsequenz daraus wäre ...
Es wäre sinnvoll, gemeinsam die dringend notwendige Reform der Welthandelsorganisation WTO anzupacken, Streitigkeiten beizulegen sowie Zölle und nicht-tarifäre Hemmnisse sukzessive in einem ersten Schritt zumindest bei Industriegütern abzubauen. Kleinere Erfolge wie beim sogenannten Lobster-Deal können dabei längerfristig eine große Wirkung entfalten.
Erwarten Sie einen Neuanfang mit den USA? In welchen Feldern werden wir positive Veränderungen sehen?
Zunächst wird es unter Präsident Biden einen Stilwechsel im Ton und im Umgang mit Verbündeten geben. Es wird hoffentlich wieder stärker miteinander und nicht übereinander geredet. Die Rückkehr der USA zur Weltgesundheitsorganisation und zum Pariser Klimaabkommen wird die Zusammenarbeit beim Multilateralismus stärken. Ein wiederbelebtes und gemeinsames Engagement gegenüber dem Iran kann zu Stabilität und Frieden in der Region beitragen. Bei den hochkomplexen Fragen über digitale Technologien können wir von einer verstärkten transatlantischen Kooperation profitieren. Es geht um gemeinsame Standards und neue Modelle, wie wir Techfirmen regulieren und besteuern. Sinnvoll ist es, ein Regelwerk für die digitale Gesellschaft einschließlich des Umgangs mit Desinformationen und „hate speech“ zu entwerfen.
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