Der IWF schlägt einen EU-Klimafonds vor, der mit gemeinsamen Schulden finanziert werden soll. Dabei ist noch nicht einmal die Rückzahlung der Coronaschulden geregelt.
Der Autor
Carsten Volkery ist Handelsblatt-Korrespondent in Brüssel.
Bild: Klawe Rzeczy
Die EU-Schuldenregeln müssen reformiert werden, darüber sind sich Politiker und Ökonomen weitgehend einig. Inzwischen gewinnt die Debatte um den Stabilitäts- und Wachstumspakt an Konturen. Im Frühjahr hatten die Niederlande und Spanien einen ersten Vorschlag vorgelegt, im Sommer folgte die Bundesregierung mit ihrem Papier. Am Montag mischte sich nun auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in die Diskussion ein.
Gemeinsam ist allen Beiträgen, dass sie mehr Flexibilität beim Schuldenabbau zulassen wollen. Daran führt angesichts der hohen Schuldenstände in mehreren EU-Ländern nach der Pandemie kein Weg vorbei. Die nationalen Besonderheiten sollen stärker berücksichtigt werden, sodass Regierungen nicht zu einem übermäßigen Sparkurs gezwungen sind, der eine Rezession herbeiführen könnte.
Ebenso einig scheint man sich zu sein, dass die Einhaltung der Regeln strikter kontrolliert werden muss. Die mangelnde Durchsetzung durch die EU-Kommission gilt als einer der Hauptgründe, warum Staaten immer wieder gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen. Diese schreiben vor, dass die jährliche Neuverschuldung nicht mehr als drei Prozent und die Staatsschulden nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen dürfen.
Um die Regierungen stärker in die Verantwortung zu nehmen, sollen sie bei der Formulierung der mittelfristigen Haushaltspläne und Schuldenabbaupfade stärker eingebunden werden. Zugleich sollen unabhängige Kontrollinstitutionen gestärkt beziehungsweise neu geschaffen werden. Die Regierungen würden also mehr Mitsprache bekommen, zugleich aber enger an die Leine gelegt werden.
Diese Punkte tauchen in ähnlicher Form in allen Reformvorschlägen auf und scheinen daher konsensfähig. Umstritten hingegen ist die Frage, ob man auch eine gemeinsame EU-Fiskalpolitik einführen sollte. Die IWF-Ökonomen schlagen einen neuen dauerhaften Gemeinschaftsfonds vor, der in den grünen Umbau der Wirtschaft und die Energiesicherheit investieren soll.
Nach dem Vorbild des Corona-Wiederaufbaufonds soll dieser Klimafonds durch gemeinsame Schuldenaufnahme finanziert werden. Der Fonds sei nötig, um die makroökonomische Stabilität der EU und ausreichend Investitionen in öffentliche Güter zu sichern, argumentieren die Experten.
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Solche Forderungen sind populär in Italien und Frankreich – und bei den deutschen Grünen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen lehnt sie strikt ab. Er betont stets, dass es sich beim Coronafonds um eine einmalige Ausnahme handele. Man muss die kategorische Ablehnung der FDP nicht teilen. Grundsätzlich kann man überlegen, solche Investitionen gemeinsam zu tätigen, um das Gefälle zwischen armen und reichen Ländern in der EU nicht zu verschärfen. Aber es gibt gute Gründe, nicht vorschnell den nächsten Fonds aufzulegen.
Zum einen ist die wirtschaftliche Lage noch nicht so verfahren, dass diese Unterstützung nötig erscheint. Gerade die südeuropäischen Länder verzeichnen aufgrund des Tourismusbooms ein solides Wachstum und sind in puncto Energiesicherheit auch besser aufgestellt als etwa Deutschland.
Zum anderen lässt sich noch nicht bewerten, wie das Experiment mit dem Corona-Wiederaufbaufonds gelaufen ist. In Brüssel wird er zwar stets als großer Erfolg gepriesen, doch die Bilanz steht noch aus. Bislang ist nicht einmal die Rückzahlung dieses gewaltigen Schuldenbergs geregelt.
Mit Spannung wird nun der Reformvorschlag der EU-Kommission Mitte Oktober erwartet. Die Beamten von Währungskommissar Paolo Gentiloni sollen die verschiedenen Beiträge zu einer Diskussionsgrundlage zusammenführen. Erst dann gehen die Verhandlungen über den neuen Stabilitätspakt richtig los.
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