Paris stellt die große Frage: Gelingt es Europa, einen gemeinsamen Weg in der Krise zu finden? Die Antwort ist für Staatspräsident Macron klar. Das Wort Corona-Bonds meidet er aber.
Emmanuel Macron im Gespräch mit dem Europäischen Rat
Die französische Regierung ist darum bemüht, die EU-Staaten zu einen.
Bild: AP
Paris Die französische Regierung bemüht sich, im Streit über eine solidarische Krisenfinanzierung in der EU die Wogen zu glätten. Paris will nicht, dass diese Debatte zu einem Grundsatzstreit über die Einführung von Corona- oder Euro-Bonds wird. Eine Anleihe sei lediglich eines von verschiedenen denkbaren Instrumenten, aber nicht der Kern dessen, was jetzt zur Debatte stehe, hört man im Elysée.
„Die große Frage ist die: Sind wir bereit, einen Teil der Ausgaben, die infolge der Krise nötig werden, gemeinsam zu leisten?“ Paris hält es für nötig, die Frage mit Ja zu beantworten.
Dafür werden Gründe angeführt. Kein Land sei aus eigenem Verschulden in die Coronakrise gestürzt, heißt es. Man könne nicht, wie manche nordeuropäischen Regierungen, Euro-Ländern wie Italien oder Spanien vorwerfen, unsolide gewirtschaftet und damit die Schwierigkeiten heraufbeschworen zu haben.
„Die Krise trifft uns alle, deswegen würden die Europäer es nicht verstehen, wenn einige Länder mit den Folgen alleingelassen würden“, lautet die französische Argumentation.
Doch solle man sich nun nicht zerstreiten und schon gar nicht über einzelne Instrumente. Die Finanzminister der Euro-Zone sollten sich Zeit nehmen und den Staats- und Regierungschefs verschiedene Optionen vorlegen. Es gebe keinen akuten Handlungszwang.
Aktuell stehe die Bewältigung der Epidemie im Vordergrund. Bis die Ausgaben für die Genesung der Wirtschaft notwendig werden, bleibe noch Zeit, beruhigen die Verantwortlichen in Paris. Das gelte umso mehr, da allen Ländern der Euro-Zone der Zugang zum Kapitalmarkt offenstehe, anders als auf dem Höhepunkt der Euro-Krise 2010.
Doch machen die Gesprächspartner aus französischen Regierungskreisen auch klar, dass es so etwas wie ein „unfinished business“ aus der Euro-Krise gibt: „2010 und danach haben wir diese Frage nicht gelöst: Sind wir bereit, in einer Krise, die uns gemeinsam trifft, gemeinsam Ausgaben zu finanzieren und uns dafür zu verschulden?“
Hakt man nach und fragt, ob die französische Regierung die Gunst der Stunde nutzen wolle, um etwas zu erreichen, was sie schon lange wollte – eben Euro-Bonds oder ein Budget relevanter Größe für die Euro-Zone –, bekommt man eine klare Antwort: Europa wachse in Krisen zusammen. Man halte es für notwendig, jetzt bestimmte Tabus zu brechen.
Zugleich wird argumentiert, dass in Deutschland negativ besetzte Begriffe wie „Transferunion“ nichts mehr mit der Realität zu tun hätten. „Was sind die Kohäsionsfonds denn anderes als ein Transfer von den reicheren zu den weniger wohlhabenden EU-Mitgliedstaaten?“, lautet die rhetorische Frage aus Paris.
Mit zwei Hinweisen wollen die Verantwortlichen ihre Position untermauern. Der erste lautet: Welchem Europäer wollte man erklären, dass die EU zwar Autobahnen, Schienennetze oder Kraftwerke finanziere, aber den Mitgliedern nicht in einer Krise mit Tausenden Toten beistehe?
Das zweite Argument lautet: „Erfreulicherweise haben alle Staaten schnell und stark reagiert, die Regeln des Stabilitätspakts sind ausgesetzt worden, alle nationalen Budgets werden massiv erhöht. Aber der EU-Haushalt soll in der Zwangsjacke von maximal einem Prozent der Wirtschaftsleistung bleiben?“
Dieses Argument beinhaltet zugleich einen Hinweis: Der französischen Regierung wäre es recht, wenn die gemeinsame Krisenfinanzierung über das europäische Budget erfolgte. Staatspräsident Emmanuel Macron hat es in einem Interview mit italienischen Medien vermieden, das Wort Corona- oder Euro-Bonds in den Mund zu nehmen. „Es kann um eine gemeinsame Kapazität zur Verschuldung gehen oder um eine Erhöhung des EU-Budgets, um eine wirkliche Unterstützung für die am stärksten von der Krise betroffenen Länder zu erlauben.“
Denkbar wäre aus französischer Sicht neben der Aufstockung des Budgets auch ein zusätzlicher Fonds für den Haushalt, gespeist durch schuldenfinanzierte Ad-hoc-Beiträge. Gegen die Mobilisierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hat man auch nichts.
Der ESM habe allerdings gewisse Schwächen, geben die französischen Gesprächspartner zu bedenken: Da sei vor allem die Konditionalität, die Auflagen, die mit einer ESM-Hilfe verbunden sind. Die könne man allerdings möglicherweise aussetzen. Die andere Frage sei, ob alle Staaten dann auf diese Finanzierung zugreifen würden, sonst bleibe ein Stigma für die schwächsten.
Diskutiert man mit den Verantwortlichen, warum es so wichtig sei, dass sich die Länder gemeinsam verschulden und ob die Hilfe nicht im Vordergrund stehen müsse, räumen sie ein, beide Ziele seien nicht perfekt übereinzubringen. Die Krisenhilfe stehe vornan. Allerdings sei es ein wichtiges politisches Signal, sich gemeinsam dafür zu verschulden.
Doch dieselben Personen sehen auch, dass damit eine Hürde aufgebaut wird: „Mit dem Begriff ‚Schulden‘ wird viel verbunden, bis hin zu moralischer Schuld. Das ist in den nordeuropäischen Staaten ein Problem.“ Auch komme sofort die Sorge auf: Wenn wir das jetzt einmal machen, geschieht das künftig zehnmal, ständig?
Sensibilität für die Position der Kritiker ist in Paris durchaus vorhanden, aber auch Hoffnung: „Wenn wir symbolträchtige Begriffe weglassen, müsste es uns gelingen, eine Einigung über gemeinsame Ausgaben zu erreichen.“
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