PremiumFrankreichs Finanzminister will die digitale Souveränität der EU stärken. Gemeinsam mit Berlin startet er einen Milliardenfonds für Tech-Investitionen.
Bruno Le Maire
Der französische Finanzminister will europäische Start-ups unabhängig von Geldgebern außerhalb der EU machen.
Bild: Reuters
Paris Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat sich für eine stärkere Unabhängigkeit Europas bei der Finanzierung junger Firmen im Bereich der Zukunftstechnologien ausgesprochen. „Wir wollen, dass europäisches Geld in europäische Start-ups investiert wird“, sagte Le Maire am Dienstag bei der Konferenz „Europe 2022“ von Handelsblatt, „Wirtschaftswoche“, „Tagesspiegel“ und „Zeit“.
Wenn außereuropäische Investoren einsteigen würden, stelle sich immer auch die Frage der technologischen Souveränität. „Wir wollen, dass unsere Technologien weder von China noch von den USA kontrolliert werden. Wir wollen eine unabhängige Macht sein“, sagte Le Maire.
Unter deutsch-französischer Führung soll nun ein zehn Milliarden Euro schwerer Dachfonds für Investitionen in den europäischen Tech-Sektor unter dem Titel „European Tech-Champions Initiative“ eingerichtet werden. Im Rahmen der Initiative sind zehn bis 20 paneuropäische Fonds geplant, die Start-ups im fortgeschrittenen Stadium auf die nächste Finanzierungsebene heben sollen.
Berlin und Paris beabsichtigen, je eine Milliarde Euro beizusteuern. Auch andere Mitgliedstaaten sowie private Geldgeber sollen sich beteiligen.
„Der Plan ist, dass unsere Start-ups Wachstumsmöglichkeiten bekommen“, sagte Le Maire. In Frankreich, Deutschland und vielen anderen EU-Ländern hätten junge Firmen in der Gründungsphase gute Bedingungen. „Aber sie haben oft nicht die nötige Finanzierung, um zu Riesen zu werden. Und wir wollen europäische Technologieriesen“, sagte der Minister.
Le Maire machte den Fonds am späten Dienstagnachmittag in Paris gemeinsam mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei einer Veranstaltung der französischen EU-Ratspräsidentschaft zur digitalen Souveränität Europas offiziell.
Die Europäer seien weltweit führend in vielen etablierten Industrie- und Technologiebereichen, sagte Lindner. „Aber wir haben einen Rückstand bei den Champions von morgen.“ Zwar verfüge Europa über ein hervorragendes Ökosystem für Start-ups, beim Wagniskapital gebe es jedoch eine „offene Flanke“.
Das Problem aus Sicht von Berlin und Paris: Sobald ein Start-up eine kritische Größe erreicht hat, kann das Wachstum nicht mehr mit Finanzmitteln aus dem europäischen Markt vorangetrieben werden. Um weltweit erfolgreich zu sein, müssten sich die jungen Firmen dann entweder an große ausländische Fonds wenden oder sich von einem internationalen Konkurrenten schlucken lassen.
Von der Herkunft der Geldgeber in der Spätphase hängen oft zentrale Entscheidungen ab, etwa der künftige Sitz des Unternehmens oder der Ort des Börsengangs. Europa verliere in der Konsequenz gerade jene Tech-Firmen „mit dem höchsten Wachstumspotenzial“, sagte Lindner. „Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist das nicht akzeptabel.“
Le Maire nannte den mit öffentlichen Geldern angeschobenen Dachfonds einen „ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung“, der aber noch nicht ausreiche. Um das Finanzierungsumfeld für Technologiefirmen in der EU zu verbessern, brauche es außerdem „die Bankenunion und alle notwendigen Schritte für einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt“.
>> Lesen Sie hier: Das sind die wertvollsten Start-ups in Deutschland, Europa und der Welt
Der Dachfonds soll vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) mit Sitz in Luxemburg gemanagt werden. Ziel ist, alle Details der „European Tech-Champions Initiative“ bis September auszuarbeiten. Bis Ende des Jahres soll das neue Finanzierungsinstrument einsatzbereit sein.
Die Souveränität Europas treibt Le Maire auch auf anderen Feldern der Industriepolitik um. Ob Wasserstoff, Halbleiter, Biotechnologie oder Batteriefabriken – in all diesen Bereichen benötige es eine staatliche Strategie, die auch privaten Investoren Planungssicherheit gebe.
Eine besondere Bedeutung komme hier gemeinsamen deutsch-französischen Projekten zu. „Wir sind im Herzen Europas, wir stehen für die Zukunft von Europa“, sagte der Minister bei „Europe 2022“. Wenn Berlin und Paris an einem Strang ziehen würden, könne es im 21. Jahrhundert „ein souveränes Europa zwischen den USA und China“ geben.
Den Konflikt beider Länder um die künftige Nutzung der Atomkraft wollte Le Maire nicht überbewerten. Paris hat die Aufnahme der Kernenergie in die grünen Investitionsregeln der EU, die sogenannte Taxonomie, durchgesetzt.
Der Minister sagte, er respektiere die deutsche Position, aus der Atomkraft auszusteigen. „Ich bitte die deutsche Gesellschaft, auch die französische Position zu respektieren.“ Frankreich habe sich entschlossen, im Kampf gegen den Klimawandel auf einen Mix aus erneuerbaren Energien und der emissionsarmen Kernenergie zu setzen. Diese Entscheidung hänge auch damit zusammen, nicht von Gaslieferungen aus Russland und anderen Ländern abhängig sein zu wollen.
Le Maire erinnerte daran, dass massive öffentliche Investitionen für den grünen Umbau der europäischen Volkswirtschaften erforderlich seien. Aus diesem Grund müsse über eine Anpassung der Schuldenregeln in der EU nachgedacht werden.
Einen Konflikt mit Deutschland sieht er in diesem Punkt nicht, schließlich habe auch die Bundesregierung kürzlich 60 Milliarden Euro für Investitionen bereitgestellt. Es gehe darum, in den kommenden Jahren „die richtige Balance zwischen soliden öffentlichen Finanzen und Investitionen zu finden“, sagte er. Auf jeden Fall dürfe nicht der Fehler der Euro-Krise vor zehn Jahren wiederholt werden, als eine zu ambitionierte Haushaltssanierung das Wachstum abgewürgt habe.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×