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30.03.2023

16:28

Evan Gershkovich

Russischer Geheimdienst nimmt US-Journalisten fest

Von: Mareike Müller

PremiumRussland beschuldigt den Korrespondenten des „Wall Street Journal“ der Spionage. Die Zeitung fordert seine sofortige Freilassung. Gershkovich drohen bis zu 20 Jahre Haft.

In Russland verhaftet. via REUTERS

Evan Gershkovich

In Russland verhaftet.

Riga Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat in Jekaterinburg im Ural einen Korrespondenten der renommierten US-Zeitung „Wall Street Journal“ (WSJ) festgenommen. Der 31-jährige Reporter Evan Gershkovich werde der „Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung“ verdächtigt, teilte der FSB am Donnerstag mit. Gegen ihn sei ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Das „Wall Street Journal“ bestätigte die Festnahme, wies die Anschuldigungen aber energisch zurück und forderte die sofortige Freilassung Gershkovichs. Die Zeitung äußerte sich zutiefst besorgt über die Sicherheit ihres Reporters. Im Fall einer Verurteilung drohen Gershkovich bis zu 20 Jahre Haft.

Das Moskauer Gericht Lefortowo hat nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen inzwischen Haftbefehl gegen Gershkovich erlassen. Die staatliche Nachrichtenagentur Interfax berichtete, das Gericht habe eine Untersuchungshaft bis zum 29. Mai 2023 angeordnet.

Verschiedene Medien meldeten, dass Gershkovich keinen Zugang zu seinem Anwalt habe. Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete, dass Gershkovich bei der Anhörung auf nicht schuldig plädierte.

Der russische Geheimdienst behauptet, Gershkovich habe im Auftrag der amerikanischen Seite Informationen über den militärisch-industriellen Komplex in Russland gesammelt, die ein Staatsgeheimnis darstellten. „Beim Versuch, geheime Informationen zu erhalten, wurde der Ausländer in Jekaterinburg festgenommen“, teilte der FSB mit.

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Medien hatten zuvor berichtet, der Reporter sei verschwunden. Er hatte über die Einstellung der Bevölkerung zu den Anwerbeversuchen der Privatarmee „Wagner“ recherchiert. Das Gebiet Swerdlowsk um Jekaterinburg gilt als ein Zentrum der russischen Rüstungsindustrie.

„Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden“

Jeanne Cavelier, bei der Organisation Reporter ohne Grenzen mit Sitz in Paris für Osteuropa und Zentralasien zuständig, sagte, Gershkovich sei der erste ausländische Journalist, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in Russland festgenommen worden sei. „Es sieht wie eine Vergeltungsmaßnahme Russlands gegen die USA aus“, sagte sie der Nachrichtenagentur AP.

„Wir sind sehr alarmiert, denn es ist wahrscheinlich ein Weg, alle westlichen Journalisten einzuschüchtern, die versuchen, vor Ort in Russland zu Aspekten des Kriegs zu recherchieren.“ Journalisten dürften nicht zur Zielscheibe werden, forderte Reporter ohne Grenzen zuvor.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, verteidigte am Donnerstag die Festnahme. Womit sich Gershkovich in Jekaterinburg befasst habe, habe nichts mit Journalismus zu tun.

Der Anwalt des wegen Spionageverdachts inhaftierten Wall-Street-Journal-Reporters Evan Gershkovich spricht vor dem Gerichtsgebäude mit Journalisten. Reuters

Daniil Berman

Der Anwalt des wegen Spionageverdachts inhaftierten Wall-Street-Journal-Reporters Evan Gershkovich spricht vor dem Gerichtsgebäude mit Journalisten.

„Leider ist dies nicht der erste Fall, wo der Status eines ausländischen Korrespondenten, das Journalistenvisum und die Akkreditierung von Ausländern in unserem Land zur Verschleierung einer Tätigkeit genutzt werden, die kein Journalismus ist“, behauptete sie auf ihrem Telegram-Kanal. Seit Beginn des Ukrainekriegs erschwert Russland die Berichterstattung im Land zusehends.

Russische Oppositionelle sprachen von einer „Geiselnahme“. „Putin ist bereit, jede Methode anzuwenden, um Druck auf den Westen auszuüben“, teilte das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexei Nawalny mit.

Auch die Russlandexpertin und Gründerin des russischen Thinktanks R.Politik, Tatiana Stanowaja, schrieb, es sehe so aus, als habe der FSB eine Geisel genommen. Stanowaja zufolge könne durch die derzeitige russische Gesetzgebung und Interpretation von Spionage beim FSB jeder inhaftiert werden, der sich für militärische Angelegenheiten interessiere. „Das bloße Sammeln von Expertenkommentaren oder die Suche nach Informationen im Netz reichen aus, um Anklage zu erheben“, so Stanowaja.

Dass Gershkovich „auf Anweisung der amerikanischen Seite“ gehandelt habe, könne sehr weitgehend interpretiert werden. „Die WSJ-Redaktion ist auch die amerikanische Seite“, sagt Stanowaja. Daher könne man davon ausgehen, dass dem FSB nichts vorliege, was darauf hindeute, dass Gershkovich unter dem Deckmantel eines Journalisten für die Geheimdienste gearbeitet habe. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA bringe das allerdings in eine „neue Runde der Konfrontation“, glaubt Stanowaja.

Russland hatte zuletzt im Zuge des Ukrainekriegs die Gangart gegen westliche Journalisten verschärft. AP

Gebäude des FSB

Russland hatte zuletzt im Zuge des Ukrainekriegs die Gangart gegen westliche Journalisten verschärft.

Kremlchef Wladimir Putin hatte in der Vergangenheit immer wieder inhaftierte russische Kriminelle in den USA durch einen Austausch mit in Moskau verurteilten Amerikanern freibekommen. Zuletzt kam im vergangenen Dezember die in Russland inhaftierte Sportlerin Brittney Griner im Austausch gegen den russischen Waffenhändler Wiktor But frei, der 2011 in den USA wegen Terrorismus schuldig gesprochen worden war.

Ein weiterer US-Bürger, Paul Whelan, wird seit Ende 2018 von Russland unter Spionagevorwürfen festgehalten. Seine Familie und die US-Regierung haben erklärt, die Vorwürfe seien haltlos.

Gershkovich ist der erste Reporter eines US-Medienunternehmens seit dem Kalten Krieg, der in Russland unter Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Zuletzt wurde im September 1986 Nicholas Daniloff, ein Moskauer Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „U.S. News and World Report“, vom damaligen sowjetischen Geheimdienst KGB festgesetzt. Er wurde 20 Tage später im Austausch gegen einen Beschäftigten der sowjetischen UN-Mission freigelassen, der von der US-Bundespolizei FBI festgenommen worden war.

Mit Agenturmaterial.

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