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10.01.2023

19:50

Frankreich

Macron will Rentenalter auf 64 Jahre anheben

Von: Gregor Waschinski

PremiumEin Schlüsselprojekt von Präsident Emmanuel Macron nimmt Gestalt an. Die Franzosen sollen später in den Ruhestand. Aber sie wollen es nicht.

Vier von fünf Franzosen lehnen einer Odoxa-Umfrage zufolge einen Renteneintritt mit 64 Jahren ab. Reuters

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

Vier von fünf Franzosen lehnen einer Odoxa-Umfrage zufolge einen Renteneintritt mit 64 Jahren ab.

Paris Die Franzosen sollen nach dem Willen von Präsident Emmanuel Macron ab dem Jahr 2030 frühestens mit 64 Jahren in Rente gehen können. Das Rentenalter von gegenwärtig 62 Jahren soll ab September 2023 schrittweise angehoben werden, wie Macrons Premierministerin Élisabeth Borne am Dienstagabend in Paris ankündigte.

Großzügige Frühverrentungen für bestimmte Berufsgruppen will die Regierung abschaffen, besonders langjährige Erwerbsbiografien sollen aber berücksichtigt werden. Von der Anhebung der Mindestrente um 100 Euro auf rund 1200 Euro monatlich sollen vor allem Geringverdiener profitieren.

„Das Ungleichgewicht zwischen der Zahl der Erwerbstätigen und der Zahl der Ruheständler wird finanzielle Defizite verursachen, die Jahr für Jahr anwachsen werden“, sagte Borne mit Blick auf die demografische Entwicklung des Landes. „Diese Defizite anzusammeln wäre unverantwortlich.“ Ohne Gegensteuern befürchtet Paris, dass die Rentenkasse im Jahr 2030 ein Minus von 13,5 Milliarden Euro schreiben könnte.

Die französischen Gewerkschaften haben Widerstand gegen Macrons Pläne abgekündigt, die am 23. Januar vom Kabinett und bis zum Sommer vom Parlament verabschiedet werden sollen. Das Renteneinstiegsalter in Frankreich wird aber immer noch unter dem in vielen anderen europäischen Ländern liegen. In Deutschland etwa steigt die Altersgrenze stufenweise bis 2029 auf 67 Jahre.

Das französische Renteneintrittsalter soll jedes Jahr um drei Monate steigen. Zum Ende von Macrons zweiter Amtszeit Mitte 2027 läge es dann bei 63 Jahren und drei Monaten, Ende des Jahrzehnts bei 64 Jahren. Die Regeln gelten für Beschäftigte wie für Beamte gleichermaßen.

Um die volle Rente ohne Abschläge zu erhalten, müssen Neurentner den Plänen zufolge ab 2027 mindestens 43 Beitragsjahre vorweisen. Eine Reihe von Berufsgruppen, etwa die Angestellten der Pariser Verkehrsbetriebe oder Beschäftigte im Energiesektor, sollen auf Sonderrechte für eine früheren Renteneintritt verzichten müssen.

Das Ungleichgewicht zwischen der Zahl der Erwerbstätigen und der Zahl der Ruheständler wird finanzielle Defizite verursachen, die Jahr für Jahr anwachsen werden. Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne

Für Franzosen, die sehr früh in das Berufsleben eingestiegen sind, gilt das neue Renteneintrittsalter dagegen nicht. Das Versprechen von Macrons Regierung: Niemand soll länger als 44 Jahre arbeiten müssen. Wer seit dem 16. Lebensjahr berufstätig ist, kann also mit 60 Jahren in den Ruhestand gehen. Ausnahmen gibt es auch für Menschen mit körperlich besonders anstrengenden Tätigkeiten, die diese im Alter nicht mehr ausüben können.

Macrons verspricht seit Jahren eine Rentenreform

Macron hatte seit seinem Einzug in den Élysée-Palast 2017 eine Rentenreform versprochen. In seiner ersten Amtszeit versuchte er sich an einem noch weitreichenderen Umbau der Alterssicherung, bei dem die unterschiedlichen Regelungen für Berufsgruppen komplett gestrichen und ein einheitliches Punktesystem für die Rentenansprüche eingeführt werden sollten.

Die Pläne entfachten monatelange Proteste, zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 brach der Präsident den Reformversuch dann ab. Auch nach seiner Wiederwahl im April 2022 wartete Macron zunächst ab und suchte das Gespräch mit Gewerkschaften und Opposition über mögliche Kompromisse.

Die finanzpolitische, demografische und wirtschaftliche Lage des Landes macht eine Reform zur Pflicht. Eric Ciotti, Parteichef der konservativ-bürgerlichen Republikaner

Für die Gewerkschaften ist das Renteneintrittsalter, das zuletzt 2010 unter dem Präsidenten Nicolas Sarkozy von 60 auf 62 Jahre erhöht wurde, ein Tabuthema. Damals gab es massive Streiks, und auch dieses Mal formiert sich der Widerstand. Noch am Dienstagabend wollten alle Gewerkschaften bei einem Treffen über eine gemeinsame Antwort beraten, im Gespräch als erste Termine für landesweite Arbeitsniederlegungen sind der 19. Januar und der 24. Januar.

In der Nationalversammlung, wo Macrons Regierung seit den Parlamentswahlen im vergangenen Sommer keine absolute Mehrheit mehr hat, stemmen sich der rechtsnationale Rassemblement National (RN) und das Linksbündnis um die Partei Unbeugsames Frankreich gegen die Pläne.

Die konservativ-bürgerlichen Republikaner signalisierten nach einigem Zögern zuletzt indes, dass sie dem Präsidenten zu einer Mehrheit für die Rentenreform verhelfen könnten. „Die finanzpolitische, demografische und wirtschaftliche Lage des Landes macht eine Reform zur Pflicht“, sagte Parteichef Eric Ciotti der Zeitung „Journal du dimanche“.

Die Franzosen sehen den Umfragen zufolge die Reformpläne des Präsidenten kritisch, sie treibt vor allem die anvisierte Anhebung der Altersgrenze für den Ruhestand um. In einer repräsentativen Erhebung des Instituts Odaxa für den Sender BFM Business lehnten etwa vier von fünf Befragten eine Erhöhung des Renteneintrittsalter ab.

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