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28.02.2023

07:17

Freihandelsabkommen

Olaf Scholz will in Verhandlungen mit Indien eingreifen

Von: Mathias Peer

PremiumDie Verhandlungen der EU über einen Handelsdeal mit Indien kommen nur langsam voran. Kanzler Olaf Scholz verliert die Geduld – und will sich nun persönlich einbringen.

Olaf Scholz und Indiens Premierminister Narendra Modi dpa

Olaf Scholz und Indiens Premierminister Narendra Modi

Scholz versucht sich bei seiner Reise als Vermittler, doch ein Abschluss des Abkommens in diesem Jahr wird immer unrealistischer.

Neu-Delhi Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem Indien-Besuch angekündigt, in die schleppend laufenden Freihandelsgespräche zwischen der EU und Indien eingreifen zu wollen. „Ich werde mich persönlich dafür engagieren, dass diese Sache nicht mehr so lange dauert, wie sie bisher schon gedauert hat“, sagte der SPD-Politiker am Samstag bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Indiens Premierminister Narendra Modi in Neu-Delhi. „Ich will, dass die Einigung zustande kommt und die Sache nicht weiter über Jahre vor sich hinplätschert“, fügte Scholz nach dem Ende der Begegnung mit Modi hinzu.

Die Verhandlungen zwischen der EU und Asiens drittgrößter Volkswirtschaft gelten als äußerst schwierig und waren bereits einmal gescheitert: 2013 brachen beide Seiten die Gespräche ab, nachdem zuvor in sechsjährigen Verhandlungen keine Fortschritte erreicht worden waren. Im vergangenen Jahr startete ein neuer Anlauf. Im Juli nannten beide Seiten das Ziel, bis Ende 2023 eine Einigung zu erzielen.

Doch erneut scheinen die Unterhändler von Indien und der EU-Kommission langsamer voranzukommen als geplant. In Berliner Regierungskreisen ist von „schwierigen Verhandlungen“ die Rede.

Die Vorstellungen lägen noch eine ganze Spur auseinander, hieß es. Vor allem, wenn es um Nachhaltigkeitsbestimmungen in dem Handelsabkommen gehe, seien die Inder sehr zurückhaltend. Ein Abschluss in diesem Jahr wird deshalb immer unrealistischer. Auch eine Einigung bis Sommer 2024 gelte inzwischen unter einigen Verhandlern als sehr ehrgeizig.

Scholz sieht die Verantwortung für die Schwierigkeiten nach eigenen Worten aber nicht nur bei Indien, sondern auch bei der EU-Kommission. Diese verantwortet für die EU die Gespräche. „Die Probleme sind auf allen Seiten“, sagte er. „Es ist kein guter Eindruck, den wir machen.“ Er habe sich fest vorgenommen, „dass wir mit der Kommission im direkten Gespräch hinterher sind“.

Indien ist unverzichtbarer Wirtschaftspartner für Deutschland

Scholz signalisiert damit auch, welche Bedeutung die Bundesregierung Indien inzwischen beimisst. Das 1,4 Milliarden Einwohner große Schwellenland gilt in Berlin als unverzichtbarer Wirtschaftspartner, um die bisherigen Abhängigkeiten China abzubauen.

Ihm gehe es in Indien darum, die Wirtschaftskooperation zu vertiefen, sagte Scholz. 1800 deutsche Unternehmen seien bereits in dem Land präsent und hätten Zehntausende Arbeitsplätze geschaffen. „Diese Investitionen sollen ausgebaut werden und die Zahl der Beschäftigten massiv erhöht werden“, betonte Scholz. Er sprach sich auch für die Anwerbung von IT-Fachkräften aus Indien nach Deutschland aus.

Scholz wurde in Indien von einer ranghoch besetzten Wirtschaftsdelegation begleitet, zu der unter anderem Siemens-Chef Roland Busch, SAP-Vorstandschef Christian Klein und Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz zählen.

ThyssenKrupp bemüht sich derzeit Medienberichten zufolge um den Zuschlag in einem milliardenschweren Rüstungsgeschäft in Indien: Dabei geht es um den Kauf von sechs U-Booten im Wert von 4,9 Milliarden Euro. Scholz hat sich dem Vernehmen nach für den deutschen Konzern eingesetzt. Man habe konkrete Vorhaben beredet, sagte Scholz auf eine Frage nach dem U-Boot-Deal. „Ich habe den Eindruck, dass die Qualität der deutschen Technik eine hohe Wertschätzung genießt“, ergänzte er.

Über das U-Boot-Geschäft hatte Indien zuletzt unter anderem auch mit Russland verhandelt. Die Regierung in Moskau ist seit Sowjetzeiten wichtigster Rüstungslieferant für Indien.

Indiens Abhängigkeit von russischen Waffen gilt als einer der Hauptgründe, weshalb die Modi-Regierung trotz des Ukrainekriegs weiter auf ihrer strategischen Partnerschaft mit Russland beharrt. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen enthielt sich Indien am Jahrestag des Kriegsbeginns bei der Abstimmung über eine Resolution, die den Abzug russischer Truppen forderte.

Ukraine-Krieg: Olaf Scholz vermeidet Kritik an Narendra Modi

Bei seinem viertelstündigen Presseauftritt an der Seite Modis vermied Scholz Kritik am Verhalten des Gastgebers. Er betonte, dass der „furchtbare Angriffskrieg“ nicht zu Preissteigerungen und Nahrungsmittelknappheit in ärmeren Ländern führen dürfe – und war damit ganz auf Modis Linie, der sich mit Blick auf den Krieg primär auf die Folgen für den globalen Süden fokussiert.

„Der Krieg in der Ukraine hat sich auf die Entwicklungsländer besonders negativ ausgewirkt“, sagte Modi. Indien stehe bereit, an einer Lösung mitzuarbeiten. Scholz verwies auf die „verantwortungsvolle Rolle“, die Indien mit seiner diesjährigen G20-Präsidentschaft in einer schwierigen Zeit übernehme.

Indien-Reise

Scholz will mehr Tempo beim Handelsabkommen mit Indien

Indien-Reise: Scholz will mehr Tempo beim Handelsabkommen mit Indien

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Nach den Terminen in Delhi reiste Scholz am Sonntag in die südindische Wirtschaftsmetropole Bangalore weiter. Für den Kanzler ist der Besuch in dem Land die zweite Indien-Reise als Amtsträger: 2012 war er in seiner Funktion als Hamburger Bürgermeister schon einmal in dem Land. „Es hat sich viel geändert, Indien hat einen großen Aufschwung genommen“, sagte Scholz.

Noch einmal will er nun nicht ein weiteres Jahrzehnt vergehen lassen, bis er wieder nach Indien kommt: Die nächste Kanzlerreise in das Schwellenland ist bereits für September geplant – zum G20-Gipfel.

Und auch im nächsten Jahr dürfte Indien weiter auf der politischen Agenda in Berlin stehen: Die nächste Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft soll 2024 in Indien stattfinden, wie Scholz ankündigte – ein Termin, zu dem auch die Bundesregierung traditionell ranghohe Vertreter schickt.

Erstpublikation: 25.02.2023, 14:30 Uhr.

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